Das Urheberrecht an der Comic-Figur Winnie Puuh ist mit Ablauf des Jahres 2021 erloschen. Die Folgen für Rechteinhaber Walt Disney sind noch unklar, auf das Unternehmen könnte möglicherweise ein Verlust von Einnahmen in Milliardenhöhe zukommen. Bereits 1998 hatte Disney für eine Verlängerung des Copyrights lobbyiert, um seine Rechte an der Figur „Mickey Mouse“ auszuweiten.

An wen denken Sie, wenn von einem kleinem und goldenem, naivem, aber sanftmütigen, liebenswertem und kuscheligem Bären die Rede ist, dessen Leibspeise Honig ist und der stets ein knallrotes T-Shirt trägt? Den meisten von Ihnen schießt bestimmt ein Bild aus der Kindheit durch den Kopf, nämlich das von Winnie Puuh. Winnie Puuh wurde 1926 von dem britischen Schriftsteller Alan Alexander Milne in seinem Kinderbuch „Pu der Bär“ zum Leben erweckt. 

1961 erwarb das Medienunternehmens Walt Disney die Rechte an dem Werk. Dieser Deal entwickelte sich für den US-Konzern zu einem Milliarden-Dollar-Geschäft, denn seitdem nahm Walt Disney für jedes Produkt mit der beliebten Figur Lizenzgebühren ein. Allerdings ist das US-Amerikanische Copyright (zu deutsch: Urheberrecht) an Winnie Puuh mit Ablauf des Jahres 2021 erloschen.

Das führt uns zu den Fragen: Wie lange schützt das Urheberrecht Werke vor unberechtigter Nutzung? Was passiert mit Ablauf dieser Frist? Und können nun sämtliche Filme und Comics mit Winnie Puuh und seinen Freunden frei verwendet werden? Und was droht einem, wenn man entgegen der Rechte Dritter geschützte Werke vor Ablauf der Schutzdauer ohne Zustimmung der Inhaber verwendet?

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Gerade in Zeiten des Internets ist der Schutz von geistigem Eigentum von elementarer Bedeutung. Mithilfe des Urheberrechts können Kreativschaffende von ihren Inhalten leben. Doch die Nutzung von und der Umgang mit Urheberrechten sind für Laien nicht immer einfach und führen immer wieder zu rechtlichen Missverständnissen.

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Damit sah sich jüngst der rechtsradikale französische Präsidentschaftskandidat Éric Zemmour konfrontiert. Zemmour nutzte unter anderem Ausschnitte aus Filmen des Filmkonzerns Gaumont und den Filmemachern Luc Besson und François Ozon für einen Videoclip, in dem er seine Kandidatur angekündigt hatte. Ein französisches Gericht verurteilte ihn daher zu einer Zahlung von 70.000 Euro an die Rechteinhaber des Bildmaterials.

Schutzdauer des deutschen Urheberrechts

Die §§ 64 bis 69 des deutschen Urheberrechtsgesetzes (UrhG) regeln die Berechnung der urheberrechtlichen Schutzfristen. § 64 UrhG bestimmt, dass das Werk 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers erlischt.  Innerhalb dieser Zeitspanne ist ein urheberrechtliches Werk, also eine persönliche, geistige Schöpfung im Sinne des § 2 Abs. 2 UrhG vor der unberechtigten Verwendung geschützt. Das heißt, dass die Schöpfung in der Zeit, in der sie den Schutz des Urheberrechts genießt, nur mit Zustimmung des Urhebers bzw. der Rechteinhaber etwa vervielfältigt, verbreitet oder ins Netz gestellt werden darf.

