Um Kinder und Jugendliche, die inzwischen vermehrt Zeit im Internet verbringen, besser vor Gefahren im Netz zu schützen, hat das Bundesfamilienministerium einen Gesetzentwurf für einen modernen Jugendschutz vorgelegt. Der Bundestag hat ihn jetzt verabschiedet.

Mehr denn je nutzen Kinder und Jugendliche das Internet in Freizeit und Schule. Aber so attraktiv das Chatten, Spielen und Streamen im Netz auch ist, so viele Gefahren birgt es auch. Neben Cyber-Mobbing und sexueller Belästigung, stoßen die Kids auch auf beängstigende Bilder und Videos sowie unerkannte Kostenfallen.

Nachdem das alte Jugendschutzgesetz aus dem Jahr 2002 kaum noch zeitgemäße und oftmals lasche Regelungen enthielt, hat der Deutsche Bundestag nun eine Reform beschlossen, die einen umfassenden Schutz von Kindern und Jugendlichen im Internet vorsieht. Ob das neue Gesetz tatsächlich geeignet ist, den gewünschten Schutz zu vermitteln, wird allerdings schon vor Inkrafttreten der Regelungen diskutiert.

Während im alten Jugendschutzgesetz noch die Rede von gefährlichen Inhalten auf sogenannten Trägermedien wie Videokassetten und Bildschirmspielgeräten die Rede ist, nimmt das neue Gesetz nicht nur neuartige Medien und deren Anbieter in den Blick, sondern liefert auch neue Hilfs- und Beschwerdesysteme für Kinder und Jugendliche sowie Kontrollmöglichkeiten für ihre Eltern.
Ziel ist es, für den digitalen Raum einen genauso umfassenden Jugendschutz zu schaffen, wie er in der analogen existiert.

Schutz, Orientierung und Durchsetzung als neue Zielbestimmungen

Mehr Schutz für Kinder und Jugendliche im Internet – das ist das zentrale Ziel der Gesetzesnovelle. Um dieses zu erreichen, soll künftig nicht nur auf die Abwehr gefährlicher Inhalte gesetzt werden, wie es das alte Gesetz vorsah. Es sollen vielmehr schon präventiv strukturelle Vorsorgemaßnahmen getroffen werden, die sowohl auf Seiten der Jugendlichen und ihrer Eltern wirken, aber auch Anbieter der Internetdienste verpflichten.

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Für Kinder und Jugendliche selbst, wird ein Hilfs- und Beschwerdesystem zur Verfügung gestellt, durch das sie sich im Falle von Bedrohung oder Belästigung schnell und unkompliziert Hilfe suchen können. Ihre Eltern können daneben die Mediennutzung ihrer Kinder durch verschiedene Sperr- und Beschränkungsfunktionen begleiten und steuern.
Auch Anbieter von Internetdiensten müssen gemäß dem neuen Gesetz tätig werden und Voreinstellungen treffen, die potentielle Gefahren und Risiken im Netz verringern. Insbesondere Interaktionsrisiken, die Mobbing, sexuelle Belästigung und Hassrede nach sich ziehen können, sollen so ausgeschaltet werden. Durch die Voreinstellungen soll es Fremden nicht mehr möglich sein, Kinder und Jugendliche im Netz zu finden und anzusprechen. Auch Kostenfallen, die beispielsweise durch sogenannte Lootboxen entstehen, müssen von den Anbietern deaktiviert werden.

Eine bessere Orientierung soll durch einheitliche und klare Alterskennzeichnungen entstehen. Spiele, Filme und Internetportale werden dazu, je nach ihrem Gefährdungspotential, mit gesetzlichen Kennzeichen versehen. Kinder, die dieses Alter noch nicht erreicht haben, können nicht auf die Inhalte zugreifen.
Der Gesetzgeber hofft dadurch insbesondere sogenannte Interaktionsrisiken zu minimieren, die beispielsweise durch Kostenfallen in den glücksspielähnlichen Loot Boxen oder durch Kontaktversuche von Cybermobbern oder Pädosexuellen in Chatsystemen entstehen. Um solche Risiken der ungeschützten Kommunikation oder Suchtförderung ebenfalls erkennbar zu machen, treten neben die Alterskennzeichnungen weitere bewertende Symbole, die auf bestimmte Gefahren hinweisen sollen.

Zur Durchsetzung der neuen Regeln, wurde die “Bundeszentrale für Kinder- und Jugendschutz” ins Leben gerufen. Diese soll in- und ausländische Anbieter in den Blick nehmen und Verstöße gegen das neue Jugendschutzgesetz ahnden. Außerdem sorgt sie für eine bessere Vernetzung aller Akteurinnen und Akteure des Jugendschutzes, um eine Verzahnung des digitalen Schutzes mit dem analogen Jugendschutz zu ermöglichen.  

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Internet bleibt Ländersache

Kritische Stimmen aus der Opposition halten das neue Jugendschutzgesetz allerdings für ungeeignet, einen echten effektiven Schutz zu gewährleisten. Schon die Einführung einer neuen Bundesprüfstelle führe nur zu weiterer Bürokratie und mache die Sache komplizierter als einfacher.

Ein weiterer Kritikpunkt an der Gesetzesnovelle ist ein zu erwartendes Kompetenzgerangel zwischen Bund und Ländern. Denn die Telemedien fallen grundsätzlich in den Zuständigkeitsbereich der Länder und ihrer Behörden. Nun hat der Gesetzgeber mit der “Bundeszentrale für Kinder- und Jugendschutz” aber eine Stelle ins Leben gerufen, die bundesweit agiert. Ob und wie weit diese ihre Kontrollpflichten neben den Ländern überhaupt ausüben kann, ist ungewiss.
Eine Einigung über gemeinschaftliche Regelungen zwischen Bund und Ländern sei notwendig, um einen wirklichen und effektiven Schutz gewährleisten zu können, so Felix Falk vom Verband der deutschen Games-Branche.

Grund zur Sorge bereitet außerdem die Frage, ob der deutsche Gesetzgeber Plattformen wie Facebook und Twitter, die ihren Sitz zwar in Europa, aber nicht in Deutschland haben, überhaupt verpflichten kann. Denn nach dem sogenannten Herkunftslandprinzip, dürfen Unternehmen ihre Produkte, die in einem EU-Land gesetzeskonform auf den Markt gebracht wurden, in jeglichen anderen EU-Ländern vertreiben. Dabei finden Vorschriften der anderen EU-Länder, wie beispielsweise die Vorsorgepflichten aus dem Jugendschutzgesetz, grundsätzlich keine Anwendung auf diese Anbieter.

Trotz aller Kritikpunkte an der Gesetzesnovelle, herrscht grundsätzlich Einigkeit, dass es höchste Zeit für eine Reform des Jugendschutzes ist. Ob das neue Gesetz die Ziele erreichen kann, die es sich gesteckt hat, bleibt abzuwarten.

lpo