In Großbritannien gibt es ein Gesetz, das es verbieten sollte, Frauen heimlich unter ihren Rock zu fotografieren. Die Tatsache, dass das bis jetzt noch nicht verboten war, mag überraschend wirken. Doch auch in Deutschland ist die Rechtslage nicht so eindeutig, wie man meinen möchte. Nachdem zwei junge Frauen auch in Deutschland eine Online-Petition gegen die Gesetzeslücke gestartet haben, kommt nun endlich Bewegung in die Sache. Künftig wird auch das unbefugte Fotografieren unter den Rock oder in den Ausschnitt unter Strafe gestellt. Der Bundestag hat dies nun beschlossen.

Aufgrund des technischen Fortschritts werden Kameras immer kleiner. Sie sind mittlerweile in Alltagsgeräten wie Mobiltelefonen verbaut und in der Lage, Bildaufnahmen von hoher Qualität zu erstellen. Die damit verbundene zunehmende Verfügbarkeit von Kameras sowie die Möglichkeit, diese einfach und unauffällig zu nutzen, führt immer häufiger dazu, dass die Rechte der abgebildeten Personen von den aufnehmenden Personen nicht beachtet werden.

So mehren sich die Fälle, in denen unbefugt eine in der Regel heimliche Bildaufnahme hergestellt oder übertragen wird, die den Blick unter den Rock oder unter das Kleid einer anderen Person zeigt (Upskirting). Auch entsprechende Bildaufnahmen, die in den Ausschnitt gerichtet sind und die weibliche Brust abbilden, werden gefertigt. Oft geschieht ein solches Fotografieren oder Filmen im öffentlichen Raum, wie zum Beispiel auf einer Rolltreppe. Durch diese Verhaltensweisen setzt sich der Täter über das Bestreben des Opfers, diese Körperregionen dem Anblick fremder Menschen zu entziehen, grob unanständig und ungehörig hinweg und verletzt damit die Intimsphäre des Opfers.

Daher wird seit geraumer Zeit darüber diskutiert, die bislang unzureichenden rechtlichen Regelungen anzupassen. Nun hat der Bundestag die Änderung des Gesetzes zur Verbesserung des Persönlichkeitsschutzes bei Bildaufnahmen beschlossen.


Timeline zur Upskirting-Aktualität

  • JUL 2020

    Upskirting wird strafbar

    Der Bundestag hat am Donnerstag, 2. Juli 2020, den Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Persönlichkeitsschutz bei Bildaufnahmen (19/17795) in der vom Rechtsausschuss geänderten Fassung (19/20668 Buchstabe a) beschlossen. Im 13. Abschnitt des Strafgesetzbuches (Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung), soll nun nach § 184 j ein neuer § 184 k (Verletzung des Intimbereichs durch Bildaufnahmen) eingefügt werden. Dieser lautet:

    㤠184k
    Verletzung des Intimbereichs durch Bildaufnahmen

    (1) Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit
    Geldstrafe wird bestraft, wer

    1. absichtlich oder wissentlich von den Genitalien, dem
    Gesäß, der weiblichen Brust oder der diese Körperteile
    bedeckenden Unterwäsche einer anderen Person unbefugt eine Bildaufnahme herstellt oder überträgt, soweit
    diese Bereiche gegen Anblick geschützt sind,

    2. eine durch eine Tat nach Nummer 1 hergestellte Bildaufnahme gebraucht oder einer dritten Person zugänglich macht oder
    eine befugt hergestellte Bildaufnahme der in den Nummer 1 bezeichneten Art wissentlich unbefugt einer dritten Person zugänglich macht.

    (2) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt, es sei denn,
    dass die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten
    von Amts wegen für geboten hält.

    (3) Absatz 1 gilt nicht für Handlungen, die in Wahrnehmung überwiegender berechtigter Interessen erfolgen,
    namentlich der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung
    oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des
    Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dienen.
    Vorabfassung – wird durch die lektorierte Fassung ersetzt.

    (4) Die Bildträger sowie Bildaufnahmegeräte oder
    andere technische Mittel, die der Täter oder Teilnehmer verwendet hat, können eingezogen werden. § 74a ist anzuwenden.

