Manchmal müssen Arbeitgeber Kurzarbeit einführen. Diese kann jedoch nicht einseitig eingeführt werden, sondern bedarf einer vertraglichen Grundlage. Fehlt diese, so können Unternehmen Kurzarbeit dennoch notfalls einseitig durch eine Änderungskündigung anordnen. So hat es zumindest das ArbG Stuttgart entschieden.

Gerade in der derzeitigen Corona-Krise ist die Anzahl der Kurzarbeit anbietenden Betriebe immens angestiegen. Für viele Unternehmen eine neue Situation, die bis dahin keine Berührungspunkte mit Kurzarbeit hatten. Die Kurzarbeit bezweckt, bei vorübergehendem Arbeitsausfall durch die vorübergehende Verringerung der regelmäßigen Arbeitszeit, Kündigungen zu vermeiden.  Da die Kurzarbeit mit wirtschaftlichen Einbußen für die Arbeitnehmer verbunden ist, bedarf es einer besonderen rechtlichen Grundlage.

In vielen Betrieben scheitere die Einführung von Kurzarbeit bereits daran, dass keine individuelle Regelung, tarifvertraglichen Regelungen oder eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen wurden. Stimmt der Mitarbeiter der Einführung von Kurzarbeit nicht zu, so bleibt dem Arbeitgeber als Handlungsoption nur die Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis wegen betriebsbedingter Gründe zu kündigen. Das Arbeitsgericht Stuttgart hielt kürzlich eine fristlose Änderungskündigung für gerechtfertigt, mit der die Möglichkeit zur Anordnung von Kurzarbeit einseitig in das Arbeitsverhältnis eingeführt wird (ArbG Stuttgart, Urteil vom 22.Oktober 2020 – 11 Ca 2950/20).

Der Fall:

Die Mitarbeiterin war bei einer tarifgebundenen, betriebsratslosen Leiharbeitsfirma beschäftigt. Zuletzt war die Mitarbeiterin mit der Einsatzplanung für Kindergärten betraut. Die Arbeitgeberin beantragte bei der zuständigen Agentur für Arbeit wegen der coronabedingten Schließung von Kindergärten und der damit verbundenen Abmeldung von Zeitarbeitskräften Kurzarbeitergeld, die dieses bewilligte. Die Arbeitgeberin wollte sodann individuelle Vereinbarungen über die Kurzarbeit mit den Mitarbeiterin einführen. Die betreffende Mitarbeiterin verweigerte ihre Zustimmung Der Arbeitgeber sprach daraufhin eine fristlose, hilfsweise ordentliche fristgerechte Änderungskündigung aus. Diese sollte den Arbeitgeber berechtigten, in der Zeit vom 18.05.2020 bis voraussichtlich 31.12.2020 Kurzarbeit bei Vorliegen eines erheblichen Arbeitsausfalls und der weiteren Voraussetzungen der §§ 95 fff. SGB III anzuordnen. Die Mitarbeiterin hielt die Änderungskündigung für sozial ungerechtfertigt und unwirksam, nahm die Änderungskündigung unter Vorbehalt an und erhob Änderungsschutzklage.

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Änderungskündigung zur Einführung von Kurzarbeit rechtswirksam

Das Arbeitsgericht Stuttgart hat entschieden, dass eine fristlose Änderungskündigung mit dem Ziel, eine Einführung von Kurzarbeit zu ermöglichen, als betriebsbedingte Änderungskündigung gerechtfertigt sein kann, so dass die Arbeitgeberin berechtigt war, Kurzarbeit anzuordnen. Den wichtigen Grund, also das dringende betriebliche Erfordernis zur Änderung der Arbeitsbedingungen liege in dem erheblichen Arbeitsausfall im Sinne von § 96 SGB III, der auch Voraussetzung für die Gewährung von Kurzarbeitergeld ist.

Nach Auffassung des ArbG Stuttgart dürfe an eine solche Kündigung dürften keine erhöhten Anforderungen gestellt werden, solange der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt werde. Die Verhältnismäßigkeit setzt nach den Urteilsgründen des Arbeitsgerichts Stuttgart den (erfolglosen) Versuch voraus, die Kurzarbeit einvernehmlich zu vereinbaren; eine Ankündigungsfrist vor Anordnung der Kurzarbeit und die zeitliche Begrenzung der Dauer der Kurzarbeit. Zudem hob das Gericht den Umstand hervor, dass Kurzarbeit nur dann eingeführt werden kann, wenn die entsprechenden Voraussetzungen zur Gewährung von Kurzarbeitergeld auch in der Person des Arbeitnehmers vorliegen.

Im vorliegenden Fall erfüllte der Arbeitgeber die benannten Voraussetzungen, so dass das Arbeitsgericht die Verhältnismäßigkeit bejahte. Die Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist würde im Fall der unplanbaren Schließung von Einrichtungen ohne vorherige Ankündigung während einer Pandemiesituation dazu führen, dass Arbeitgeber Kurzarbeit gar nicht mehr sinnvoll einführen können. Vor diesem Hintergrund sah es das Arbeitsgericht als wirksam an, dass die Arbeitsbedingungen fristlos geändert werden sollten.

Bedeutung für die Praxis 

Da die Voraussetzungen einer betriebsbedingten Änderungskündigung zur Einführung von Kurzarbeit noch nicht höchstrichterlich geklärt sind, ist dieses Urteil eine wichtige Orientierungs- und Argumentationshilfe in anstehenden Klageverfahren. Es bleibt aber abzuwarten, ob das Urteil des Arbeitsgerichts in den höheren Instanzen Bestand haben wird. Arbeitnehmer benötigen Bewertungskriterien, wie mit dem Angebot der Arbeitgeberseite – entweder Kurzarbeit oder Kündigung – umzugehen ist. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Stuttgart bietet dafür hilfreiche Anhaltspunkte.

Für den Arbeitgeber sollte ein Gespräch mit dem Arbeitnehmer zur einvernehmlichen Einführung von Kurzarbeit aber stets die erste Wahl sein. Bei noch abzuschließenden Arbeitsverhältnissen empfiehlt sich für den Arbeitgeber direkt eine Klausel zur Kurzarbeit in den Arbeitsvertrag aufzunehmen, dann stellt sich die Frage einer Änderungskündigung erst gar nicht.

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