Das BVerwG hat entschieden, dass Social-Media-Kanäle einer Behörde grundsätzlich der Mitbestimmung des Personalrats unterliegen können. Maßgeblich sei zwar immer der konkrete Einzelfall – die Leipziger Richter gaben in den beiden jetzt veröffentlichten Entscheidungen jedoch Hinweise darauf, wann ein solches Mitbestimmungsrecht besteht. Entscheidend sei, ob eine Überwachung der Beschäftigten möglich sei.

Social-Media-Aktivitäten sind längst kein reines Privatvergnügen mehr: Auch aus dem beruflichen Alltag sind soziale Medien wie LinkedIn, Instagram, Facebook & Co. nicht mehr wegzudenken. Auch der öffentliche Dienst nutzt soziale Netzwerke zunehmend für Rekrutierungsmaßnahmen oder um die Behördenarbeit darzustellen. Lange Zeit war jedoch unklar, ob Personalräte ein Mitbestimmungsrecht haben, wenn Unternehmen einen eigenen Social-Media-Account einrichten und betreiben. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat nun in zwei Mitte August veröffentlichten Beschlüssen Kriterien aufgestellt, wann der Social-Media-Auftritt einer Behörde der Mitbestimmung des Personalrats unterliegt (Beschl. v. 04.05.2023, Az. 5 P 16.21/ 5 P 2.22).

In der einen Sache hatte das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg einen Fall zu entscheiden, in dem die Deutsche Rentenversicherung Bund auf Facebook und auf Instagram eine Seite zur Nachwuchsgewinnung betrieb (Beschl. v. 04.08.2021, Az. OVG 62 PV 5/20). In dem anderen Fall hatte das OVG Hamburg bezüglich des Mitbestimmungsrechts des Personalrats bei dem Facebook-Account einer Hamburger Kinderklinik entschieden (Beschl. v. 31.01.2022, Az. 14 Bf 201/20.PVL). Die Klinik postete überwiegend zu bestimmten Anlässen und stellte ihre Mitarbeiter vor. Die beiden OVG hatten die jeweils erstinstanzlichen Urteile, die der Forderung der Personalräte auf Durchführung eines Mitbestimmungsverfahrens stattgegeben hatten, aufgehoben.

Das BVerwG forderte sie nun auf nachzubessern, da sie sich nicht mit den Einzelheiten der Fälle auseinandergesetzt hätten. Stattdessen hatten sie ein Mitbestimmungsrecht pauschal verneint, weil es sich ihrer Auffassung nach bei den jeweiligen Social-Media-Seiten nicht um die mitbestimmungsbedürftige Einführung und Anwendung einer technischen Einrichtung handle, die der Mitbestimmung des Personalrates bedürfe.

Soforthilfe vom Anwalt

Sie brauchen rechtliche Beratung? Rufen Sie uns an für eine kostenlose Ersteinschätzung oder nutzen Sie unser Kontaktformular.

Wir sind bekannt aus

Grundsätzlich Mitbestimmung möglich

Das BVerwG war jedoch der Auffassung, dass nur nach Maßgabe des konkreten Einzelfalls entschieden werden könne, ob der Personalrat bei Auftritten der Behörde in den sozialen Medien mitbestimmen dürfe. Die grundsätzliche Möglichkeit der Mitbestimmung durch den Personalrat sei gegeben. Denn Zweck der Mitbestimmungsregelung des § 80 Abs. 1 Nr. 21 Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG) sei der Schutz der Beschäftigten bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Beschäftigten zu überwachen.

Nach Ansicht der Richter sei die tatsächliche Absicht des Arbeitgebers zur Überwachung seiner Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ohne Bedeutung. Als Faustregel für die Mitbestimmungspflicht des Personalrats gelte, ob es dem Arbeitgeber grundsätzlich möglich sei, anhand der Nutzerkommentare die Leistung oder das Verhalten der Beschäftigten zu bewerten. Hierfür sei nach Ansicht der Leipziger Richter insbesondere entscheidend, wie häufig die Beiträge kommentiert und wie lange die Kommentare gespeichert würden. Mitbestimmungspflichtig sei die Maßnahme dann, wenn die Beschäftigten bei objektiver Betrachtung den Eindruck gewinnen könnten, dass die Kommentare im Nachhinein ausgewertet würden und hierdurch in einen Überwachungsdruck geraten könnten.

Was der Arbeitgeber tun muss

Der Arbeitgeber müsse daher bereits bei der Planung des Social-Media-Auftritts prognostizieren, ob aufgrund des Konzepts und des zu erwartenden Kommentaraufkommens eine Mitbestimmungspflicht ausgelöst werden könnte. Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit des Verfassens verhaltens- oder leistungsbezogener Kommentare zu einzelnen Beschäftigten wird zum Beispiel dann anzunehmen sein, wenn die Dienststelle selbst im Rahmen der Personalgewinnung über konkrete Beschäftigte und deren Tätigkeitsfeld berichtet, hierdurch den Blick des Publikums auf das dienstliche Verhalten und die Leistung von Beschäftigten lenkt und deshalb auch hierauf bezogene Nutzerkommentare erwartet werden können. Eher unwahrscheinlich seien entsprechende Kommentare dann, wenn Auftritte der Dienststelle in sozialen Medien sachbezogen lediglich über Aufgaben der Dienststelle oder etwa ohne konkrete Bezüge zu bestimmten Beschäftigten in Form von Pressemitteilungen über die Tätigkeit der Dienststelle informieren.

Sei zunächst kein erhöhtes Kommentaraufkommen zu erwarten, müsse jedoch fortlaufend geprüft werden, ob sich gegebenenfalls eine Mitbestimmungspflicht ergebe und das entsprechende Mitbestimmungsverfahren eingeleitet werden, so die Richter.

lyt/ezo