  • MAI 2020

    Anhörung zum Persön­lichkeits­schutz bei Bild­aufnahmen (Upskirting)

    Am 27. Mai findet eine öffentliche Anhörung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz statt. Neben einem Entwurf der Bundesregierung liegen auch Entwürfe des Bundesrates, der FDP- sowie der AfD-Fraktion vor.

    Bereits 2014 wurde der Straftatbestand des § 201a Strafgesetzbuch (StGB, Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen) aufgenommen. In Bezug auf die Bildaufnahmen, die die Intimsphäre des Opfers tangieren, sind die bisherigen rechtlichen Regelungen jedoch weiterhin unzureichend, denn § 201a StGB schützt bislang nur Personen vor unbefugten Bildaufnahmen, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum, wie etwa in einer Umkleidekabine, befinden.

    Der neue Straftatbestand soll daher laut Entwurf der Bundesregierung gemäß § 201a Abs. I StGB möglichst weitreichend sein, um Frauen im Alltag künftig erheblich besser zu schützen.

    Zur Ausweitung des strafrechtlichen Schutzes gegen die Herstellung und Verbreitung solcher Bildaufnahmen schlägt der Entwurf der Bundesregierung daher vor, dem § 201a StGB eine neue Nummer 4 hinzuzufügen. Dieser § 201a Absatz 1 Nr. 4 StGB soll künftig das Herstellen und das Übertragen einer Bildaufnahme von bestimmten gegen Anblick geschützten Körperteilen erfassen. Der neue Wortlaut besagt, dass neben Bildaufnahmen, die in einer Wohnung oder in geschützten Räumen wie einer Toilette oder einer Dusche hergestellt werden, nunmehr auch Bildaufnahmen ohne Bezug zu der Örtlichkeit strafbar sein sollen. 

    Die Regelung sieht somit vor, das unbefugte Herstellen oder Übertragen von Bildaufnahmen, die bestimmte besonders schützenswerte Körperteile abbilden, unter Strafe zu stellen. Diese Körperteile müssen laut Entwurf gegen Anblick geschützt worden sein. Denn nur derjenige begehe ein strafwürdiges Unrecht, der sich neben der unbefugten Fertigung der Bildaufnahme auch über die durch die Bekleidung nach außen hin dokumentierte Bestrebung des Opfers hinwegsetze, diese Körperteile fremden Anblicken zu entziehen. Dieser Schutz könne auf vielfältige Weise entstehen, beispielsweise durch das Tragen von Oberbekleidung (zum Beispiel Rock oder Kleid) oder durch das Nutzen anderer Sichtschutz spendender Objekte wie Handtücher.

    Um die Strafbarkeit einzugrenzen, soll der Tatbestand jedoch auf besonders schützenswerte Körperteile beschränkt bleiben. Dabei handelt es sich namentlich um die Genitalien, das Gesäß und die weibliche Brust (gilt auch für Transgender, jedoch nicht für die männliche Brust).

    Darüber hinaus sind aber auch die Fälle erfasst, in denen die genannten Bereiche durch die Unterbekleidung bedeckt sind. Denn auch in diesen Fällen ist die Intimsphäre des Opfers berührt.

    Über den angepassten Verweis in den nachfolgenden Nummern 5 und 6 neuer Zählung wird auch das Gebrauchen und Zugänglichmachen von solchen Bildaufnahmen gegenüber Dritten erfasst. Dabei werden nur die unbefugten Handlungen erfasst. Als Folgeänderung beinhaltet der Entwurf ferner eine Anpassung des Strafantragserfordernisses in § 205 StGB an den geänderten Schutzbereich des § 201a StGB.

    Nun wird es zunächst eine Anhörung im Bundestag geben, ehe das Parlament über den Gesetzentwurf abstimmt.

    Über die weitere Debatte werden wir an dieser Stelle berichten.


Zum Hintergrund der Upskirting-Debatte

TV-Redakteurin Ida Sassenberg, 25, und Regiestudentin Hanna Seidel, 28 haben eine Petition zum Schließen der Gesetzeslücke beim “Upskirting” gestartet. Sie möchten erreichen, dass die Politik sich mit dem Thema befasst und die bestehende Gesetzeslücke bei dem Thema schließt.

