Der BGH hat erneut ein für Verbraucher wichtiges Urteil im VW-Abgasskandal erlassen. Auch Schadensersatz-Klagen aus dem Jahr 2019 und sogar noch später können Erfolg haben. Auch der Start der Musterfeststellungsklage verhinderte die Verjährung von Ansprüchen gegen VW. Das Urteil bestärkt unsere Auffassung, dass aktuell wohl noch gar keine Fälle verjährt sind und die Ansprüche auf Schadensersatz weiterhin durchgesetzt werden können. Verbrauchern gibt das Urteil enormen Rückenwind.

Ein herber Dämpfer für Volkswagen. Auch das Thema Verjährung konnte der Konzern nicht beseitigen. Im Gegenteil! Seit dem 29.07. ist nun auch VW klar, dass der Konzern nicht dank Verjährung der Ansprüche den Abgasskandal übersteht. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe entschied am 29.07.2021, dass Ansprüche von VW-Autokäufen aus 2015 noch nicht verjährt sein müssen. Dies ist eine enorm wichtige Aussage, denn nicht wenige Betroffene haben erst Jahre nach Aufdeckung des Dieselskandals gegen Hersteller Volkswagen geklagt. Deren Ansprüche können weiterhin geltend gemacht werden!

Zum einen konnte im Verfahren dem Käufer keine grob fahrlässige Unkenntnis über die den Anspruch begründenden Umstände vorgeworfen werden, die die Verjährungsfrist in Gang gesetzt hätte. Zudem stellte der BGH fest, dass die Verjährung grundsätzlich schon mit Erhebung der Musterfeststellungsklage gehemmt wurde und nicht erst zu dem späteren Zeitpunkt, in dem Kläger im Register angemeldet haben (Urteil v. 29. Juli 2021, Az. VI ZR 1118/20).

Das Urteil sollte alle Betroffenen in ihren Klageverfahren bestärken. Schließlich kann nach den deutlichen Aussagen des BGH von einer Verjährung ihrer Ansprüche keine Rede mehr sein! Und selbst nach Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist greift für betrogene VW-Kunden der Anspruch auf Restschadensersatz.

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Worum es im Verfahren ging

Der Kläger erwarb im September 2013 einen gebrauchten VW Tiguan, der mit einem Dieselmotor vom Typ EA189 (EU5) ausgestattet ist. Der beklagte Fahrzeughersteller erklärte im September 2015 in einer Ad-hoc-Mitteilung, dass bei weltweit rund elf Millionen Fahrzeugen mit Motoren vom Typ EA189 auffällige Abweichungen zwischen den auf dem Prüfstand gemessenen Emissionswerten und denen im realen Fahrzeugbetrieb festgestellt worden seien. In der Folge trat VW wiederholt an die Öffentlichkeit- die Medien berichteten umfangreich über das Geschehen.

Mit seiner im Jahr 2019 eingereichten Klage verlangt der Kläger, nachdem er seine Ansprüche zuvor zum Klageregister der Musterfeststellungsklage an- und wieder abgemeldet hatte, Erstattung des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Zahlung von Wertersatz maximal in Höhe des erzielten Erlöses für das zwischenzeitlich weiterveräußerte Fahrzeug. VW hatte die Einrede der Verjährung erhoben.

Urteil der Vorinstanzen

Das Landgericht (Landgericht Dessau-Roßlau, Urteil vom 27. März 2020, Az. 4 O 367/19) hat die Klage ab-, das Oberlandesgericht (Oberlandesgericht Naumburg, Urteil vom 25. Juni 2020, Az. 8 U 34/20) die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Dem Schadensersatzanspruch des Klägers wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung aus § 826 BGB stehe die von VW erhobene Einrede der Verjährung entgegen. Eine auch Ende 2015 noch bestehende Unkenntnis des Klägers von den anspruchsbegründenden Tatsachen und der Person des Schuldners beruhe auf grober Fahrlässigkeit, da bereits im letzten Quartal des Jahres 2015 alle Umstände in der Öffentlichkeit bekannt geworden seien, die dem Kläger die notwendige Kenntnis von der bewussten Manipulation von Dieselmotoren durch VW und der damit für die Erwerber verbundenen Gefahren einer Betriebsstillegung hätten vermitteln können.

Die Verjährung sei auch nicht durch den Beitritt zum Musterfeststellungsverfahren gehemmt worden. Der Kläger habe nicht belegt, dass er sich bereits im Jahr 2018 in das Klageregister eingetragen habe. Bei einer späteren Anmeldung sei bereits Verjährung eingetreten. Im Übrigen sei die Anmeldung rechtsmissbräuchlich, wenn sie von vornherein nur erfolgt sei, um nach ihrer Rücknahme auch noch im Jahr 2019 Individualklage zu erheben.

BGH: Verjährung ist nicht eingetreten

Erfreulicherweise hebt der BGH nun das vorangegangene Urteil in der Revision auf. Das Revisionsgericht bemängelt zum einen, dass das OLG Naumburg nicht festgestellt hatte, ob der Kläger allgemein vom sogenannten Dieselskandal Kenntnis erlangt hatte. Eine solche Feststellung mag angesichts der umfangreichen Berichterstattung zwar naheliegen, ist aber Sache des Tatrichters. Eine grob fahrlässige Unkenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen i.S.d. § 199 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 BGB könne dem Käufer ebenfalls nicht vorgeworfen werden.

Der von der VW erhobenen Einrede der Verjährung stehe darüber hinaus eine Hemmung der Verjährung durch die Anmeldung des entsprechenden klägerischen Anspruchs zum Klageregister der Musterfeststellungsklage entgegen. Die Hemmungswirkung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB trete im Falle eines wirksam angemeldeten Anspruchs grundsätzlich bereits mit Erhebung der Musterfeststellungsklage und nicht erst mit wirksamer Anmeldung des Anspruchs zu deren Register ein, auch wenn die Anspruchsanmeldung selbst erst im Jahr 2019 und damit nach Ablauf der ursprünglichen Verjährungsfrist erfolgt sein sollte.

Dem Autokäufer sei es auch nicht allein deshalb nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf diesen Hemmungstatbestand zu berufen, weil er seinen Anspruch ausschließlich zum Zweck der Verjährungshemmung zum Klageregister angemeldet hatte.

tsp/ses