Das Geschmacksmuster eines Bausteins des LEGO-Spielbaukastens bleibt weiterhin geschützt. So entschied das EuG heute überraschend zugunsten von Lego. Das Amt der Europäischen Union für Geistiges Eigentum (EUIPO) habe die Geschmacksmustereintragung zu Unrecht für nichtig erklärt und Fehler bei der rechtlichen Prüfung gemacht.

Neues Lego-Urteil: Darf nur Lego kleine Plättchen mit Noppen bauen?

Jedem sollte aus Kindheitstagen der typische rechteckige Legostein mit seinen Erhebungen in Zylinderform auf der Oberfläche bekannt sein. Auf der Unterseite befindet sich das Gegenstück zu den kreisrunden Erhebungen, damit man die Steine zusammenstecken und sich seine eigene Legowelt bauen kann. Schnell assoziiert man mit dieser Formbeschreibung die Marke und das Design von Lego. Aber ist das einfache Design des Legosteins tatsächlich bereits schützenswert? Diese Frage hat heute das Europäische Gericht (EuG) beantwortet (Rechtssache T‑515/19 Lego / EUIPO).

Und überraschenderweise fiel das Urteil zugunsten von Lego aus. Das EuG hat im Gegensatz zum EUIPO erklärt, dass das Design eines einfachen Legosteins zu schützen sei und dass das EUIPO dessen so genanntes Geschmacksmuster zu Unrecht für nichtig erklärt habe. Es stellte fest, dass das EUIPO bei seiner Entscheidung Rechtsfehler gemacht und Tatsachen auch völlig außer Acht gelassen habe.

Aber alles schön der Reihe nach…

Lego meldete Geschmacksmuster beim EUIPO an

Im Jahr 2010 trug das EUIPO das Design eines rechteckigen Legosteins mit vier Noppen auf der Oberfläche auf Antrag der Lego A/S als so genanntes Gemeinschaftsgeschmacksmuster ein. Das Design eines Produkts kann man auf nationaler Ebene durch Anmeldung beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA), auf EU-Ebene durch Anmeldung beim EUIPO oder sogar weltweit durch Anmeldung bei der Weltorganisation für Geistiges Eigentum (WIPO) schützen lassen. Wegen seiner Präsenz auf dem europäischen Markt wollte der Lego-Konzern damit einen umfassenden Geschmacksmusterschutz auf EU-Ebene bezwecken. Ein beim EUIPO eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster kann immerhin bis zu 25 Jahre geschützt werden, wenn der Schutz nach fünf Jahren regelmäßig verlängert wird.  Außerdem verbietet es nicht nur Nachahmungen des Lego- Klemmbausteins selbst. Das Design des Legosteins darf dann auch nicht auf anderen Produkten, z. B. als Aufdruck auf Kleidung, Geschirr etc., verwendet werden.

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Voraussetzungen für den Schutz als Gemeinschaftsgeschmacksmuster

Im Jahr 2016 beantragte die deutsche Firma Delta Sport Handelskontor GmbH beim EUIPO, das eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster für nichtig zu erklären. Das Unternehmen begründete seinen Antrag damit, dass das Design des Legosteins nicht als Gemeinschaftsgeschmacksmuster geschützt werden könne, da es ausschließlich technische Funktionen erfülle. Nach der Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung ist ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster zu schützen, wenn es sich dabei um eine Neuheit handelt und das Geschmacksmuster eine Eigenart hat. Gewisse Gründe können dem Schutz aber auch entgegenstehen.

So heißt es in Art. 8 Abs. 1 der Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung (GGV), auf den sich die Delta Sport Handelskontor GmbH mit ihrem Antrag berief:

„Ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster besteht nicht an Erscheinungsmerkmalen eines Erzeugnisses, die ausschließlich durch dessen technische Funktion bedingt sind.“

Zunächst lehnte das EUIPO den Antrag der Delta Sport Handelskontor GmbH ab. Diese legte jedoch bei der internen Beschwerdekammer des EUIPO Beschwerde gegen die Ablehnungsentscheidung ein. Mit Erfolg! Letztendlich kam das EUIPO mit Entscheidung von April 2019 dem Antrag nach und erklärte das Gemeinschaftsgeschmacksmuster für nichtig. In der Begründung seiner Entscheidung pflichtete es der Antragstellerin bei. So seien die rechteckige Form des Legosteins und die Erhebungen auf dessen Oberfläche in Zylinderform in erster Linie dazu da, damit man die Steine jeweils gut zusammen stecken könne. Die Beschaffenheit und das Aussehen des Legosteins seien ausschließlich technisch bedingt.

Parallelentscheidung zum Lego-Markenschutz von 2010

Die Nichtigkeitserklärung des EUIPO wollte Lego nun nicht auf sich sitzen lassen. Diese hat der Konzern vor dem EuG angefochten. Eigentlich stand die Entscheidung für Lego erstmal unter ungünstigen Vorzeichen.

