Wegen einer selbstgebauten Blitzer-Attrappe musste sich ein Kölner Familienvater am Montag vor dem Amtsgericht Köln verantworten. Das Gericht beurteilte seine Aktion tatsächlich als Amtsanmaßung – stellte das Verfahren aber wegen der geringen Schuld ein. Rechtsanwalt Christian Solmecke berichtet über den kuriosen Fall direkt aus der Verhandlung:

Fünf Jahre lang hatte sich der 37-jährige Kölner Jannik Jung mit der Stadt und Bezirksvertretung erfolglos darüber gestritten, ob vor seinem Haus ein Blitzgerät aufgestellt werden kann. Sein Grundstück im Kölner Stadtteil Holweide liegt in einer Tempo-30-Zone an einer scharfen Doppelkurve. Wenn Raser hier die Geschwindigkeitsbegrenzung weit überschreiten, ist die Unfallgefahr hoch. Auch aus Angst um seine Kinder beschloss der Familienvater schließlich, das ganze selbst in die Hand zu nehmen und baute sich aus Holzplatten und einem roten Plastikstück – für die Blitzverglasung – einen täuschend echt aussehenden Starenkasten. Nachdem Jung die Attrappe in seinem Vorgarten aufgestellt hatte, zeigte diese spürbare Wirkung. Auch zur Freude seiner Nachbarn entspannte sich die örtliche Verkehrssituation.

Ganz anders die Reaktion der Kölner Staatsanwaltschaft, die ihn wegen Amtsanmaßung angeklagt hat. Daher musste sich das Amtsgericht (AG) Köln mit mit der spannenden Frage seiner Strafbarkeit beschäftigen.

Der Saal 33 des Kölner Amtsgerichts war sehr voll am Vormittag des 10.12.2018. Alle in der Gerichtsverhandlung anwesenden Bürger, Nachbarn und Pressevertreter waren sich indes am Montag einig: Das kann nicht sein! Der Mann habe sehr nachvollziehbar gehandelt und dürfe keinesfalls bestraft werden. Er habe nur seine Kinder und die der Nachbarn schützen wollen, außerdem seien in der Nähe noch eine Schule und Kindergarten.

Glücklicherweise sahen das Gericht und die Staatsanwaltschaft den Fall letztlich im Ergebnis genau so. Die Beurteilung der Richterin: „Das Verhalten war zwar strafbar, aber nachvollziehbar“. Das Verfahren wurde daher wegen der „Geringfügigkeit der Schuld“ und eines mangelnden öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung eingestellt (Beschl. v. 10.12.2018, Az.: 528 Ds 641/18).

Bislang juristisch nicht geklärt

Auf die Idee, mit einer Blitzer-Attrappe Raser auszubremsen, kamen jedenfalls schon einige Leute vor Jung. Die Diskussionen um eine Strafbarkeit und auch zivilrechtliche Haftung der Attrappenaufsteller sind daher nicht neu.

Rechtsanwalt Christian Solmecke hält den Fall daher auch für besonders spannend: „ Es ist nicht das erste Mal, dass es juristischen Ärger wegen einer Blitzer-Attrappe gibt. Doch die Frage, ob darin tatsächlich eine Amtsanmaßung zu sehen ist, ist juristisch nicht geklärt.“ Persönlich hält er eine Strafbarkeit nach § 132 StGB jedoch für abwegig: „Solange niemand blitzt und tatsächlich Geld abkassieren will, ist das meines Erachtens keine Amtsanmaßung.“

Das Aufstellen der Blitzer-Attrappe Amtsanmaßung

Der Straftatbestand der Amtsanmaßung ist in § 132 StGB festgeschrieben und lautet:

„Wer unbefugt sich mit der Ausübung eines öffentlichen Amtes befasst oder eine Handlung vornimmt, welche nur kraft eines öffentlichen Amtes vorgenommen werden darf, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“

Die Norm soll die staatliche Autorität und das Ansehen des staatlichen Apparates schützen. Diese werden als beeinträchtigt angesehen, wenn Unbefugte eine amtliche Tätigkeit ausüben, die normalerweise unter der Kontrolle staatlicher Organe vorgenommen wird.

Der Straftatbestand der Amtsanmaßung enthält zwei Alternativen. Erstere („Wer sich mit der Ausübung eines öffentliches Amtes befasst“) setzt voraus, dass sich der Täter als Amtsträger ausgibt, Für die zweite Alternative („oder eine Handlung vornimmt, welche nur kraft eines öffentlichen Amtes vorgenommen werden darf“) genügt dagegen die unbefugte Vornahme einer Handlung, die ausschließlich den Inhabern öffentlicher Ämter vorbehalten ist. Letztgenannte Alternative könnte auch auf Jannik Jung zutreffen. Einige Verkehrsrechtsexperten argumentieren für seine Strafbarkeit, da das Aufstellen von Blitzern ganz allein Sache der Polizei ist.

Privaten Blitzeraufstellern könnte aber noch ein einschränkendes Merkmal im Tatbestand von § 132 StGB zugute kommen. Es muss eine Verwechslungsfähigkeit der unbefugt vorgenommenen Handlung mit einem tatsächlichen hoheitlichen Akt bestehen. Die Einhaltung wesentlicher Inhalts- und Formerfordernisse der unbefugten Amtshandlung muss den Anschein einer hoheitlichen Tätigkeit hervorrufen. Ob selbstgebaute Starenkasten einem echten Blitzgerät tatsächlich zum Verwechseln ähnlich ist, wird das Gericht im Einzelfall zu prüfen haben.

