Das OLG Celle hat in einem Urteil vom 31.01.2013 (Az.: 13 U 128/12) entschieden, dass ein Edelmetallhändler mit einer „kostenlosen“ Schätzung der von Kunden zugesandten Edelmetalle werben darf. Diese Werbung stelle keine „unzulässige Werbung mit Selbstverständlichkeiten“ nach § 5 Abs. 2 Nr.1 UWG dar.

Im vorliegenden Sachverhalt haben konkurrierende Edelmetallhändler darüber gestritten, ob mit einer „kostenlosen“ Schätzung in Werbeanzeigen geworben werden darf, obwohl unstreitig eine entsprechende Schätzung der Edelmetalle regelmäßig vor Ankauf branchenweit üblich durchgeführt wird.

Das LG Lüneburg hatte die Werbung eines Edelmetallhändlers mit einer kostenlosen Schätzung als unzulässige Werbung mit Selbstverständlichkeiten bewertet und letztlich untersagt. Die Berufung des Beklagten vor dem OLG Celle hatte hingegen Erfolg.

Generell betonen die Richter in Celle, dass die Werbung mit Selbstverständlichkeiten trotz objektiver Richtigkeit gegen § 5 UWG verstoßen kann. Nehmen die angesprochenen Verbraucher die beworbene Dienstleistung als Sonderdienstleistung wahr, die das Angebot des werbenden Unternehmens von Angeboten konkurrierender Unternehmen abzusetzen vermag und ist dem durchschnittlichen Verbraucher dabei nicht bekannt, dass die beworbene Dienstleistung als obligatorische Leistung das Angebot des Werbenden nicht in besonderem Maße von den Angeboten der Konkurrenten absetzt, kann eben auch die objektiv richtige Werbung gegen lauterkeitsrechtliche Grundsätze verstoßen. Das OLG Celle betont, dass eine beworbene Leistung gegen lauterkeitsrechtliche Grundsätze verstößt, sofern gesetzlich vorgeschriebene oder zum Wesen der Ware gehörende Umstände beworben werden.

Zwar sei es üblich, dass Edelmetallhändler Waren vor Ankauf schätzen, jedoch erfolge im vorliegenden Fall die Schätzung der Ware nicht in Abhängigkeit eines anschließenden Verkaufs, sondern erfolge auch dann kostenlos, wenn der Eigentümer nach der Schätzung kein Interesse an einem Verkauf habe. Daher diene die kostenlose Schätzung nicht nur der Preisfindung, sondern stelle eine freiwillige Sonderleistung dar. Diese freiwillige Sonderleistung sei sowohl nicht gesetzlich vorgeschrieben, als auch keine zum Wesen der Ware gehörender Umstand.

Beachtlich an dem vorliegenden Urteil des OLG Celle ist, dass das OLG München einen identischen Sachverhalt gänzlich anders bewertet hat. Das OLG München sah in einer vergleichbaren Werbung eine lauterkeitsrechtlich unzulässige Werbung mit Selbstverständlichkeiten.  Die Gerichte bewerten also aufgrund eigener Fachkunde, ob der angesprochene Verbraucherkreis eine kostenlose Schätzung seiner Edelmetalle durch den Ankäufer im Vorfeld eines Verkaufes zwingend erwarten kann oder nicht.

Dies führt dazu, dass Gerichte aufgrund unterschiedlicher Ansichten in Bezug auf das Verkehrsverständnis der Verbraucher identische Sachverhalte gegensätzlich bewerten, was in Bezug auf den hier vorliegenden Sachverhalt in Ermangelung einer höchstrichterlichen Entscheidung  zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit führt.