Eine wichtige Deadline, ein dringendes Projekt oder ein betrieblicher Notfall – und schon sind Überstunden fällig. Aber wie verhält es sich mit der Auszahlung von Überstunden? Wie hoch werden Überstunden vergütet? Und wann können Arbeitnehmer die Auszahlung verlangen?
Das Wichtigste zuerst: wann, wie und ob Überstunden angeordnet und ausgeglichen werden, ist in der Regel im jeweiligen Arbeits- oder Tarifvertrag geregelt. Im Gesetz selbst finden sich hier wenige klar benannte Regelungen. Daher gilt: als Rechtsgrundlage für die Auszahlung von Überstunden sollte zunächst einmal ein Blick in die jeweilige Vereinbarung geworfen werden.
In aller Kürze
Wie werden Überstunden aufgebaut?
Überstunden ist die Anzahl der Stunden, die ein Arbeitnehmer zusätzlich zur (in der Regel im Arbeitsvertrag vereinbarten) Wochenarbeitszeit arbeitet – im Normalfall sind das bei einer Vollzeitbeschäftigung 35 bis 40 Wochenstunden. Ordnet der Arbeitgeber darüber hinausgehende Arbeitsstunden an, müssen diese – außer eine gegensätzliche Regelung besteht – zusätzlich vergütet werden. Außerdem kann der Arbeitnehmer auch selbst entscheiden, Überstunden zu machen. Diese werden jedoch nur dann vergütet, wenn der Arbeitgeber dies akzeptiert. In der Rechtsprechung hat sich die „stillschweigende Hinnahme“ dafür als Voraussetzung etabliert. Dazu erforderlich ist jedoch, dass der Arbeitgeber die Möglichkeit hat, einzusehen, dass und wie viele Überstunden der Arbeitnehmer leistet.
Auch wenn keine Einigung im Arbeits- oder Tarifvertrag getroffen wurde, ist der Arbeitgeber zum Ausgleich von Überstunden verpflichtet.
„Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.“
§612 BGB – Bürgerliches Gesetzbuch
Denn kein Arbeitgeber kann ernsthaft von seinem Arbeitnehmer verlangen, nur aus gutem Willen länger am Arbeitsplatz zu bleiben.
Sollte man sich Überstunden immer auszahlen lassen?
Um aufgebaute Überstunden wieder abzubauen, besteht neben der Auszahlung auch die Möglichkeit, Überstunden durch Freizeit auszugleichen. Arbeitet man beispielsweise in einer Woche fünf Stunden länger, kann die Arbeitszeit an anderen Tag um fünf Stunden reduziert werden – oder an fünf Tagen um jeweils eine Stunde. Die Details dazu, legt der Arbeitgeber fest, häufig jedoch nicht ohne Absprache mit dem jeweiligen Mitarbeiter oder der jeweiligen Mitarbeiterin.
Im Trend liegt darüber hinaus das sogenannte Lebensarbeitszeitkonto. Hier können Stunden zum Beispiel für den früheren Renteneintritt oder für ein Sabbatical „angespart“ werden.
Egal ob Freizeitausgleich oder Lebensarbeitszeitkonto – die beiden Alternativen können für Arbeitnehmer durchaus attraktiv sein. Denn ausgezahlte Überstunden werden genauso behandelt wie das reguläre Gehalt – und damit voll versteuert. Es kann also durchaus passieren, aufgrund ausgezahlter Überstunden in eine höhere Besteuerungsstufe zu fallen – dann kann es finanziell Sinn machen, zu anderen Alternativen als der Auszahlung zu greifen.
Berechnungsformel der Überstundenauszahlung
Zunächst einmal muss der durchschnittliche Stundenlohn ermittelt werden. Dazu teilt man das durchschnittliche Bruttogehalt durch die Anzahl der vereinbarten Wochenarbeitsstunden (beide Angaben lassen sich im Arbeits- oder Tarifvertrag finden). Dies wiederum dividiert man durch 4,33. Diesen durchschnittlichen Stundenlohn multipliziert man nun mit den auszuzahlenden Überstunden.
(Monatliches Bruttogehalt / 4,33 / durch vereinbarte Wochenarbeitsstunden)*Anzahl Überstunden
Wichtig: im Konfliktfall muss der Arbeitnehmer die Anzahl und die Anordnung der Überstunden nachweisen können. Daher sollte zwingend darauf geachtet werden, dass die Anzahl der Überstunden sorgfältig dokumentiert wird.
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Können Überstunden mit dem Gehalt abgegolten sein?
In bestimmten Berufsgruppen, vor allem in höheren Gehaltsklassen ist es durchaus üblich, Überstunden direkt mit dem Gehalt abgelten zu lassen. Aus Sicht des Arbeitgebers zahlt dieser dann zwar ein höheres Gehalt, schützt sich jedoch vor der Auszahlung von Überstunden.
Doch wann ist diese Regelung rechtswirksam?
Das Bundearbeitsgericht hat entschieden, dass eine Regelung, die nur von „regelmäßiger Mehrarbeit“ spricht und keine klare Grenze erkennen lässt, rechtlich unzulässig ist. Zudem seien solche Klauseln auch nur in Arbeitsverhältnissen mit „ausreichend hoher Grundvergütung“ zulässig.
BAG, Urteil vom. 26.06.2019, 5 AZR 452/18)
Gerade in den Fällen in denen der Arbeitgeber eine solche Klausel in erheblichem Maße ausnutzt, sollte man aktiv das Gespräch suchen und um zusätzlichen Ausgleich bitten. Geht der Arbeitgeber darauf nicht ein, sollte rechtlicher Rat eingeholt werden.
Handlungsempfehlungen für den Konfliktfall
In der Praxis ist der Überstundenausgleich einer der häufigsten Auslöser für Konflikte zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Die Streitpunkte sind vielfältig – Höhe der Auszahlung, Berechtigung für die Mehrarbeit, Dokumentation der Zusatzstunden oder auch die Art des Ausgleichs.
Egal zu welchem Punkt Konflikte entstehen: im Vordergrund sollte im Sinne eines partnerschaftlichen Verhältnisses zwischen den Vertragsparteien zunächst einmal eine gemeinsame Lösungsfindung stehen. In größeren Unternehmen kann zusätzlich ein Vermittler – zum Beispiel der Betriebsrat – eingeschaltet werden.
Ist auch nach mehreren Gesprächen keine Einigung in Sicht oder fühlt man sich ungerecht behandelt, sollte zunächst einmal der Rat eines Rechtsanwaltes auf dem Gebiet des Arbeitsrechts hinzugezogen werden. Dieser kann mit seiner Erfahrung aus bereits betreuten Fällen oft hilfreiche Hinweise geben. Unsere Rechtsanwälte bieten Ihnen auch gerne eine telefonische und kostenlose Ersteinschätzung Ihrer rechtlichen Fragen an. Das Expertenteam um Rechtsanwalt Christian Solmecke steht Ihnen gerne Rede und Antwort für Ihre Fragen. Rufen Sie uns an 0221 / 951 563 0 (Beratung bundesweit).

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