Nach Ablauf der Schutzfrist wird das Werk gemeinfrei. Es darf dann also ohne die Zustimmung oder Vergütung des Urhebers bzw. Rechteinhabers frei genutzt werden. Auch erlöschen mit Ablauf dieser Frist Nutzungsrechte, die Dritte an dem Werk erworben haben. Der Schutzverfall geht sogar so weit, dass auch das Urheberpersönlichkeitsrecht betroffen ist. Die Rechtsnachfolger können also nicht mal eine vom Urheber nicht gewollte Entstellung des Werkes verhindern oder das Recht auf Namensnennung geltend machen.

Sinn und Zweck des begrenzten Schutzes

Doch warum sieht das Urheberrechtsgesetz für Urheberrechte nur einen begrenzten Schutz vor? Was unterscheidet das geistige Eigentum vom Eigentum an Sachen, das bekanntlich vom Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) ein Leben lang gewährt wird?

Das hat verschiedene Gründe. Einerseits ging der Gesetzgeber davon aus, dass nur an solchen Werken über die 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers hinaus ein Verwertungsinteresse besteht, die Meisterwerke der Literatur und Kunst darstellten. Deren Verbreitung und Wiedergabe stehe im allgemeinen und gesellschaftlich-kulturellem Interesse. Daher solle die Verwendung der Schöpfung nach einer Zeitspanne, die dem Urheber bzw. dessen Erben die finanzielle Verwertung des Werkes ermöglichte, jedermann freistehen. Außerdem sei nach der Intention des Gesetzgebers die Rechtszersplitterung durch viele und unübersehbare Erbgänge zu vermeiden. Denn steht das Urheberrecht zunächst allein und gebündelt dem Schöpfer des Werkes zu, werden die Rechte an dem Werk nach dessen Tod oft im Rahmen komplizierter Erbverhältnisse auf viele Erben unterteilt. Das mache eine einheitliche Rechtewahrnehmung und die sichere Feststellung der Rechteinhaberschaft kaum möglich.

Der langjährige Schutz soll also einen Ausgleich schaffen zwischen dem Allgemeininteresse an der Nutzung kultureller Werke sowie Aspekten der Praktikabilität auf der einen Seite. Und des Interesses des Urhebers und seinen Erben, einen angemessenen wirtschaftlichen Nutzen aus der geistigen Schöpfung ziehen zu können auf der anderen Seite.

Dauer für Urheber- und Leistungsschutzrechte

Umfasst die Zeitspanne für den urheberrechtlichen Werkschutz den Zeitraum von der Schöpfung bis 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers, so ist der Schutz für sog. Leistungsschutzrechte und sog. verwandte Schutzrechte deutlich kürzer.

Verwandte Schutzrechte schützen etwa die Erzeuger von Lichtbildern und Videos, die die Schöpfungshöhe nicht überschreiten oder die Autoren wissenschaftlicher Ausgaben, die nicht die erforderliche kreative Eigenleistung erbringen; Leistungsschutzrechte schützen Personen, die an der Vermittlung eines Werkes beteiligt sind, also etwa Schauspieler, Tonträgerhersteller oder Verleger. Der Gesetzgeber hat Sonderregelungen für die einzelnen Rechte geschaffen, die die Schutzdauer festlegen:

So betragen die Schutzfristen für verwandte Schutzrechte etwa 25 Jahre nach Erscheinen der wissenschaftlichen Ausgaben (§ 70 Abs. 3 UrhG) oder 50 Jahre nach dem Erscheinen des Lichtbildes (§ 72 Abs. 3 UrhG). Die Leistungen ausübender Künstler, also insbesondere der Schauspielerinnen und Tänzer, werden für 50 Jahre nach der Darbietung geschützt (§ 76 UrhG). Die Schutzdauer für das Leistungsschutzrecht der Presseverleger wurde kürzlich in Umsetzung europäischer Richtlinien von bislang einem Jahr (§ 87g aF) auf nunmehr zwei Jahre (§ 87j S. 1) verlängert.

