Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten sind berechtigt, nicht-sendungsbezogene Kommentare der Nutzer in Foren auf ihren Unternehmensseiten in den sozialen Medien zu löschen. Das hat das BVerwG in Leipzig entschieden.

MDR-Zentarle in Leipzig, Von Dirk Goldhahn, Gemeinfrei

Der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) veröffentlicht auf seiner Facebook-Seite Beiträge zu ausgewählten Sendungen, die Nutzer kommentieren können. Für die Erstellung von Kommentaren verweist der MDR auf Vorgaben in Form einer sog. Netiquette, die u.a. einen Bezug zu dem Thema der jeweiligen Sendung verlangt.

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hatte im Verfahren über insgesamt 13 Kommentare verhandelt, die der Kläger 2018 auf einer Facebook-Seite des MDR gepostet hatte. Der MDR hatte diese Kommentare gelöscht und unter Verweis auf die Netiquette argumentiert, dass diese nicht themenbezogen waren, also nicht zum Thema des ursprünglich vom MDR redaktionell erstellten Beitrags passten.

Bereits Vorinstanzen stimmten MDR-Auffassung zu

Das Verwaltungsgericht (VG) Leipzig (Az. VG 1 K 1642/18) und das Oberverwaltungsgericht (OVG) Bautzen (Az. OVG 5 A 35/20) hatten dieses Vorgehen in Urteilen zu dem Fall bereits bestätigt. Das VG hatte der auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Löschung gerichteten Klage des Verfassers der Kommentare hinsichtlich eines Kommentars stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Das OVG hatte die gegen die Klageabweisung gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Die Revision hatte beim BVerwG nur hinsichtlich eines weiteren Kommentars Erfolg und wurde ansonsten abgewiesen (BVerwG 6 C 12.20 – Urteil vom 30. November 2022).

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Auf der Grundlage des im Zeitpunkt der Löschung noch geltenden Rundfunkstaatsvertrags bestimmte sich die Zulässigkeit des Telemedienangebots des MDR nach § 11d RStV. Danach unterlagen sendungsbezogene und eigenständige Telemedienangebote unterschiedlich strengen Anforderungen. Foren und Chats ohne Sendungsbezug waren unzulässig. Mit diesen zum Teil in den nunmehr geltenden Medienstaatsvertrag übernommenen Regelungen haben die Landesgesetzgeber den sog. Beihilfekompromiss zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Kommission umgesetzt. Die Kommission hatte im April 2007 ein auf Betreiben privater Medienanbieter eingeleitetes Beihilfeverfahren eingestellt, nachdem sich die Bundesrepublik Deutschland zum Schutz privater Medien sowie der Presse verpflichtet hatte, den gesetzlichen Auftrag des beitragsfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunks für Internetauftritte näher zu präzisieren.

MDR darf Posts ohne Sendungsbezug löschen

Zwar liege, so das BVerwG, in der Löschung der Kommentare des Klägers ein Eingriff in dessen durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Meinungsäußerungsfreiheit. Dieser Eingriff sei jedoch gerechtfertigt. Denn zu den allgemeinen Gesetzen im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG zähle u.a. die das Telemedienangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks betreffenden Regelungen des § 11d RStV. Die Beschränkung des Angebots dieser Rundfunkanstalten auf sendungsbezogene Telemedien sowie das Verbot von Foren und Chats ohne Sendungsbezug und redaktionelle Begleitung erstrecke sich auch auf die Kommentare der Nutzer. Die das verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsprinzip wahrenden Vorschriften verliehen dem MDR zudem die Berechtigung zur Löschung von Posts ohne Sendungsbezug. Hierbei bedürfe es weder einer vorherigen Anhörung noch einer nachträglichen Benachrichtigung.

Die noch im Streit stehenden Kommentare des Klägers hätten überwiegend keinen Bezug zu den Themen der jeweiligen Sendungen des MDR gehabt. Insbesondere der vom Kläger in dem Forum wiederholt geäußerten Kritik an der Löschungspraxis des MDR habe der notwendige Sendungsbezug gefehlt. Zu eng hätten die Vorinstanzen dieses Erfordernis jedoch hinsichtlich eines Kommentars gehandhabt, in dem der Kläger auf einen Beitrag mit dem Titel “Bundesweite Razzia gegen Neonazis” auch den islamistischen Terrorismus in den Blick genommen hatte.

Der MDR darf daher grundsätzlich Kommentare auf seiner Facebook-Seite löschen, die nicht themen- beziehungsweise sendungsbezogen sind. Das BVerwG  entschied zudem, dass der MDR bei der Löschung von Facebook-Kommentaren weder zu einer vorherigen Anhörung noch zu einer nachträglichen Benachrichtigung verpflichtet sei.

Die Entscheidung gilt auch für andere öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten – auch sie sind berechtigt solche Kommentare auf ihren Unternehmensseiten in den sozialen Netzwerken zu löschen.

tsp