Das OLG Frankfurt a.M. hat in seinen Urteilen (AZ 11 U 75/06 und 11 U 76/06) am 01.11.2011 über die urheberrechtliche Zulässigkeit sog. Abstracts entschieden.

Demnach ist es zwar grundsätzlich zulässig selbst formulierte Zusammenfassungen eines Ausgangswerks zu verwenden, da dies im Rahmen einer freien Bearbeitung im Sinne des § 24 UrhG zulässig ist. Jedoch bedarf es einer konkreten Prüfung im Einzelfall. So ist insbesondere die Übernahme von besonders prägenden und ausdrucksstarken Passagen des Ausgangswerks nur mit Zustimmung des jeweiligen Urhebers zulässig.

Den Entscheidungen lag folgender Sachverhalt zu Grunde:

Die Klägerinnen verlegen mit der Frankfurter Allgemeine Zeitung und der Süddeutsche Zeitungen erfolgreich namhafte Tageszeitungen. Im Feuilleton dieser Tageszeitungen veröffentlich beide Verlagshäuser auch Buchrezensionen.

Die Beklagte betreibt die Webseite „perlentaucher.de“. Im Rahmen Ihres Angebots auf dieser Seite stellt die Beklagte unter anderem neu erschienene Bücher vor. In diesem Zusammenhang veröffentlicht sie selbst geschriebene Zusammenfassungen der Buchrezensionen der Klägerinnen. Diese sog. Abstracts enthalten jedoch zum Teil einzelne Zitat und wörtlich übernommene Passagen aus den Originalkritiken. Um ein Einverständnis der Verlage zur Verwendung dieser Textpassagen hatte die Beklagte nicht eingeholt.

Da sowohl die FAZ als auch die SZ in dieser Übernahme eine Verletzung ihrer Rechte sahen, klagten sie zunächst auf ein generelles Verbot derartiger Abstracts, hilfsweise zumindest jedoch die Untersagung von Abstracts mit Originalzitaten und Textpassagen, bzw. die Untersagung bestimmter einzeln benannter Abstracts. Begründet wurde die Klage damit, dass nach Ansicht der Klägerinnen insbesondere der Umfang der Übernahme von Formulierungen aus den Originalrezensionen ihre Urheberrechte verletzen würde.

BGH: kein grundsätzliches Verbot von sog. Abstracts

Nachdem die Verlage sowohl in erster als auch zweiter Instanz mit ihren Klagen scheiterten, bestätigte der BGH (Urteile vom 1.12.2010, Aktenzeichen I ZR 12+13/08) in der Revision zwar, dass die Klägerinnen kein generelles Verbot der Nutzung ihrer Buchrezensionen als Vorlage für ein Abstract verlangen können. Jedoch führte der BGH weiter aus, dass die Übernahme von Originalzitaten und Textpassagen der Rezensionen im konkreten Einzelfall möglicherweise die Urheberrechte der Klägerinnen verletzten könnte. Der Umstand, dass bspw. lediglich einige Sätze entfernt und einige Worte umgestellt werden, reiche nicht aus um eine urheberrechtlich zulässige freie Bearbeitung darzustellen. In einem solchen Fall der wörtlichen Übernahme von Passagen des Ausgangswerkes, handele es sich um eine abhängige Bearbeitung (§ 23 UrhG), die grundsätzlich der Zustimmung des Urhebers bzw. des jeweils Berechtigten bedarf. Die bloße Kürzung des Originaltextes bei gleichzeitiger Übernahme markanter Textpassagen stelle keine erhebliche eigenschöpferische Leistung dar.

Aus diesem Grund hob der BGH die vorinstanzlichen Urteile auf und wies das OLG Frankfurt a.M. an eine mögliche Verletzung von urheberrechtlich geschützten Rechtspositionen der Klägerinnen durch die Verbreitung und öffentlich Zugänglichmachung einzelner konkreter Abstracts zu prüfen.

Die aktuelle OLG-Entscheidung

In den nun ergangenen Berufungsurteilen kommt das OLG Frankfurt a.M. zu dem Ergebnis, dass tatsächlich einzelne konkret benannte Perlentaucher-Kritiken die Rechte der Klägerinnen verletzen. Die Frankfurter Richter begründeten ihr Urteil damit, dass die beanstandeten Abstracts mehr oder weniger aus einer Übernahme von besonders prägenden und ausdrucksstarken Passagen der Originalrezensionen bestehen würden. Insoweit sei eine Einwilligung der Klägerinnen erforderlich gewesen. In diesem eingeschränkten Umfang gab das OLG Frankfurt a.M. den Berufungen statt und änderte die vorausgegangenen Urteile ab.

Wie das OLG im Rahmen seiner Pressemitteilung jedoch weiterhin mitteilte, lasse die Verurteilung der Beklagten keine allgemeine Aussage darüber zu, in welchem Umfang die Übernahme von Buchrezensionen urheberrechtlich zulässig ist. Jede Übernahme oder Verarbeitung müsse vielmehr im Einzelfall daraufhin überprüft werden, ob sie eine zulässige freie Bearbeitung des Originaltextes darstelle oder ob diese Grenze überschritten sei. Denn wie bereits der BGH in seinen vorgenannten Entscheidungen ausführte, sei es urheberrechtlich grundsätzlich zulässig, den Inhalt eines Schriftwerks in eigenen Worten zusammenzufassen und diese Zusammenfassungen umfassend zu verwerten, da dies regelmäßig eine zulässige, freie Benutzung des Ausgangswerks nach § 24 UrhG darstelle.

Fazit: Rechtliche Beratung im konkreten Einzelfall erforderlich

Das Urteil des OLG Frankfurt a.M. zeigt einmal mehr, dass die ungeprüfte Übernahme von fremden Texten mit einer Vielzahl juristischer Fallstricke verbunden ist. Der Irrtum, dass eine Nutzung fremder Texte bei entsprechender Kenntlichmachung als Zitat stets unprobelmatisch möglich ist, kann zu nicht unerheblichen Lizenzentschädigungen führen. Daher empfiehlt es sich jeweils im konkreten Einzelfall eine kurze Prüfung der Zulässigkeit durchführen zu lassen. Die Kanzlei WILDE BEUGER SOLMECKE berät Sie dabei gerne.