Die Durchsuchung der CICERO Redaktionsräume verletzt die Pressefreiheit. Das hat das Bundesverfassungsgericht heute entschieden. Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Beschwerdeführer ist Chefredakteur und Verantwortlicher im Sinne des Pressegesetzes des monatlich erscheinenden Politmagazins CICERO. Im April 2005 veröffentlichte CICERO einen Artikel des freien Journalisten Sch. über den Terroristen Abu Mousab al Zarqawi. In diesem Beitrag wird aus einem internen, als Verschlusssache gekennzeichneten Bericht des Bundeskriminalamtes ausführlich zitiert.
Nach Einleitung eines Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft gegen den Beschwerdeführer und den Journalisten Sch. ordnete das Amtsgericht Potsdam die Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume des
Beschuldigten Sch. in Berlin sowie der Redaktionsräume der Zeitschrift CICERO in Potsdam an. Zur Begründung führte das Amtsgericht aus, dass der Beschuldigte Sch. als Journalist ein Geheimnis im Sinne des § 353 b Strafgesetzbuch veröffentlicht und hierdurch Beihilfe zur Verletzung des Dienstgeheimnisses begangen habe. Ihm sei bekannt gewesen, dass die Weitergabe des Berichts durch einen Mitarbeiter des Bundeskriminalamtes an ihn in der Absicht erfolgt sei, den geheimen Inhalt der Mitteilung in der Presse zu veröffentlichen. Dies gelte auch für den Beschwerdeführer als Chefredakteur und Verantwortlichen des Magazins CICERO, da ihm der Sachverhalt bekannt und der Artikel mit seinem Wissen veröffentlicht worden sei.

Anlässlich der Durchsuchung der Redaktionsräume am 12. September 2005 wurden verschiedene Datenträger sichergestellt sowie eine Datenkopie der Festplatte des Computers erstellt, mit welchem der seinerzeit für den Artikel zuständige Redaktionsmitarbeiter gearbeitet hatte.Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss wurde vom Landgericht Potsdam verworfen. Im Februar 2006 wurde das Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer nach Zahlung einer Geldauflage von 1.000 € eingestellt.

Der Beschwerdeführer rügt, dass die Gerichte die Bedeutung des Grundrechts der Pressefreiheit verkannt hätten. Die Strafvorschrift des § 353 b StGB (Verletzung des Dienstgeheimnisses) müsse im Lichte dieses Grundrechts dahingehend ausgelegt werden, dass sich Journalisten, die ihnen offenbarte Dienstgeheimnisse in der Presse veröffentlichten, nicht
wegen Beihilfe zum Verrat von Dienstgeheimnissen strafbar machten. Darüber hinaus sei von den Gerichten die presseschützende Vorschrift des § 97 Abs. 5 Satz 2 Strafprozessordnung, die eine Beschlagnahmebeschränkung zugunsten der Presse enthalte, fälschlich nicht angewandt worden. Zudem seien die Durchsuchung der Presseräume und
die damit einhergehende Beschlagnahme unzulässig gewesen, da sie vorwiegend die Ermittlung des Informanten aus dem Bundeskriminalamt ermöglichen sollten. Dies sei aber mit dem Grundsatz des Informantenschutzes nicht vereinbar. Schließlich sei die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung angesichts des Umstandes, dass nur gegen den Gehilfen ermittelt wurde, unverhältnismäßig gewesen.

Die Entscheidung des Gerichts:
Die Anordnung der Durchsuchung der Redaktionsräume von CICERO und die Beschlagnahme der dort aufgefundenen Beweismittel stellen einen verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigten Eingriff in die Pressefreiheit des Beschwerdeführers dar. Die Gerichte haben dem verfassungsrechtlich gebotenen Informantenschutz nicht hinreichend
Rechnung getragen. Die bloße Veröffentlichung eines Dienstgeheimnisses in der Presse durch einen Journalisten reicht nicht aus, um einen zu einer Durchsuchung und Beschlagnahme ermächtigenden Verdacht der Beihilfe des Journalisten zum Geheimnisverrat zu begründen. Erforderlich sind vielmehr spezifische tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen
einer von einem Geheimnisträger bezweckten Veröffentlichung des Geheimnisses und damit einer beihilfefähigen Haupttat. Solche Anhaltspunkte lagen im Fall der Durchsuchung der Redaktionsräume des Politmagazins CICERO nicht vor. Dies entschied der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts mit Urteil vom 27. Februar 2007. Damit war die
Verfassungsbeschwerde des Chefredakteurs von CICERO erfolgreich. Die Entscheidung ist mit 7 : 1 Stimmen ergangen.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

I. Die Anordnung der Durchsuchung der Redaktion und die Beschlagnahme
der dort gefundenen Beweismittel verletzen den Beschwerdeführer in
seinem Grundrecht auf Pressefreiheit.

1. Die Durchsuchung der Presseräume stellt wegen der damit
verbundenen Störung der redaktionellen Arbeit eine
Beeinträchtigung der Pressefreiheit dar. Durch die Anordnung der
Beschlagnahme von Datenträgern zum Zwecke der Auswertung ist den
Ermittlungsbehörden darüber hinaus die Möglichkeit des Zugangs zu
redaktionellem Datenmaterial eröffnet worden. Dies greift in
besonderem Maße in die vom Grundrecht der Pressefreiheit umfasste
Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit ein, aber auch in ein
etwaiges Vertrauensverhältnis zu Informanten.

