Bevor Nutzer Facebook nutzen können, müssen sie die Nutzungsbedingungen akzeptieren. Wer einwilligt, gesteht Facebook zu, dass das Unternehmen umfangreiche Datensammlungen über einen anlegen darf, auch mit Daten aus externen Quellen. Nach Auffassung des BKartA begeht Facebook damit einen Verstoß gegen das Datenschutzrecht, da Facebook seine marktbeherrschende Stellung missbrauche. Das hatte das OLG Düsseldorf jedoch anders gesehen und den Facebook-Fall im einstweiligen Verfahren entschieden. Der BGH bestätigte nun aber vorläufig die Auffassung des BKartA.

  • JUN 2020

    Facebook muss die Datensammelwut stoppen

    Der Bundesgerichtshof hat den vom Bundeskartellamt erhobenen Vorwurf der missbräuchlichen Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung durch Facebook vorläufig bestätigt. Die Nutzungsbedingungen Facebooks seien geeignet, den Wettbewerb zu behindern, so der BGH. Facebook sammelt nicht nur über das eigene Netzwerk Daten seiner Nutzer, sondern auch über andere externe Plattformen. Das hat der Bundesgerichtshof nun gestoppt. Die Nutzer müssten aktiv zustimmen, so die Richter. Damit hob der BGH eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf und lehnte den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde ab (Beschl. v. 23.06.2020, Az. KVR 69/19).

    Facebook muss dem Bundeskartellamt nun innerhalb von vier Monaten Vorschläge machen, wie die Nutzer in Zukunft gefragt werden sollen.

    Mehr dazu in Kürze.

Wer Facebook nutzen möchte, muss bei der Registrierung den Nutzungsbedingungen zustimmen. Diese erlauben Facebook die Verarbeitung der personenbezogenen Daten des Nutzers. Nach den Erläuterungen in den maßgeblichen Facebook-Richtlinien sammelt Facebook auch außerhalb der Facebook-Seiten Nutzerdaten, nämlich mit seinen anderen konzerneigenen Diensten (Instagram, WhatsApp, Masquerade und www.oculus.com) und auf Webseiten und mit Nutzerprogrammen (Apps) dritter Anbieter, welche über Facebook Business Tools (z.B. dem „Gefällt mir“-Button) mit Facebook-Seiten verbunden sind. Die gesammelten Daten werden mit dem Nutzerkonto zusammengeführt.

Das Bundeskartellamt (BKartA) sieht in der Verwendung der Nutzungsbedingungen und dem danach erlaubten Verarbeiten von außerhalb der Facebook-Seiten generierten Daten Verstöße gegen das kartellrechtliche Missbrauchsverbot gemäß § 19 Abs. 1 GWB. Die geforderten Konditionen seien mit Blick auf die Wertungen des Datenschutzrechts nach der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) unangemessen.

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Bundeskartellamt untersagte Facebook Datensammlung

Mit Beschluss vom 6. Februar 2019 hatte das BKartA Facebook und weiteren Konzerngesellschaften daher untersagt, Nutzungsbedingungen zu verwenden, die eine solche Verarbeitung von außerhalb von Facebook.com auf den genannten konzerneigenen Diensten oder Webseiten oder Apps Dritter anfallenden Daten ohne weitere Einwilligung der Nutzer erlauben. Die Wettbewerbshüter sahen in der Bündelung von Nutzerdaten bei Facebook einen klaren Wettbewerbsverstoß und untersagten in der Folge dem Unternehmen, sich dieses Recht in den Nutzerbedingungen einräumen zu lassen. Mit dem Versuch, die Datensammlungsgier Facebooks auf Basis des Wettbewerbsrechts einzuschränken, betrat das BKartA damit im vergangenen Jahr juristisches Neuland.

So hatte das BKartA hatte unter anderem verfügt, dass Facebook Daten seiner Dienste wie Instagram und Whatsapp oder von Websites anderer Anbieter nur noch mit dem Facebook-Konto des Nutzers verknüpfen dürfe, wenn dieser das ausdrücklich erlaubt habe. Auch die Sammlung von Daten der Drittwebseiten wurde von einer Einwilligung abhängig gemacht.

Nach Überzeugung des BKartA habe Facebook eine marktbeherrschende Stellung in Deutschland und das Unternehmen missbrauche diese Dominanz mit der Verknüpfung der Daten von außerhalb mit Profilen aus dem Online-Netzwerk. Für das BKartA lag damit ein Verstoß gemäß § 19 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB, Verbotenes Verhalten von marktbeherrschenden Unternehmen) vor, da es Facebook erlaube, für Nutzer und Werbekunden unersetzlich zu werden. Entsprechend leide der Wettbewerb, weil Konkurrenten gar nicht erst die Chance bekämen, sich zu etablieren. Die Nutzer wiederum könnten sich nicht wehren, weil es keine Alternative gebe.