Was ist überhaupt „Upskirting“? Der Name ist dabei Programm: „Up“ steht für „hinauf“ und „skirt“ für „Rock“. Gemeint sind also Menschen, die vorzugsweise heimlich Frauen unter ihren Rock fotografieren in der Hoffnung, ihre Unterwäsche und vielleicht auch noch mehr fürs private oder im Internet geteilte „Vergnügen“ festzuhalten.

Gesetzesänderung in England

YouTube-Video „Upskirting“ – Darf man Frauen heimlich unter den Rock fotografieren?" (22.6.2018)
YouTube-Video „Upskirting“ – Darf man Frauen heimlich unter den Rock fotografieren?” (22.6.2018)

Auf das Thema aufmerksam wurden die Initiatorinnen aufgrund der Debatte über das Gesetz in England. Auch hier hatte eine Privatperson, die Publizistin Gina Martin, eine Petition gestartet, die letztlich dazu geführt hat, dass das Verhalten in England jetzt unter Strafe steht. 

Auf einem Festival hatte ein Spanner Frau Martin unter den Rock fotografiert und das Bild direkt im Internet gepostet. Als die Betroffene auf den Handys der Männer um sie herum plötzlich ihre eigenen Beine und Unterwäsche erkannte, wurde ihr klar, was passiert war. Ihr gelang es, den Täter zu stellen und ihn anzuzeigen. Jedoch ohne Erfolg, wie sie später feststellen musste. Denn die Polizei teilte ihr mit, dass eine solche Handlung in England und Wales, anders als in Schottland, nicht verboten sei.

Sie startete eine Initiative, die letztlich dazu führte, dass das Oberhaus ein entsprechendes Gesetz verabschiedete – allerdings erst in einem zweiten Anlauf. Nach der Gesetzesänderung im Januar 2019 gilt aber: Wer in Großbritannien Frauen unter den Rock fotografiert (sog. Upskirting), muss künftig mit bis zu zwei Jahren Haft rechnen.

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Petition zu Upskirting – Zwei Frauen wollen das Gesetz ändern lassen

Auch eine der beiden Initiatorinnen der deutschen Petition ist selbst zweimal Opfer von Upskirting geworden, schreibt sie: Einmal, mit 13, auf einer Klassenfahrt, wo Lehrer anderer Schulen unbemerkt den Mädchen unter die Röcke gefilmt haben. Und ein anderes Mal, mit 16, auf einem Musikfestival, wo ihr ein Mann unter den Rock fotografiert hat. Als sie dann gelesen hat, dass es in Deutschland eine Gesetzeslücke gibt, es aber noch nicht einmal eine Petition zu dem Thema gab, verfassten sie kurzerhand selbst eine.

Ihr Ziel: Zunächst wollen die beiden Frauen medialen Druck erzeugen. Sie hoffen außerdem, mit ihrer Petition Bundesjustizministerin Katarina Barley und Bundesfamilienministerin Franziska Giffey an einen runden Tisch zu bekommen, um mit ihnen und mit Juristen über einen möglichen Gesetzesentwurf zu sprechen. Generell ist in Deutschland das Petitionsrecht als Grundrecht in Art. 17 Grundgesetz (GG) festgeschrieben. Danach muss sich der zuständige Petitionsausschuss des Bundestags mit jeder ordnungsgemäß eingereichten Petition sachlich beschäftigen. Wird eine Petition innerhalb von vier Wochen ab der Veröffentlichung im Internet von 50.000 oder mehr Personen unterstützt, wird über sie im Regelfall im Petitionsausschuss öffentlich beraten, wobei diejenigen, die die Petition eingereicht haben, ein Rederecht erhalten.

Doch warum ist eine Petition überhaupt nötig? Warum ist dieses moralisch verachtenswerte Verhalten in Deutschland meist nicht strafbar?

