Mit 37 km/h zu schnell geblitzt und trotzdem kein Bußgeld? Dann wurde man vielleicht von einem Messgerät wie dem Leivtec XV3 geblitzt, welches unzuverlässig ist. Ein aktuelles Urteil zeigt erneut, warum der Gang zum Anwalt helfen kann.

In einem jüngsten Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Celle ging es wieder einmal um die Zuverlässigkeit von Messgeräten auf Straßen und Autobahnen. Schon in der Vergangenheit kam es wiederholt zu falschen Messergebnissen und dadurch fälschlicherweise verhängten Bußgeldern. Nun entschied das OLG auch in diesem Fall, dass es dem Messgerät “LEIVTEC XV3”, welches die Geschwindigkeitsüberschreitung festgestellt hatte, an der hinreichenden Zuverlässigkeit fehle. Die Region Hannover hat inzwischen alle Verfahren im Zusammenhang mit diesem Blitzer eingestellt.

Am 12. August 2021 hat nun auch das Bayrische Oberlandesgericht entschieden, dass auch in Bayern der Blitzer Leivtec XV3 nicht standardisiert sei (Az. 202 ObOWi 880/21).

Das Messgerät biete nach den Erkenntnissen der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt nicht mehr die Gewähr dafür, dass es bei Beachtung der Vorgaben für seine Bedienung zu hinreichend zuverlässigen Messergebnissen komme. Vielmehr hätten die Überprüfungen durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt ergeben, dass es bei Geschwindigkeitsmessungen mit dem Messgerät zu unzulässigen Messwertabweichungen auch zu Ungunsten Betroffener u.a. wegen des Auftretens sog. ‚Stufeneffekte‘ bzw. Stufenprofil-Fehlmessungen kommen könne und deshalb nicht länger von einem vereinheitlichten technischen Verfahren auszugehen sei, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf derart festgelegt seien, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten seien.

Ob eine Geschwindigkeitsüberschreitung tatsächlich vorliege, muss im aktuellen Verfahren nun vom erstinstanzlichen Gericht, dem Amtsgericht (AG) Walsrode, nachgewiesen werden. Der Beschluss zeigt einmal mehr, dass es sich für Geblitzte lohnen kann, gegen Bußgeldbescheide vorzugehen. Unsere Verkehrsrechtsexperten sind jederzeit für Sie da!

140 Euro für 37 km/h zu schnell

In der Sache selbst ging es um einen Autofahrer, der wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung zu einem Ordnungsgeld von 140 € verurteilt worden war. Ein Messgerät des Radarfallen-Herstellers Levitec hatte im letzten Herbst eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 37 km/h in einer 80er Zone durch den Betroffenen festgestellt.
Das zuständige AG Walsrode hatte ihn deshalb zu einer Geldbuße von 140 € verurteilt sowie ein Fahrverbot von einem Monat gegen ihn verhängt.

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Wir sind bekannt aus

Nachdem der Betroffene den Bußgeldbescheid erhalten hatte, hatte sich die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB), die für die Überprüfung von Messgeräten zuständig ist, das Messgerät genauer angeschaut und festgestellt, dass den Messungen seltene Messfehler zugrunde lagen.
Dieser Befund veranlasste den Betroffenen dazu, die Ergebnisse des Messgeräts und auch das Urteil des AG Walsrode anzuzweifeln, sodass er gegen das Urteil Rechtsbeschwerde vor dem OLG Celle einlegte.

Dass es sich lohnen kann, die Messungen der Radarsysteme anzuzweifeln und verhängte Bußgelder anzufechten, zeigt der Beschluss des Gerichts (Beschl. v. 18.06.2021, Az. 2 Ss (Owi) 69/21). Denn in diesem verwies es die Sache zurück an das AG Walsrode, damit mithilfe eines Sachverständigengutachtens aufgeklärt werde, ob in diesem konkreten Einzelfall die ausgewiesene Geschwindigkeitsüberschreitung sicher festzustellen sei.

Zuverlässigkeit der Messgeräte schon länger zweifelhaft

Das Verfahren vor dem OLG Celle ist nicht der erste Fall, in dem sich eine Unzuverlässigkeit bei Messgeräten feststellen lässt. Schon 2017 stellte das AG Jülich in einem ähnlichen Fall fest, dass die Messergebnisse des LEIVTEC XV3 nicht verwertbar seien (Az.: 12 OWi 122/16). Auch hier war ein Bußgeld wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung von mehr als 15 km/h verhängt worden, dem eine falsche Messung zugrunde lag.
Aufgrund der sich häufenden Fälle wurde das Leivtec-Gerät schließlich von Sachverständigen genauer untersucht. Dabei stellte sich heraus, dass der LEIVTECXV3 mitunter zu falschen Geschwindigkeitswerten von bis zu 16 km/h kam.
Über dessen Fehleranfälligkeit berichteten wir bereits Anfang des Jahres.

