Einsatz des Postident-Spezial-Verfahrens ohne vorherige Aufklärung der Verbraucher ist wettbewerbswidrig
15. August 2016
Das Landgericht Düsseldorf hat entschieden (Urt. v. 26.1.2016, Az.: 38 O 52/15), dass die Verwendung des Postident-Spezial-Verfahrens dann wettbewerbswidrig ist, wenn ein Verbraucher – ohne vorher ausdrücklich aufgeklärt worden zu sein – mit seiner Unterschrift nicht nur den Empfang einer Postsendung quittiert, sondern durch die Unterschriftsleistung gleichzeitig sein bisheriger Krankenkassenvertrag gekündigt wird. Denn dann liegt eine Irreführung der Verbraucher über den rechtsgeschäftlichen Inhalt seiner Unterschrift vor.

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Zum Sachverhalt
Eine Krankenversicherung hatte ohne eine vorherige Einwilligung der Verbraucher einzuholen, die Verbraucher zu Werbezwecken zu Hause angerufen, um Krankversicherungsverträge zu vermitteln. Die Verbraucher sollten dazu veranlasst werden, ihre Krankversicherung zu wechseln. Im Anschluss daran wurden den Verbrauchern – mittels des Postident-Spezial-Verfahrens der Deutschen Post – vorgefertigte Kündigungsschreiben zugestellt. Die Verbraucher mussten in Anwesenheit des Postbeamten eine Unterschrift leisten. Mit dieser Unterschrift kündigte der Verbraucher automatisch seinen Vertrag mit seiner bisherigen Krankenversicherung. Eine Aufklärung über die Wirkung der Unterschrift seitens der Krankenkasse erfolgte nicht.
Verbraucher werden über Postident-Spezial-Verfahren nicht ausreichend aufgeklärt
Ein Verband zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben es gehört, die Einhaltung von Regeln des unlauteren Wettbewerbs zu kontrollieren, sieht in diesem Vorgehen der Krankenkasse eine wettbewerbswidrige irreführende geschäftliche Handlung. Die Verbraucher ohne vorherige Einwilligung einfach anzurufen, sei unlauter. Auch wurden die Verbraucher über das Postident-Spezial-Verfahren nicht ausreichend aufgeklärt, sodass sie keine Kenntnis davon haben, dass durch die zu leistende Unterschrift die sofortige Kündigung der Mitgliedschaft in der bisherigen Krankenkasse erklärt wird.
Vorherige Einwilligung der Verbraucher bei Werbeanrufen erforderlich
Das Landgericht Düsseldorf gab dem Verband recht und stufte das Verhalten der Krankenkasse vollumfänglich als wettbewerbswidrig ein.
Die Krankenkasse konnte vor Gericht nicht nachweisen, dass eine wirksame vorherige Einwilligung der Verbraucher für den Anruf vorgelegen hatte.
Auch der Einsatz des Postident-Spezial-Verfahrens ohne ausführliche vorherige Belehrung über die Bedeutung und Tragweite der zu leistenden Unterschrift stellt eine irreführende geschäftliche Handlung dar.
Aufklärung über automatische Kündigung des bisherigen Krankenkassenvertrages notwendig
Ein durchschnittlicher Verbraucher kenne das Postident-Spezial-Verfahren nicht. Verbraucher gingen davon aus, dass beim Empfang einer Postsendung die zu leistende Unterschrift ausschließlich dazu diene, den Empfang der Sendung zu quittieren. Werde der Verbraucher im Vorfeld nicht darüber aufgeklärt, dass durch seine Unterschrift automatisch der Vertrag mit seiner bisherigen Krankenkasse gekündigt wird, dann fehle dem Unterzeichnenden gerade das Bewusstsein eine rechtsgeschäftliche Erklärung abzugeben.
Kündigung der Krankenkasse durch Quittierung einer Postsendung wettbewerbswidrig
Zwar ergibt sich der rechtsgeschäftliche Inhalt aus der Postsendung selbst, jedoch haben die Verbraucher weder Zeit noch Anlass, jedes Schriftstück vor Unterzeichnung an der Haustür zu lesen oder gar zu prüfen. Die Krankenkasse konnte vor Gericht nicht beweisen, dass die Verbraucher während des Telefongespräches ausreichend über den automatisch sich vollziehenden Krankenkassenwechsel aufgeklärt worden sind.
Fazit
Das Postident-Spezial-Verfahren ist grundsätzlich nur dann zulässig, wenn der Empfänger im Vorfeld ausdrücklich darüber aufgeklärt wird, welche rechtsgeschäftliche Bedeutung seine Unterschrift hat.
Für einen situationsadäquaten aufmerksamen, durchschnittlichen Verbraucher muss ersichtlich sein, dass er mit der Quittierung einer Postsendung automatisch seinen Vertrag mit seiner bisherigen Krankenkasse kündigt. Kündigungen können nämlich nicht so ohne Weiteres zurückgenommen werden, sodass Verbraucher an dieser Stelle ausreichend vor einer Irreführung geschützt werden müssen.
Außerdem ist ein Anruf von Verbrauchern zu Werbezwecken nur dann wettbewerbsrechtlich zulässig, sofern vorher die ausdrückliche Einwilligung der Verbraucher eingeholt wird. NS
Kategorien: Wettbewerbsrecht