Im Streit zwischen der Plattform “FragDenStaat” und der Bundesregierung urteilten bereits das LG und das OLG Köln, dass die Veröffentlichung eines Gutachtens über die Krebsrisiken bei Verwendung des Unkrautgifts Glyphosat keine Urheberrechte der Bundesregierung verletze. Dies bestätigte nun auch der BGH, indem er die Beschwerde des Bundesinstituts für Risikobewertung gegen die Nichtzulassung der Revision abwies.

Nach einem jahrelangen Rechtsstreit zwischen dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), das dem Bundeslandwirtschaftsministerium untersteht, und der Transparenz-Plattform „FragDenStaat“ hat der Bundesgerichtshof (BGH) die Beschwerde des BfR gegen die Nichtzulassung der Revision abgewiesen (Beschl. v. 27.01.2022, Az. I ZR 84/21). In der Sache stritten das BfR und „FragDenStaat“ über die Veröffentlichung eines Gutachtens über die Krebsrisiken bei Verwendung des Pflanzenschutzmittels Glyphosat.

Mit der Abweisung der Nichtzulassungsbeschwerde ist das Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Köln aus dem Jahr 2021 nun rechtskräftig (Urt. v. 12.05.2021, Az. 6 U 146/20): Die Internetplattform durfte also das Gutachten veröffentlichen. Das Urheberrecht der Bundesregierung wurde dadurch nicht verletzt.

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Plattform veröffentlicht Gutachten ohne Zustimmung

Im Februar 2019 hatte die Plattform unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz eine Stellungnahme des Instituts zu einer Arbeit der Internationalen Agentur für Krebsforschung angefordert. In der Stellungnahme ging es um die gesundheitlichen Risiken, die bei der Verwendung von Glyphosat entstehen können. So wurden darin unter anderem Untersuchungen zu Krebserkrankungen in Verbindung mit Glyphosat dargelegt, die zu dem Ergebnis kamen, dass Glyphosat „wahrscheinlich krebserregend für Menschen“ ist.

„FragDenStaat“ veröffentlichte dieses Gutachten später ohne Zustimmung des Instituts im Internet. Das Bundesinstitut reagierte darauf mit einer Abmahnung. Gefordert wurde, das Gutachten aus dem Netz zu nehmen. Nachdem sich die Plattform weigerte, reichte man Klage vor dem Landgericht (LG) Köln ein.

Seine Unterlassungsklage begründete das Bundesinstitut mit einer Urheberrechtsverletzung durch das Online-Portal. Das Dokument sei nämlich mit „generellen Hinweisen zum Urheberrecht“ versehen worden, nach denen die Übermittlung ausschließlich zum persönlichen Gebrauch erfolge und die Veröffentlichung ohne schriftliches Einverständnis nicht erlaubt sei. Indem „FragDenStaat“ das Gutachten dennoch im Internet veröffentlichte, habe es sich über diese Weisung hinweggesetzt und damit rechtswidrig das Urheberrecht des Instituts verletzt.

Zunächst Erfolg im Eilverfahren

Vor dem LG Köln beantragte das Institut zunächst erfolgreich Eilrechtsschutz. Das Gericht verbot die Veröffentlichung per einstweiliger Verfügung. Weil die beauftragte Kanzlei die einstweilige Verfügung aber nicht formfehlerfrei zustellte, war das Gutachten wenig später wieder online.

Das BfR erließ kurz darauf eine Allgemeinverfügung, aufgrund derer Personen, die einen Antrag auf Informationszugang nach § 7 Abs. 1 S. 1 Informationsfreiheitsgesetz (IFG) zu dem Gutachten stellten, ein siebentägiger Lesezugang auf einer eigens eingerichteten Internetseite gewährt wurde. Die Beantwortung der Anträge sowie die Übermittlung des Lesezugangs erfolge seitens des BfR automatisch.

„FragDenStaat“ richtete daraufhin ein automatisiertes Anfrage-Tool auf seiner Homepage ein, mit dessen Hilfe nach eigenen Angaben mehr als 45.000 Menschen einen Antrag auf Zugang zu dem Gutachten stellten und auch bekamen.