Aufgrund der schlechten Ergebnisse reagierte der Hersteller Ende letzten Jahres und verschärfte die Auswerterichtlinien, damit Messungen in besonders fehleranfälligen Situationen nicht mehr verwertet werden. In neuen Veröffentlichungen weisen Sachverständige jedoch nun darauf hin, dass auch bei Fahrzeugfotos, die nach den strengeren Auswerterichtlinien verwertbar wären, zu hohe Messergebnisse angezeigt werden.

Vermutung der Richtigkeit standardisierten Messverfahren entkräftet

Symbolbild

Grundsätzlich gilt für Verfahren über Geschwindigkeitsüberschreitungen, dass bei Anwendung sogenannter standardisierter Messverfahren, weniger Beweise für die Überschreitung erbracht werden müssen. Denn bei diesen Verfahren wird davon ausgegangen, dass aufgrund der vereinheitlichten Technik der Geräte, zuverlässige Messergebnisse zu erwarten sind.
Auch beim LEIVTEC XV3 handelt es sich um ein solches standardisiertes Gerät, sodass grundsätzlich von der Richtigkeit der Messungen auszugehen sein dürfte.

Wenn aber trotz Einhaltung aller Bedienvorschriften Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass Messungen fehlerhaft sind, muss der Einzelfall näher geprüft werden. Bevor ein entsprechendes Bußgeld verhängt werden darf, muss das Gericht feststellen, dass keinerlei Messfehler zulasten des Betroffenen vorliegen.

Und da die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) nach Überprüfung des LEIVTEC XV3 festgestellt hat, dass dieses in speziellen Konstellationen unzuverlässige Messabweichungen ausgeben kann, sollte man dessen Messergebnisse immer anzweifeln.
So sah es auch der Senat des OLG Celle, der, unter Zugrundelegung des Ergebnisses der PTB, die Messergebnisse des LEIVTEC XV3 als nicht mehr hinreichend zuverlässig ansah.
In seinem Beschluss stellte das Gericht fest, dass jedenfalls derzeit bei sämtlichen Geschwindigkeitsmessungen mit dem Messgerät LEIVTEC XV3 kein vereinheitlichtes (standardisiertes) Verfahren mehr vorliegt, bei dem stets unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind.

Im Ergebnis bedeutet das, dass Geschwindigkeitsmessungen von LEIVTEC XV3-Geräten keine standardisierten Messverfahren mehr darstellen und die Geschwindigkeitsüberschreitung vielmehr durch eine konkrete Beweiswürdigung in der Form von Sachverständigengutachten festgestellt werden muss.

Mittlerweile hat der Hersteller der Geräte die Betreiber der Messstationen gebeten, vorerst keine Messungen mehr mit dem LEIVTECXV3 durchzuführen. Trotzdem wurde dieser in den letzten Jahren als eines der am meisten verwendeten Messgeräte eingesetzt, sodass es zu zahlreichen falschen Messungen gekommen sein dürfte.

So hilft Ihnen WBS

Beim LEIVTEC-XV3 ist es nun gerichtlich bestätigt, aber auch bei vielen anderen Messgeräten dürfte die Zuverlässigkeit der Messungen in Frage zu stellen sein. Es lohnt sich daher immer, gegen verhängte Bußgelder oder gar Fahrverbote vorzugehen und die zugrundeliegenden Messungen anzufechten. Sie sollten daher in jedem Falle anwaltlich überprüfen lassen, ob bei Ihnen keine fehlerhafte Messung in Betracht kommt. Mit anwaltlicher Hilfe kann Akteneinsicht beantragt und geprüft werden, ob das Gerät LEIVTEC XV3 verwendet wurde (meist wird dies bereits in der Anhörung/dem Bußgeldbescheid angegeben) und die Auswerterichtlinien eingehalten wurden, was vielfach nicht der Fall ist und in der Regel ohne Weiteres zur Einstellung des Bußgeldverfahrens führt. Selbst wenn sie eingehalten wurden, kann aktuell nicht sicher gesagt werden, ob die Messung korrekt erfolgt ist.

Gerne berät Sie unser Team aus erfahrenen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten im Rahmen einer kostenlosen Erstberatung – rufen Sie uns daher gerne jederzeit unter 0221 / 951 563 0 (Beratung bundesweit) (Beratung bundesweit) (Beratung bundesweit) an und nutzen Sie unser Angebot einer für Sie kostenfreien Ersteinschätzung.

Auch bei einem bereits abgeschlossenen Bußgeldverfahren haben Sie unter Umständen die Möglichkeit, gegen dieses vorzugehen. Nämlich dann, wenn es um einen Bescheid geht, bei dem ein Bußgeld von über 250 €e verhängt wurde oder ein Fahrverbot ausgesprochen wurde. Dann können unsere Anwälte die Wiederaufnahme in dem angeschlossenen Verfahren beantragen. Gerne beraten wir Sie hierzu in unserem unverbindlichen, kostenfreien Erstberatungsgespräch.

lpo

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