Upskirting in Deutschland bislang nicht strafbar

Tatsächlich ist Upskirting unter fast allen denkbaren Umständen nicht strafbar. Einen Paragraphen, der genau dieses Verhalten verbietet, findet man im Strafgesetzbuch (StGB) nicht. Zwar kann man hier an andere Paragraphen denken, die nicht explizit das Upskirting verbieten, jedoch andere Taten. Diese sind jedoch meist nicht einschlägig.

Es gibt bereits mehrere Urteile, die eine Beleidigung abgelehnt haben. In einem bekannten Fall aus dem Jahr 2013 wurde sogar ein Bürgermeister mit Fotos bzw. Videos der Intimbereiche von über 100 Frauen auf seinem Handy erwischt. Strafbar sei das Verhalten aber nicht, so das Landgericht (LG) München. Denn die Frauen seien ja nicht herabgesetzt worden, schließlich hätten sie nicht einmal etwas von den Aufnahmen mitbekommen. So ähnlich hatte schon das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg 2010 argumentiert: Bloßes sexuelle Belästigung könne nicht als Ehrverletzung bestraft werden, sondern erst eine darin enthaltene Äußerung, in der eine vom Täter gewollte herabsetzende Bewertung des Opfers zu sehen sei.

Verurteilt wurde der Ex-Bürgermeister im obigen Fall übrigens dennoch: Zumindest war sein Verhalten als Ordnungswidrigkeit zu werten. Wegen einer „Belästigung der Allgemeinheit“ wurde er nach § 118 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten zur Zahlung von 750 Euro verurteilt. Denn anders als bei der Beleidigung reicht hier die bloße Möglichkeit, dass andere belästigt werden könnten. Wenn also Dritte das heimliche Fotografieren bemerken könnten und sich dadurch in ihren Grundwerten gestört fühlen könnten, trägt die deutsche Rechtsordnung ein solches Verhalten dann doch nicht mit. Ordnungswidrig ist es damit aber nur, wenn eine dritte Person sehen kann, wie jemand einer Frau unter den Rock fotografiert und diese Person sich davon belästigt fühlen könnte. Nicht aber die Belästigung der Frau selbst!

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Auch neue Strafnormen greifen bei Upskirting nicht

Ein neuer Paragraph, der damals nicht geprüft wurde, ist allerdings der 2014 neu eingeführte § 201a StGB. Danach kann aber zum einen nur bestraft werden, wer entweder heimliche Aufnahmen in einer Wohnung oder intimen Räumen wie einer Toilette oder Umkleidekabine anfertigt und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt. Fotos auf offener Straße fallen also nicht unter das strafrechtliche Verbot, zu fotografieren. Zwar ist es strafbar, ein Foto, das geeignet ist, dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden, einer dritten Person zugänglich zu machen. Für das Veröffentlichen dieser Upskirting-Fotos im Internet bzw. die Weitergabe des Fotos an Dritte könnte man also möglicherweise belangt werden – für die Speicherung auf dem eigenen Smartphone aber nicht.

Schließlich gibt es seit Ende 2016 infolge der Vorfälle in Köln an Silvester 2015 den neuen § 184i StGB, der die sexuelle Belästigung unter Strafe stellt. Strafbar macht sich danach, wer eine andere Person in sexuell bestimmter Weise körperlich berührt und dadurch belästigt. Täter werden mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Der Tatbestand des § 184i Abs. 1 StGB setzt also voraus, dass der Täter eine andere Person in sexuell bestimmter Weise körperlich berührt und dadurch belästigt. Beim Upskirting wird eine Frau üblicherweise aber nicht berührt. Daher scheidet eine Strafbarkeit auch danach aus.

Könnte man den Täter in Deutschland zumindest verklagen?

Möglicherweise könnte die betroffene Frau den Täter aber vor den Zivilgerichten verklagen, weil diese Aufnahmen in der Regel eine Persönlichkeitsrechtsverletzung darstellen. Das Persönlichkeitsrecht gem. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) schützt verschiedene Bereiche eines jeden Menschen, die untrennbar mit seiner Menschenwürde verbunden sind.