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III. Konventionsrechtliche Bestimmungen

Doch zurück zu Winnie Puuh und seinen Freunden: Der Schöpfer der Figuren Alan Alexander Milne stammte aus Großbritannien; sein Kinderbuch wurde dort das erste Mal veröffentlicht. Der Disney-Konzern als Rechteinhaberin ist hingegen ein US-Amerikanisches Unternehmen.

Während die Copyrights in den USA 95 Jahren nach Erstveröffentlichung des Werkes ablaufen, knüpft das britische und bekanntermaßen das deutsche Urheberrecht an den Tod des Urhebers an und lässt die Urheberrechte von dort an 70 Jahre lang weitergelten.

Wird nun in Deutschland ein Film veröffentlicht, in dem die 1926 „geborene“ Figur Winnie Puuh auftaucht, stellt sich die Frage, ob es auf die Schutzdauer des amerikanischen oder des britischen Act of Copyrights ankommt oder sich der Schutz nach den deutschen Regeln bestimmt.

Unter welchen Voraussetzungen ausländische Urheber und ihre Werke in Deutschland Schutz genießen, regeln §§ 120-128 UrhG. § 121 Abs. 4 bestimmt, dass ausländische Staatsangehörige urheberrechtlichen Schutz nach Inhalt der Staatsverträge genießen. Nach Art. 7 Abs. 8 des Revidierten Berner Übereinkommens (RBÜ), dem sowohl Deutschland als auch Großbritannien beigetreten sind, bestimmt sich die Schutzdauer des Urheberrechts nach dem Recht des Landes, in dem der Schutz beansprucht wird. Allerdings darf ein ausländisches Werk, dessen Schutz nach den im Ausland geltenden Gesetzen bereits abgelaufen ist, in dem Land, in dem der Schutz begehrt wird (also Deutschland) nicht länger fortbestehen, selbst wenn das Werk nach dem deutschen Urheberrechtsgesetz noch geschützt wäre.

Andererseits bestimmt das weiterhin anwendbare Deutsch-Amerikanische Übereinkommen von 1892, dass das Recht des Staates, in dem der Schutz begehrt wird, unabhängig von einem Schutzfristenvergleich gilt. Für Werke aus den USA bedeutet das, dass in Deutschland hierfür über die 95 Jahre hinaus ein Schutz gewährt wird.

Während in den USA der Schutz für den kleinen goldenen Bären schon abgelaufen ist, gilt dieser nach deutschem und britischem Recht noch fort: Denn da der Autor Alan Alexander Milne 1956 verstorben ist, kann sich Walt Disney noch weitere vier Jahre auf europäische Lizenzeinnahmen freuen.

Doch sind die europäischen Vorschriften zur Schutzdauer jetzt noch vorteilhaft für den Medienkonzern, so ändert sich das mit Ablauf des Jahres 2026. 

Neue Frist bei erlaubten Bearbeitungen

Denn das Auslaufen des amerikanischen Copyrights erstreckt sich nur auf das erste von Milne verfasste Kinderbuch über Winnie Puuh. Im Laufe der Zeit entstanden diverse andere Figuren: Puuh gewann seinen neuen Freund Tigger oder lernte den Esel I-Aah kennen. Außerdem erlangte er erst 1932 sein rotes Hemd, das fortan zu seinem Markenzeichen wurde.

Der nun angezogene Bär und die anderen Figuren im Winnie-Puuh-Kosmos stellen sogenannte Bearbeitungen des Ursprungswerkes dar. Diese können nach § 3 UrhG eigenständige schützenswerte Werke darstellen. § 23 UrhG regelt, dass Bearbeitungen und Umgestaltungen grundsätzlich nur mit Zustimmung des Urhebers bzw. der Rechteinhaber verwertet – also insbesondere veröffentlicht – werden dürfen. Das gilt nur dann nicht, wenn das benutzte Werk hinter dem neu geschaffenen verblasst – dann liegt eine sogenannte freie Benutzung vor.

