Der Deutsche Presserat hat elf öffentliche Rügen wegen schwerer Verstöße gegen den Pressekodex ausgesprochen. Gerügt wurden u. a. Focus.de und Bild.de.

Bei den Beschwerdeausschuss-Sitzungen des Presserates wurden wegen schwerer Verstöße gegen den Pressekodex insgesamt elf öffentliche Rügen ausgesprochen. Bei den Beschwerden dominierten die Themen der Silvester-Übergriffe von Köln, das Paris-Attentat sowie das Zugunglück in Bad Aibling.

© svort Fotolia
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Verstoß gegen Opferschutz bei Bild.de

Gerügt wurde Bild Online für die Darstellung der Opfer des Paris-Attentates. Die Redaktion hatte in einem Artikel mit dem Titel „Die Geschichten der Opfer“ Porträtbilder der Getöteten und persönliche Details aus dem Lebenslauf veröffentlicht. Nach Ansicht des Gremiums jedoch bestehe kein öffentliches Interesse an dieser identifizierbaren Darstellung. Demnach sei in diesem Fall ein schwerwiegender Verstoß gegen den Opferschutz nach Richtlinie 8.2 gegeben, so der Presserat.

Grenzwertiges Dokument der Zeitgeschichte

Ein Foto des Tatortes in der Konzerthalle Bataclan sei hingegen als Dokument der Zeitgeschichte zu bewerteten. Zwar sei das Foto der Leichen, die in Blutlachen auf dem Boden liegen, schockierend, aber das öffentliche Interesse an dem Terroranschlag und seiner schrecklichen Folgen ist hier in der Gesamtschau jedoch höher zu bewerten als der Persönlichkeitsschutz der Betroffenen, heißt es in der Meldung des Presserates weiter. Allerdings sei diese Foto als Grenzfall zu werten. Im vergangenen Monat hatte bereits die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) keinen Verstoß gegen die Menschenwürde in diesen Bildern gesehen. 

Schutz der Persönlichkeitsrechte minderjähriger Verbrechensopfer verletzt

Den Opferschutz verletzte Bild.de und Bild auch mit ihrer Berichterstattung über die Mordfälle Elias und Mohamed. Auch hier sprach der Presserat eine Rüge aus. Das Blatt hatte Fotos der getöteten Jungen gezeigt, die im Rahmen der Suche nach den Kindern zu sehen waren. Nach Ansicht des Beschwerdeausschusses bestehe kein überwiegendes öffentliches Interesse an der erneuten Veröffentlichung der Fotos nach Abschluss der Fahndung. Somit sei der Schutz der Persönlichkeitsrechte der minderjährigen Verbrechensopfer verletzt worden, so die Meldung weiter.

Fotos auf Facebook rechtfertigen keine Verwendung in der Berichterstattung

Auch die Bild am Sonntag kassierte eine Rüge. Die Zeitung hatte über eine ermordete schwangere Frau berichtet und Fotos aus deren Facebook-Profil verwendet. Darüber hatte sich die Mutter des Opfers beschwert. Auch hier erkannte der Presserat einen Verstoß gegen den Opferschutz (Richtlinie 8.2). Demnach dürfen Fotos und Namen nur veröffentlicht werden, wenn die Angehörigen zugestimmt haben. Allein der Umstand, dass die Fotos auf Facebook verfügbar waren, rechtfertige nicht die Verwendung in der Berichterstattung, so die Meldung weiter.

Mangelnde Trennung von Werbung und Redaktion bei Focus Online

Focus Online wurde in zwei Fällen gerügt. Die Webseite hatte in einem Video über Technik-Sonderangebote eines großen Discounters berichtet und die originalen Werbeanzeigen des Unternehmens eingeblendet. Weil das Video jedoch am “Black Friday” veröffentlicht wurde, an dem zahlreiche Unternehmen mit Sonderangeboten auf sich aufmerksam machen, bewertete der Ausschuss das Präsentieren der Angebote des Discounters als Schleichwerbung im Sinne von Richtlinie 7.2 des Pressekodex.

Ebenfalls die Grenze zur Schleichwerbung überschritten hatte Focus Online mit einem Video, das die Wirkungsweise eines Erkältungsmedikaments darstellte. Durch die werbliche Sprache und Bildgestaltung und die Beschränkung auf das Präparat eines bestimmten Herstellers sei ein Reklameeffekt entstanden, der über das Informationsinteresse der Leser hinausgehe, so der Presserat. Auch hier wurde eine Rüge ausgesprochen.

Schleichwerbung bei der FAS

Auch die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung und ihre Onlineausgabe wurden wegen Schleichwerbung gerügt. Die Zeitung hatte über die Produkte eines Herstellers von Füllfederhaltern berichtet, der Ausschuss wertete die ausführliche und überwiegend positive Besprechung der Fabrikate eines einzigen Herstellers ohne ersichtliche Alleinstellungsmerkmale als Schleichwerbung.

Auch TV Hören und Sehen verstößt gegen Pressekodex

Ebenfalls keine klare Trennung von Inhalt und Werbung sah der Presserat bei der Zeitschrift TV Hören und Sehen. Dort wurde über ein Abnehmpräparat berichtet, aufgemacht war der Bericht als Interview mit dem Hersteller. Durch diese Aufmachung werde jedoch eine neutrale bzw. kritische Berichterstattung suggeriert, so die Einschätzung des Presserates. Die unkritische Darstellung des Produkts und die anpreisenden Formulierungen in dem Beitrag hätten dieses Versprechen aber nicht eingelöst, das Foto des Produktes hätte den werblichen Charakter noch zusätzlich verstärkt, so die Meldung weiter. (COH)