AG Köln: Eigentlich strafbar

Die Kölner Richterin war der Ansicht, dass man zumindest aus juristischer Sicht den Fall nicht anders entscheiden könne. Denn was der Mann getan habe, erfülle tatsächlich den Tatbestand der Amtsanmaßung.

Nach dem zweiten Halbsatz genügt also schon die unbefugte Vornahme einer Handlung, die ausschließlich den Inhabern öffentlicher Ämter vorbehalten ist.

Allerdings muss die unbefugt vorgenommene Handlung auch mit einem tatsächlichen hoheitlichen Akt verwechselt werden können. Da stellt sich schon die Frage, ob der selbstgebaute Starenkasten einem echten Blitzgerät tatsächlich für einen „objektiven Beobachter“ zum Verwechseln ähnlich erscheint. Der Verteidiger des Mannes bestritt dies jedenfalls in der Verhandlung: Ein solcher Anschein einer Amtshandlung könne nur angenommen werden, wenn wirklich geblitzt wurde.

Das sah die Richterin aber nun anders. Bereits durch das Aufbauen des Fake-Blitzers liege der Anschein einer hoheitlichen Handlung vor.

Die Auffassung der Richterin ist zumindest dann nachvollziehbar, wenn man auf den flüchtigen Blick eines Autofahrers abstellt, der schnell an einem solchen Kasten vorbeifährt. Wer aber genauer hinschaut, hätte den Holzkasten sofort entlarven können. Tatsächlich ist die Antwort auf die Frage, ob ein Fake-Blitzer als Amtsanmaßung strafbar ist, überhaupt nicht so eindeutig. Viele Juristen sind der Ansicht, ein solches Vorgehen wäre straflos. Der Einstellungsbeschluss ist aber nun unanfechtbar – daher kann die spannende Rechtsfrage nicht mehr vor einer höheren Instanz geklärt werden.

Soforthilfe vom Anwalt

Sie brauchen rechtliche Beratung? Rufen Sie uns an für eine kostenlose Ersteinschätzung oder nutzen Sie unser Kontaktformular.

Hätte der Mann wissen müssen, dass er sich strafbar macht?

Als klar war, dass die Richterin das Gesetz eher streng auslegen würde, entsponn sich eine lebhafte Diskussion darüber, ob der Mann denn überhaupt hätte wissen müssen, dass er sich strafbar macht. Denn nach § 17 Strafgesetzbuch (StGB) handelt jemand ohne Schuld, wenn man bei der Begehung der Tat nicht die Einsicht hatte, Unrecht zu tun und er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte.

Tatsächlich war der Mann völlig überrascht von dem Schreiben der Staatsanwaltschaft. Auch ein Blick ins Internet offenbart nicht, dass in anderen vergleichbaren Fällen schon einmal wegen Amtsanmaßung verurteilt wurde. Manche Gerichte haben stattdessen nur den Vorwurf des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr diskutiert – im Ergebnis aber abgelehnt. Häufig liest man auch von Seiten juristischer Experten, dass selbstgebaute Blitzer nicht strafbar sind. Diese Auffassung vertrat wohl auch die Stadt Köln selbst! Denn sie wusste von dem Holzkasten und hat dennoch über einen längeren Zeitraum nichts dagegen unternommen. Offenbar ging die Stadt davon aus, dass das Verhalten des Mannes rechtmäßig ist. Die Richterin ließ diese Argumente aber offenbar nicht gelten – denn sonst hätte sie ihn freisprechen müssen.

Weitere Straftatbestände und die Haftung bei Unfällen

Eine Strafbarkeit wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr nach § 315 b StGB scheidet jedenfalls von vorne herein aus, sind sich Verkehrsrechtler einig. Als Tatbestandsvoraussetzungen seien die Sicherheit des Straßenverkehrs nicht beeinträchtigt und dadurch Leib oder Leben anderer Menschen oder fremder Sachen von bedeutendem Wert nicht gefährdet, denn die Autofahrer würden durch die Blitzer-Attrappe nicht geblendet oder gefährlich abgelenkt. Eine Unfallgefahr bestehe nicht.

Weitaus ungünstiger für die Aufsteller sieht es dagegen bei der Frage nach ihrer zivilrechtlichen Haftung aus. Kommt es zu einem Auffahrunfall, weil ein Fahrer nach dem Bemerken der Blitzer-Attrappe stark abbremst, könnte das Aufstellen als haftungsbegründend kausal für den Unfall angesehen werden.

Fazit: Privatpersonen sollten besser keine Blitzer-Attrappen bauen

Glücklicherweise ist der Fall dieses Mal gut ausgegangen. Doch auch, wenn die Frage der Strafbarkeit unter Juristen und Gerichten tatsächlich uneinheitlich beantwortet wird, können wir Privatpersonen nur davon abraten, selbst eine Blitzer-Attrappe zu bauen. Zwar finde ich, dass diese Eigeninitiative eine durchaus sinnvolle Idee ist. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass ein anderes Gericht die Frage in anderen Fällen strenger beurteilen wird.

ahe

Sichern Sie sich eine kostenfreie Erstberatung von unseren Anwälten. Welcher Verstoß wird Ihnen vorgeworfen?