LG Köln entscheidet zugunsten von „FragDenStaat“

Das LG Köln wies die Klage des Bundesinstituts im Hauptsacheverfahren schließlich jedoch ab (Urt. v. 12.11.2020, Az. 14O163/19). Seine Entscheidung begründete es mit dem Zitatrecht, das sich aus § 51 Urheberrechtsgesetz (UrhG) ergibt. Das Gutachten sei als ein amtliches Werk im Sinne des § 5 Abs. 2 UrhG zu qualifizieren und genieße daher keinen Urheberschutz. Amtliche Werke seien Dokumente, die im amtlichen Interesse zur allgemeinen Kenntnisnahme veröffentlicht würden.

Spätestens mit der Veröffentlichung der Allgemeinverfügung sei das Gutachten zu einem amtlichen Werk geworden und habe seinen urheberrechtlichen Schutz verloren. Die Plattform dürfe es daher im Rahmen ihres Zitatrechts überall öffentlich bekannt machen, ohne rechtswidrig zu handeln.

OLG bestätigt Urteil

Nach der Niederlage vor dem LG legte das Bundesinstitut Berufung ein und machte einmal mehr geltend, in seinem Urheberrecht verletzt zu sein. Aber auch das OLG Köln konnte keine Urheberrechtsverletzung feststellen und stützte sich dabei auf eine ähnliche Argumentation wie schon das Landgericht: Die Zusammenfassung sei seit der Veröffentlichung der Allgemeinverfügung im Bundesanzeiger ein amtliches Werk i.S.d. § 5 Abs. 2 UrhG, das vom Urheberrechtsschutz ausgenommen sei und von jedem frei genutzt werden könne.

Darüber hinaus könne sich die Plattform auch auf § 50 UrhG berufen. Danach ist zur Berichterstattung über Tagesereignisse durch die im Gesetz aufgeführten Mittel und Wege die Vervielfältigung und öffentliche Wiedergabe von Werken, die im Verlauf des Ereignisses wahrnehmbar werden, in einem durch den Zweck gebotenen Umfang zulässig. Dies sei hier der Fall, denn die Zusammenfassung werde nicht um ihrer selbst willen präsentiert, sondern erscheine in einem größeren Kontext, redaktionell eingebettet in eine kritische Berichterstattung über das Bundesinstitut.

Außerdem halte sich die Berichterstattung in dem durch ihren Zweck gebotenen Umfang. Insbesondere komme der Meinungs- und Pressefreiheit ein besonders hoher Rang zu, weil die umfassende und wahrheitsgemäße Information der Bürger durch die Presse eine Grundvoraussetzung des Prozesses demokratischer Meinungs- und Willensbildung sei. Diese Grundrechte gewinnen bei einem Konflikt mit anderen Rechtsgütern besonderes Gewicht, wenn sie Angelegenheiten betreffen, die wie hier die Öffentlichkeit wesentlich berühren, so das Gericht.

Ob neben § 50 UrhG auch § 51 UrhG greife, auf den das LG abgestellt hatte, könne dahinstehen.

BGH lehnt Nichtzulassungsbeschwerde ab

Das OLG hatte eine Revision in der Sache nicht zugelassen, weshalb das BfR eine Nichtzulassungsbeschwerde erhob. Diese wurde nun vom BGH abgewiesen. Das Karlsruher Gericht sah keine Sache von grundsätzlicher Bedeutung und vermochte auch keine Rechtsfehler der Vorinstanz zu erkennen. Das Urteil des OLG Köln ist damit rechtskräftig.

Kritiker sprachen in dem Prozess von einem sogenannten Zensururheberrecht. Öffentliche Stellen würden sich allzu oft in kritischen Situationen auf ihr Urheberrecht berufen, um die Veröffentlichung von möglicherweise prekären Dokumenten zu verhindern. Das Urheberrecht sei aber nicht dazu gedacht, staatliche Geheimhaltungsinteressen zu erfüllen.

lpo/lrü