Das BKartA hat sich damit zum Vorreiter gemacht, die Wettbewerbsaufsicht auch mit Hilfe des Datenschutzrechts an die Internet-Ära anzupassen. Doch es gibt auch Kritik. So wird kritisiert, dass sich das Amt damit die Zuständigkeit für ein Rechtsgebiet außerhalb des Kartellrechts an sich gezogen habe, um als eine Art “Superbehörde” fungieren zu können.

OLG Düsseldorf hegt Zweifel an Anordnung

Facebook legte gegen die Anordnung in der Folge Beschwerde beim Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf ein. Und die OLG-Richter hegten massive Zweifel an der Argumentation des BKartA, mit der sie besagte Einschränkungen begründeten. In umfangreichen 37 Seiten setzte sich das OLG mit der Entscheidung des BKartA ausführlich auseinander.

Das OLG hat über die eingelegte Beschwerde Facbooks zwar noch nicht entschieden. Es hatte aber auf Antrag von Facebook und den weiteren Adressaten der angefochtenen Verfügung die aufschiebende Wirkung der Beschwerde angeordnet. Dies hat zur Folge, dass die Verfügung des BKartA nicht vollzogen werden darf, bis über die Beschwerde durch das OLG entschieden ist. Die Düsseldorfer Richter hatten ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verfügung.

Das OLG hatte angenommen, der Datenbezug aus Drittquellen stelle keine wettbewerbsschädliche Ausbeutung der Nutzer dar. Dem Verbraucher bleibe es unbenommen, die Daten beliebig oft jedem Dritten auf dem Markt für soziale Netzwerke zur Verfügung zu stellen. Eine übermäßige Preisgabe der Daten könne nicht festgestellt werden. Auch ein Kontrollverlust des Nutzers liege nicht vor, die Datenverarbeitung erfolge mit Wissen und Wollen des Nutzers. Unkenntnis über den Inhalt der Nutzungsbedingungen beruhe nicht auf der Marktmacht von Facebook, sondern bei lebensnaher Würdigung auf Gleichgültigkeit oder Bequemlichkeit der Nutzer. Es könne dahinstehen, ob die Nutzungsbedingungen den Vorgaben der DSGVO standhielten. Denn es fehle jedenfalls der notwendige Kausalzusammenhang zwischen der marktbeherrschenden Stellung von Facebook und dem angeblichen Verstoß gegen Datenschutzrecht (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26.08.2019, Az. VI-Kart 1/19 (V)).

Bundeskartellamt zieht vor Bundesgerichtshof

Das BKartA hatte daraufhin bereits im letzten Jahr seinerseits Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss eingelegt. Daher wird nun am 23. Juni vor dem Bundesgerichtshof (BGH) in der Sache verhandelt (Az. KVR 69/19).

Das OLG Düsseldorf hatte im Anschluss auf eine Terminierung im Hauptsacheverfahren verzichtet und wird zunächst das BGH-Verfahren abwarten. Erst im Anschluss wird das OLG Düsseldorf sodann im Hauptsacheverfahren entscheiden. Doch es erscheint derzeit zumindest unwahrscheinlich, das es von seiner Auffassung abrücken wird. Danach wäre vermutlich dann wieder der BGH im Rechtsbeschwerdeverfahren der Hauptsache an der Reihe. Und dann könnte eventuell sogar noch der Europäische Gerichtshof (EuGH) einbezogen werden. Mit anderen Worten: Es kann noch etwas dauern.

Ob das Amt den Schaden des festgestellten Missbrauchs für den Wettbewerb, der erst all die Datenschutzthemen zu Kartellrechtsthemen macht, noch deutlicher hätte herausarbeiten müssen, wird sich nun eventuell vor dem BGH herausstellen. Vor dem OLG Düsseldorf jedenfalls konnte das BKartA nicht punkten. Und auch vor dem BGH dürfte das BKartA mit seiner Auffassung einen zumindest schweren Stand haben. Schließlich, so hat es der BGH bereits mehrfach betont, überprüft der BGH in solchen Fällen zumeist lediglich die Entscheidung auf Plausibilität und die Entscheidung des OLG darf getrost als plausibel erachtet werden. Allerdings kann es vor dem 11. Senat des BGH auch anders kommen. Warten wir es ab. Wir werden an dieser Stelle berichten.

tsp