Im Jahr 2010 hatte der EuGH in einem Markenrechtsstreit den Schutz des Lego-Klemmbausteins als Gemeinschaftsmarke abgelehnt. Damals stellte der Gerichtshof gemäß der EU-Gemeinschaftsmarkenverordnung, heute Unionsmarkenverordnung, klar, dass der Klemmbaustein nicht ausschließlich aufgrund seiner Form markenrechtlich geschützt werden könne, da diese zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich sei.

In dem aktuellen Verfahren vor dem EuG geht es zwar nicht um Marken- sondern um Designschutz. Allerdings dreht sich der Rechtsstreit diesmal um eine nahezu identische Norm in der Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung.

EuG-Urteil überraschend pro Lego

Das EuG hat nun wie gesagt allerdings zugunsten von Lego entschieden. Die Begründung: Dem EUIPO seien zum einen Rechtsfehler unterlaufen. Das Amt habe die Ausnahmeregelungen in den Absätzen 2 und 3 des Art. 8 der Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung (GGV) nicht geprüft.

In Art. 8 Abs. 2 GGV heißt es:

„Ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster besteht nicht an Erscheinungsmerkmalen eines Erzeugnisses, die zwangsläufig in ihrer genauen Form und ihren genauen Abmessungen nachgebildet werden müssen, damit das Erzeugnis, in das das Geschmacksmuster aufgenommen oder bei dem es verwendet wird, mit einem anderen Erzeugnis mechanisch verbunden oder in diesem, an diesem oder um dieses herum angebracht werden kann, so dass beide Erzeugnisse ihre Funktion erfüllen können.“

Der Äußere des Legosteins kann also nicht als Geschmacksmuster geschützt werden, wenn es allein dazu dient, ihn mit anderen Legosteinen mechanisch zu verbinden.  Der Legostein als reines Verbindungselement ist geschmacksmusterrechtlich nicht schützenswert.

In Art. 8 Abs. 3 GGV heißt es dann aber:

„Ungeachtet des Absatzes 2 besteht ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster unter den in den Artikeln 5 und 6 festgelegten Voraussetzungen an einem Geschmacksmuster, das dem Zweck dient, den Zusammenbau oder die Verbindung einer Vielzahl von untereinander austauschbaren Erzeugnissen innerhalb eines modularen Systems zu ermöglichen.“

Soll das Design der Legosteine also den Zusammenbau innerhalb eines modularen Systems ermöglichen, besteht eben doch Geschmacksmusterschutz. Ein modulares System besteht aus einer Vielzahl von Erzeugnissen, die in verschiedener Form miteinander verbunden werden können. Hier ist es nicht ganz abwegig, den Lego-Spielbaukasten darunter zu subsumieren. Typisches Beispiel eines modularen Systems sind nämlich auch Bausteine oder Bauklötze für Kinder.

Des weiteren kritisierte das EuG, das EUIPO habe gar nicht alle entscheidenden Erscheinungsmerkmale des Legosteins ermittelt, um über den Geschmacksmusterschutz zu entscheiden. Zu den ermittelten Merkmalen gehörten erstens die Noppenreihe auf der Oberseite des Bausteins, zweitens die Reihe kleinerer Kreise auf der Unterseite des Bausteins, drittens die beiden Reihen größerer Kreise auf der Unterseite des Bausteins, viertens die rechteckige Form des Bausteins, fünftens die Dicke der Wände des Bausteins und sechstens die zylindrische Form der Noppen.

Missachtet habe das Amt aber, dass der Legostein auf zwei Seiten der viernoppigen Reihe auf der Oberseite eine glatte Oberfläche aufweise. Auch dabei handele es sich um ein Erscheinungsmerkmal des Legosteins. Da diese glatte Oberfläche nicht als Erscheinungsmerkmal ermittelt wurde, wurde diesbezüglich die ausschließliche technische Funktion im Sinne des Art. 8 Abs. 1 GGV erst Recht nicht nachgewiesen.

Was bedeutet das Urteil für den Klemmbausteinmarkt?

Das Urteil des EuG erscheint ganz schön spitzfindig. Gleichzeitig haben es sich die Luxemburger Richter einfach gemacht, indem sie auf die Rechtsfehler und Versäumnisse des EUIPO hinwiesen, aber in der Sache nicht selbst entschieden.

Das Verfahren kann jedenfalls noch vor dem EuGH weitergeführt werden, wenn gegen das Urteil Beschwerde eingelegt wird. Dann ist abzuwarten, wie dieser die Sache sieht.

Vorerst bleibt durch die Entscheidung des EuG die Geschmacksmustereintragung zugunsten von Lego beim EUIPO bestehen. Lego kann also seine vorherrschende Stellung auf dem Klemmbausteinmarkt behaupten, was den Designschutz seiner Legosteine angeht. Viele kleine Klemmbausteinhänder- und hersteller sind dadurch weiterhin in ihren Freiheiten eingeschränkt.

Das letzte Wort wurde allerdings noch nicht gesprochen. Zum einen kann das Ruder noch vom EuGH herumgerissen werden. Zum anderen kann die Delta Sport Handelskontor GmbH oder ein anderer Antragsteller auch nochmal einen Antrag auf Nichtigkeitsfeststellung beim EUIPO stellen.

mle