Verwilderte Gebäude, Geisterdörfer oder ehemalige Freizeitparks – „Lost Places“ sind Orte, die im Laufe der Zeit in Vergessenheit geraten sind. Gerade in den letzten Jahren werden sie jedoch von immer mehr Schaulustigen als Reiseziel aufgesucht und erfreuen sich auch im Internet enormer Beliebtheit. Doch wann wird ein Ort zu einem „Lost Place“? Mit dieser Frage hatte sich das AG München im Rahmen eines Urheberrechtsstreites auseinanderzusetzen.

destroyed brown and gray concrete house

Eine verfallene historische Burg darf als „Lost Place“ bezeichnet werden. Das hat das Amtsgericht (AG) München in einem erst jetzt veröffentlichten Urteil entschieden und die Klage einer US-amerikanischen Gesellschaft auf Schadensersatz abgelehnt (Urt. v. 09.04.2021, Az. 142 C 14251/20).

Webseite bezeichnete Burg als „Lost Place“

Hintergrund des Verfahrens vor dem AG war ein Urheberrechtsstreit zwischen einer US-amerikanischen Gesellschaft und einem Webseitenbetreiber. Der Webseitenbetreiber hatte im Jahr 2018 auf einer Internetseite mehrere Fotos von einer Burg in Thüringen in der Rubrik „Lost Places“ veröffentlicht, unter anderem auch Innenansichten. Eine Genehmigung durch die US-Gesellschaft als Eigentümerin der Burg holte sich der Betreiber vor der Veröffentlichung der Bilder allerdings nicht ein.

Die US-Gesellschaft war mit der Veröffentlichung nicht einverstanden und verklagte den Webseitenbetreiber auf insgesamt 4.500 € Schadensersatz wegen einer Verletzung „ausländischen Copyrights“. Das Gebäude sei urheberrechtlich geschützt und sie sei Inhaberin dieser Urheberrechte. Die Berechtigung zum Filmen stelle sie nur gegen eine entsprechende Lizenzgebühr zur Verfügung. Die Verbreitung der Fotos stelle daher eine Verletzung des „foreign copyright claims“ dar, so die US-Gesellschaft. Der Webseitenbetreiber hätte die Bilder deswegen nicht ohne ihre Genehmigung veröffentlichen dürfen.

Darüber hinaus sei die Bezeichnung der Burg als „Lost Place“ unwahr, da diese weder verloren noch verlassen sei. Darin sah die Gesellschaft eine Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts bzw. ihres Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Dem hielt der Webseitenbetreiber entgegen, dass der Zustand des Gebäudes vielmehr einer Ruine gleiche. Außerdem sei das Grundstück frei zugänglich und der Gesellschaft entstünden durch das Anfertigen von Fotografien ohnehin keine Nachteile.

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AG München weist Klage der US-Gesellschaft ab

Das AG München schloss sich in seinem Urteil dann der Ansicht des Webseitenbetreibers an und wies die Klage der US-Gesellschaft vollumfänglich ab.

Es begründete seine Entscheidung insbesondere damit, dass eine Urheberrechtsverletzung durch die Veröffentlichung der Bilder von vornherein ausscheide, da die US-Gesellschaft keine Inhaberin von Urheberrechten sein könne. Denn gemäß § 11 S. 1 Urheberrechtsgesetz (UrhG) stehe ein solcher Urheberrechtsschutz allein sogenannten natürlichen Personen, also Menschen, und damit gerade nicht der Gesellschaft als juristische Person zu. Doch auch sonst sei es nicht ersichtlich, auf welche Urheberrechte sich das US-Unternehmen stützen wolle. Die Burg sei um das Jahr 1375 errichtet worden – dabei sei es abwegig, dass daran noch Urheberrechte bestünden. 

Eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes lehnte das AG ebenfalls ab, da sich aus dem Gericht vorgelegten Bildern „unzweifelhaft“ ergebe, dass das Objekt leer stehe und einen äußerst schlechten baulichen Zustand aufweise, sodass der Verfall zumindest drohe. Die Bezeichnung der Burg als „Lost Place“ sei daher eine „offenkundig wahre Tatsachenbehauptung“, weswegen ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erkennbar ausscheide.

Zuletzt verneinte das AG auch einen Schadensersatzanspruch wegen einer Verletzung sogenannter „moralischer Rechte“, also wegen solcher Schäden, die keine Vermögenseinbuße darstellen. Zum einen käme ein solcher Anspruch erneut nur für natürlichen Personen in Betracht. Zum anderen sah das AG in der Veröffentlichung der Bilder auch keine für den Anspruch erforderliche schwere, nicht anders ausgleichbare Beeinträchtigung der Gesellschaft.

Das Urteil des AG München ist mittlerweile rechtskräftig.

akh