Milne und die Rechteinhaber waren mit den neuen Figuren und dem veränderten Bären einverstanden – der Brite erschuf sie ja sogar. Bei ihnen handelt es sich also um rechtmäßige Bearbeitungen des Ursprungswerkes.

Für diese Bearbeitungen begann die Schutzdauer – da es sich um eigenständige Werke handelt – neu an zu laufen. Die Konsequenz: Während in Deutschland der Schutz für sämtliche von Alan Alexander Milne erschaffenen Figuren 2026 abläuft, besteht er in den USA für einzelne Charaktere darüber hinaus fort.

Auch um die Verwertung der Filmadaptionen muss sich Disney keine Sorgen machen. Denn diese stammen nicht mehr von Milne, sondern von erst deutlich später geborenen Urhebern. Der 1966 erste über Puuh herausgebrachte Zeichentrickfilm genießt also sowohl in Deutschland als auch in den USA weiterhin Schutz.

Zwar darf nunmehr in den USA die Original-Figur Winnie Puuh an sich frei verwendet werden. Adaptionen des Filmwerks, die die Geschichte weitererzählen und neu veröffentlichen, die Nutzung von Ausschnitten der Verfilmung oder die Verbreitung von Screenshots sind also grundsätzlich weiterhin unzulässig.

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Folgen bei Verletzung

Die unberechtigte Verwendung kann – wie der französische Präsidentschaftskandidat Zemmour schmerzhaft erfahren musste – empfindliche Konsequenzen haben.

Denn wer ein Werk vor Ablauf der Schutzfrist und ohne Zustimmung des Berechtigten bearbeitet, ohne den notwendigen Abstand zum Ursprungswerk zu wahren, vervielfältigt, ohne sich auf Privatkopien zu beschränken oder verbreitet und öffentlich zugänglich macht, kann nach § 97 UrhG von dem Verletzten auf Beseitigung der Beeinträchtigung, Unterlassung und vor allem auf Schadensersatz Anspruch genommen werden. Als Schaden kann vom Verletzten wahlweise der konkret entgangene Gewinn, der Verletzergewinn oder die Gebühr für eine fiktive Lizensierung der Nutzung verlangt werden. Daneben muss man sich auf wettbewerbsrechtliche Abmahnungen nach dem UWG einstellen, die oftmals die Erstattung von Anwaltskosten zur Folge haben.

Ausblick und Fazit

Während die Debatte angesichts des auslaufenden Schutzrechtes für Micky Mouse an Relevanz gewinnt, geht die Tendenz zumindest des europäischen Gesetzgebers dahin, die Dauer des urheberrechtlichen Schutzes zu verlängern.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Schutzdauer von Urheberrechten aus nachvollziehbaren Gründen begrenzt wurde. Nach Ablauf dieser Frist sind die Werke grundsätzlich gemeinfrei: sie können also adaptiert, kopiert, verbreitet und bzw. oder öffentlich zugänglich gemacht werden.

Insbesondere in Ländern, deren Recht bei der Berechnung der Schutzfrist nicht auf den Todestag des Urhebers abstellt, sondern an das Datum der Erstveröffentlichung des jeweiligen Werkes anknüpft, fängt hinsichtlich erlaubter Bearbeitungen und Umgestaltungen die Schutzdauer neu an zu laufen.

Hält man sich an diese Regeln und macht man sich etwa darüber klar, ob man gerade die Originalfigur Milnes aus 1926 adaptiert, deren Schutz verfällt und die man daher verwenden kann oder ob es sich bei dem verwendeten Werk um eine noch geschützte Bearbeitung des Disney-Konzerns handelt, hat man nichts zu befürchten.

Informiert man sich vor der Verwendung von Fotos, Videos, Zeichentrickfiguren und Ähnlichem nicht über kollidierende Urheberrechte Dritter, so drohen einem hingegen wie Zemmour hohe Abmahnkosten und Schadensersatzforderungen.