Die Band Kraftwerk streitet sich mit einem Musikproduzenten um ein zweisekündiges Sample aus ihrem Song „Metall auf Metall“. Das Besondere daran ist, dass der Rechtsstreit nun schon seit 1999 anhängig ist. Und nach einem aktuellen Urteil des OLG Hamburg scheint immer noch kein Ende in Sicht zu sein.

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg befasste sich aktuell mit einer Klage der Band Kraftwerk gegen unter anderem den Hip-Hop-Produzenten Moses Pelham. Die Klage ist nun schon seit über 20 Jahren, genauer gesagt seit 1999, anhängig und damit wohl einmalig in der Welt des Urheberrechts. Das Urheberrecht selbst hat sich seitdem stetig gewandelt, doch der Streit bleibt bestehen. Auch mit dem neuesten Urteil ist wohl noch kein Ende gefunden, denn das OLG ließ erneut die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe zu (Urt. v. 28.05.2022, Az. 5 U 48/05).

Gegenstand der Klage ist ein Sample des Songs „Metall auf Metall“. Ein Sample bezeichnet einen kurzen Ausschnitt eines Songs, der in einem neuen Werk verarbeitet wird. Es ist ein beliebtes künstlerisches Mittel, das insbesondere im Hip-Hop aber auch in anderen Musikrichtungen gern genutzt wird. Produzent Moses Pelham nutzte zwei Sekunden des Kraftwerk-Liedes für einen anderen Song und das, ohne vorher die Erlaubnis der Band einzuholen. Diese erhob dann 1999 Klage, weil sie die Vervielfältigung ihres Werkes für zustimmungspflichtig hielt. Was folgte, sind bisher sage und schreibe zehn Gerichtsentscheidungen. Sogar das Bundesverfassungsgericht und der Europäische Gerichtshof (EuGH) beschäftigten sich schon mit dem Thema. Doch worum geht es denn jetzt noch?

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Welche Zeiträume sind relevant?

Das OLG hob in der neuesten Entscheidung nach den Vorgaben des BGH das erste Urteil zu dem Rechtsstreit aus dem Jahr 2004 auf. Rechtlich wird nun zwischen verschiedenen Zeiträumen unterschieden. Denn vor Dezember 2002 war ausschließlich nationales Recht für die Klage anwendbar. Nach dem damals geltenden Recht stellt das Sampling zwar eine Vervielfältigung des ursprünglichen Songs dar, diese war jedoch nicht zustimmungsbedürftig, sondern nach § 24 Urheberrechtsgesetz (UrhG) a.F. analog zulässig.

Seit Ende 2002 muss allerdings auch das Unionsrecht beachtet werden. Der BGH urteilte 2020, dass unter Beachtung des europäischen Rechts und der Rechtsprechung des EuGH sehr wohl eine Rechtsverletzung der Band vorliege. Diese könne auch nicht durch eine mögliche Pastiche-Schranke gerechtfertigt sein. Allerdings musste das OLG Hamburg nun noch klären, ob in dem Zeitraum nach 2002 überhaupt noch eine Vervielfältigung des Kraftwerksongs vorgelegen hat.

Die Richter des OLG sind nun zu dem Ergebnis gekommen, dass auch in den letzten Jahren aus rechtlicher Sicht eine Vervielfältigung vorliege. Das ergebe sich insbesondere dadurch, dass der Song, der das Sample enthält, auch 2004 noch über „Best of“ Tonträger angeboten wurde. Damit liege eine Wiederholungsgefahr für die Vervielfältigung vor. Deshalb entschied das OLG, dass Kraftwerk ein Schadensersatzanspruch und ein Anspruch auf Auskunft und Herausgabe der Vervielfältigungsstücke zustehe.

Was ist ein Pastiche?

Allerdings ließ das OLG erneut die Revision zum BGH zu, denn auch ein dritter Zeitraum ist rechtlich relevant geworden. Für Pastiche gilt in Deutschland seit dem 07.06.2021 eine neue Ausnahme im § 51a UrhG. Jedoch ist es nicht unumstritten, was ein Pastiche, rechtlich gesehen, ist. Auffällig an der Gesetzesbegründung der Norm ist aber Folgendes: Die Einführung des Pastiche in das nationale Recht ist ausdrücklich auf den noch anhaltenden Streit um „Metall auf Metall“ zurückzuführen. Nach dieser Begründung soll ein Pastiche vorliegen, wenn ein Werk ein anderes auf wertschätzende und künstlerische Weise nachahmt und die Werke sich wahrnehmbar unterscheiden. Aus der Begründung entnimmt das OLG, dass das Sampling in diesem Fall definitiv unter die Pastiche-Schranke fallen soll.

Folglich behandelt das OLG den Zeitraum seit Inkrafttreten des § 51a UrhG als neuen, dritten Zeitraum. Demnach sei die Vervielfältigung des Sampling seitdem gerechtfertigt und zulässig. Weil es bei der Auslegung des Begriffs „Pastiche“ aber im europarechtlich geprägten Schutz geistigen Eigentums auch auf die unionsrechtliche Auslegung ankomme, wurde die Revision zugelassen. Kraftwerk könnte nun zum fünften Mal Revision zum BGH einlegen, der dann vermutlich wieder dem EuGH vorlegen würde, um zu klären, ob die Auffassung des OLG auch dem Europarecht standhalten kann. Wenn man bedenkt, dass die Musiker nun schon seit über 20 Jahren um ihren Song streiten, erscheint eine weitere Revision recht wahrscheinlich – und die Klage findet noch lange kein Ende.

ses