Zunächst könnte ihr Recht am eigenen Bild gem. § 22 Kunsturhebergesetz (KUG) verletzt sein. Dies ist aber nur anwendbar, wenn das Bild auch noch im Internet verbreitet wird. Voraussetzung dafür ist aber, dass es möglich ist, sie z.B. über die Unterwäsche, ein Muttermal oder sonst ein individuelles Merkmal zu identifizieren. Für eine Verletzung dieses Rechts muss nicht das Gesicht der Person abgebildet sein – es reicht, wenn z.B. ihr Freund sie erkennen würde.

Doch durch die Rechtsprechung ist auch anerkannt, dass Betroffene sich auch gegen die Aufnahme von Fotos wehren können, weil schon diese eine Persönlichkeitsrechtsverletzung darstellen kann. Dies ist insbesondere der Fall, wenn bereits durch den Besitz von Fotos die Unsicherheit besteht, dass es zu einer Veröffentlichung kommen werde, die den Abgebildeten nachhaltig und nicht hinnehmbar belasten könnte. Dies ist gerade dann der Fall, wenn durch die Aufnahmen in die Intimsphäre, also den Kernbereich der höchstpersönlichen Lebensgestaltung eingegriffen wurde. Hier wurde die Frau ohne ihr Wissen in einem Bereich fotografiert, welcher ihrer Sexualität zuzuordnen ist und damit absolut geschützt ist.

Nach neuester Rechtslage könnte die Fallgestaltung auch noch datenschutzrechtlich relevant sein. Denn die Aufnahme einer Fotografie kann – wenn die Person in irgendeiner Hinsicht identifizierbar ist – ein personenbezogenes Datum darstellen. Ist der Fotografierende hier nicht privat unterwegs, sondern versucht etwa, die Bilder zu Geld zu machen, drohen ihm sowohl Sanktionen seitens der Datenschutzaufsichtsbehörden als auch ein Schadensersatzprozess der Betroffenen.

Die Betroffene hätte also verschiedene Ansprüche gegen den Täter. Sie könnte von ihm verlangen, die Fotos sofort zu löschen, sowohl vom Handy als auch aus dem Internet. Die Löschung der Fotos könnte sie im Übrigen von jedem verlangen, der diese Bilder im Netz weiterverbreitet hat. Auch könnte sie den Täter auf Unterlassung verklagen, sodass ihm bei Androhung eines hohen zu zahlenden Geldbetrags untersagt wäre, ihr so etwas noch einmal anzutun. Schließlich könnte sie von ihm evtl. Schadensersatz für materielle Schäden sowie eine Geldentschädigung wegen erlittener psychischer Schäden verlangen.

Außerdem könnten sie sich gegen die Plattform wenden, bei der ein solches Foto veröffentlicht wurde und diese wegen der Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte im sog. notice-and-takedown-Verfahren auffordern, das Foto umgehend zu löschen. Sollte das Foto doch etwa den Straftatbestand der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs erfüllen, müsste das Netzwerk nach dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz sogar innerhalb von i.d.R. 24 Stunden reagieren.

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Was können betroffene Frauen tun, wenn sie die Täter erwischen?

Zunächst hat man ein Notwehrrecht gegen die Person, wegen des Eingriffs in die Persönlichkeitsrechte. Daher darf man dem Mann, zumindest während er noch versucht, zu fotografieren, das Handy aus der Hand schlagen oder auch das Handy wegnehmen. Wenn der „Angriff“ aber beendet ist und der Mann nicht versucht, weitere Fotos zu machen, ist auch das Notwehrrecht beendet.

Wenn die Situation vorbei ist, sollte man die Person zur Rede stellen und nach den Kontaktdaten fragen. Möchte man primär verhindern, dass die Bilder ins Netz gelangten, sollte man fordern, dass die Fotos noch vor den Augen der Frau endgültig vom Handy und ggf. aus dem Netz gelöscht werden – darauf hat man einen zivilrechtlichen Anspruch. Allerdings muss man sich dann bewusst machen, dass man so Beweismittel vernichtet, die man in einem Zivilprozess gebrauchen könnte. Es wäre also hilfreich, Zeugen hinzuzuziehen.

Was aber, wenn die Person nicht reagiert und droht, zu verschwinden? Wäre Upskirting eine Straftat, so könnte man nach dem Jedermann-Festnahmerecht die Person fangen, festhalten und warten, bis die Polizei kommt. Hier aber nicht.