2. Der Eingriff ist verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt. Die
Gerichte haben bei der Auslegung und Anwendung der zur
Durchsuchung und Beschlagnahme ermächtigenden Normen dem
verfassungsrechtlich gebotenen Informantenschutz nicht
hinreichend Rechnung getragen. Der den gerichtlichen Anordnungen
zugrunde liegende Tatverdacht gegen den Beschwerdeführer reichte
für eine Durchsuchung der Redaktionsräume und die Beschlagnahme
von Beweismitteln nicht aus.

a) § 353 b StGB stellt die unbefugte Offenbarung eines
Dienstgeheimnisses unter Strafe. Allein die Veröffentlichung
des Geheimnisses in der Presse deutet allerdings nicht
zwingend auf das Vorliegen einer derartigen Haupttat durch den
Geheimnisträger hin. Der Tatbestand des § 353 b StGB ist
beispielsweise nicht verwirklicht und eine Beihilfe daher
nicht möglich, wenn Schriftstücke oder Dateien mit
Dienstgeheimnissen versehentlich oder über eine nicht zur
Geheimhaltung verpflichtete Mittelsperson nach außen gelangen.
Will der Geheimnisträger dem Journalisten nur
Hintergrundinformationen liefern und erfolgt die
Veröffentlichung abredewidrig, ist die Tat mit der Offenbarung
des Geheimnisses bereits beendet; dann kann eine Beihilfe
durch die nachfolgende Veröffentlichung gar nicht mehr
geleistet werden. In solchen Fällen kann eine Durchsuchung und
Beschlagnahme nicht mit dem Ziel der Aufklärung einer
Beihilfehandlung des Journalisten angeordnet werden.

b) Durchsuchungen und Beschlagnahmen in einem
Ermittlungsverfahren gegen Presseangehörige sind
verfassungsrechtlich unzulässig, wenn sie ausschließlich oder
vorwiegend dem Zweck dienen, die Person des Informanten zu
ermitteln. Auch wenn die betreffenden Angehörigen von Presse
oder Rundfunk selbst Beschuldigte sind, dürfen in gegen sie
gerichteten Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts einer
Beihilfe zum Dienstgeheimnisverrat Durchsuchungen sowie
Beschlagnahmen zwar zur Aufklärung der ihnen zur Last gelegten
Straftat angeordnet werden, nicht aber zu dem Zweck,
Verdachtsgründe insbesondere gegen den Informanten zu finden.
Das Risiko einer Verletzung des verfassungsrechtlich gebotenen
Informantenschutzes ist besonders groß, wenn der Verdacht
einer Beihilfe allein darauf gestützt wird, dass das
Dienstgeheimnis in der Presse veröffentlicht worden ist und
das maßgebende Schriftstück allem Anschein nach unbefugt in
die Hände des Journalisten gelangt war. In einer solchen
Situation kann die Staatsanwaltschaft den betroffenen
Journalisten durch Einleitung eines gegen ihn gerichteten
Ermittlungsverfahrens zwar – verfassungsrechtlich zulässig –
zum Beschuldigten machen. Würde jedweder Verdacht aber auch
für die Anordnung von Durchsuchung und Beschlagnahme bei
Angehörigen von Presse und Rundfunk ausreichen, hätte die
Staatsanwaltschaft es in ihrer Hand, durch die Entscheidung
zur Einleitung des Ermittlungsverfahrens den besonderen
grundrechtlichen Schutz der Medienangehörigen zum Wegfall zu
bringen. Deshalb müssen die strafprozessualen Normen über die
Durchsuchung und Beschlagnahme dahingehend ausgelegt werden,
dass die bloße Veröffentlichung des Dienstgeheimnisses durch
einen Journalisten nicht ausreicht, um einen diesen
Vorschriften genügenden Verdacht der Beihilfe des Journalisten
zum Geheimnisverrat zu begründen. Zu fordern sind vielmehr
spezifische tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer
vom Geheimnisträger bezweckten Veröffentlichung des
Geheimnisses und damit einer beihilfefähigen Haupttat.

c) Nach diesen Maßstäben widersprach die vorliegend angeordnete
Durchsuchung und Beschlagnahme dem von der Pressefreiheit
gewährleisteten Schutz der Redaktionsarbeit unter Einschluss
des Informantenschutzes. Die Anordnung erfolgte in einer
Situation, in der es keine Anhaltspunkte außer der
Veröffentlichung des Berichts in der Zeitschrift dafür gegeben
hatte, dass ein Geheimnisverrat durch den Geheimnisträger
vorliegen könnte. Alle Ermittlungen in diese Richtung waren
zuvor erfolglos geblieben. Damit sollte die Durchsuchung
letztlich vorwiegend die Ermittlung des mutmaßlichen
Informanten aus dem Bundeskriminalamt ermöglichen.

II. Darüber hinaus verletzt der Beschluss des Landgerichts, in welchem
das Gericht die Erledigung der gegen die Beschlagnahmebestätigung
gerichteten Beschwerde festgestellt hat, den Beschwerdeführer in
seinem Recht auf Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes.
Angesichts der schwer wiegenden Beeinträchtigungen der
Pressefreiheit musste es dem Beschwerdeführer ermöglicht werden, die
Bestätigung der Beschlagnahme redaktionellen Materials einer
gerichtlichen Kontrolle zu unterziehen.