Man könnte aber an das Recht zur Selbsthilfe nach § 229 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) denken. Danach darf man Sachen wegnehmen bzw. zerstören oder eine Person festhalten, wenn man einen Anspruch gegen diese Person hat, den man weder durch Inanspruchnahme der Gerichte noch durch rechtzeitiges Rufen der Polizei rechtzeitig durchsetzen kann. Also z.B. dann, wenn der Täter droht, mit dem Handy wegzulaufen, ohne dass man seine Identität kennt. Im Zweifel darf man danach sogar das Handy an sich nehmen, das Foto löschen und den Mann festhalten, um ihn dazu zu bringen, seine Personalien zu offenbaren.

Doch kann man auch die Polizei herbeirufen? Weil Upskirting nicht strafbar ist, kann die im Rahmen der Strafverfolgung nicht viel tun. Außerdem wird die Polizei je nach Bundesland nur selten zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche tätig und selbst dann nur in Ausnahmefällen, wenn (zivil)gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist und ohne polizeiliche/behördliche Hilfe die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung eines Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Unberechtigte Fotos sind aber ein typischer Fall, in dem die Polizei handelt. Schon, um die Personalien des Täters aufzunehmen, damit die Frau ihre Rechte zivilrechtlich durchsetzen kann. Außerdem kann die Polizei dann verhindern, dass der Täter weitere Fotos macht. Ggf. könnte die Polizei sogar, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er das Handy zukünftig für weitere Straftaten missbraucht, das Handy sicherstellen.

RA Christian Solmecke: „Auch Deutschland sollte Upskirting unter Strafe stellen“

Dem Gerechtigkeitsgefühl trägt die deutsche Rechtslage aber nicht Rechnung. Es kann nicht sein, dass der Staat ein solches Verhalten kaum sanktioniert und sich letztlich die betroffene Frau vor die Gerichte begeben muss, um zumindest eine Entschädigung zu erhalten. Vielmehr wäre es Aufgabe des deutschen Gesetzgebers, diese Lücke zu schließen und ein Gesetz zu schaffen, dass auch „Upskirting“ und andere Formen des „Spannens“, der sexuellen Ausbeutung und Belästigung von Frauen unter Strafe stellt. Gerade angesichts der #metoo-Debatte wäre ein solcher Schritt längst überfällig.

Ich halte das tatsächlich sogar für recht realistisch, dass ein solches Gesetz kommt. Bereits in der Vergangenheit haben konkrete Anlässe dazu geführt, dass das Gesetz geändert wurde. So ist etwa anlässlich der massenhaften Belästigung von Frauen zu Silvester 2015/2016 in Köln der neue § 184i StGB geschaffen worden, der belästigende Berührungen erstmals unter Strafe gestellt hat. Die aktuelle Petition wird nicht nur dazu führen, dass sich der Petitionsausschuss des Bundestages damit befassen muss. Es wird auch der mediale Druck erhöht, sodass die Regierung hoffentlich bald handelt und einen Gesetzentwurf ausarbeiten lässt.

Christian SolmeckeRechtsanwalt und Partner bei WILDE BEUGER SOLMECKE

Andere Länder sind da schon weiter

Vorbild für einen erfolgreichen Vorstoß von Privatpersonen könnte hier das neue Gesetz in Großbritannien sein. Auch in Massachussets, USA gibt es ein solches Gesetz: Heimliches Fotografieren, Filmen oder eine anderweitige elektronische Überwachung intimer bzw. sexueller Bereiche einer anderen Person sind danach mit 2,5 Jahren Gefängnis oder einer Geldstrafe bis zu 5.000 Dollar bedroht. Auch in anderen Ländern wie Finnland, Schottland, Australien, Neuseeland und Indien wird diese Form der Übergriffigkeit längst bestraft. Höchste Zeit, dass auch Deutschland nachzieht.

ahe/tsp


Zur Information: Der ursprüngliche Artikel wurde am 30. April 2019 veröffentlicht und seitdem mehrfach aktualisiert.