Die „Staatsferne der Presse“ ist von überragender Bedeutung, um eine freie und unabhängige Berichterstattung zu ermöglichen. Der BGH musste nun darüber entscheiden, ob eine Webseite, die von einer Stadt betrieben wird und auch Berichte und Informationen über das Geschehen in der Stadt veröffentlicht, diese Institutionsgarantie gefährdet. Im Ergebnis sei dies bei der Seite „dortmund.de“ allerdings nicht der Fall.

Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hat ein Urteil zur Pressefreiheit gefällt. Mit seiner Entscheidung wies das Gericht die Revision des Herausgebers der Ruhr Nachrichten gegen ein vorangegangenes Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm (Urt. v. 10.06.2021, Az. I-4 U 1/20) zurück und bestätigte somit, dass das Internetportal „dortmund.de“ nicht wettbewerbswidrig sei (Urt. v. 14.07.2022, Az. I ZR 97/21).

Medienhaus verklagt Dortmund

Das Medienhaus Lensing, das selbst sowohl Tageszeitungen wie die Ruhr Nachrichten als auch digitale Medien produziert, verklagte die Stadt Dortmund wegen ihrer Webseite. Auf dieser wurden nicht nur amtliche Mitteilungen verkündet, sondern es wurden auch redaktionelle Inhalte veröffentlicht. Nach der über das Internetportal abrufbaren Eigenwerbung soll die Webseite umfassend und aktuell über das Geschehen in der Stadt informieren.

Die Klägerin Lensing war der Auffassung, das Internetportal überschreite die Grenzen der zulässigen kommunalen Öffentlichkeitsarbeit. Dadurch verstoße es gegen das Gebot der Staatsferne der Presse, welches sich aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) ergibt und sei folglich wettbewerbswidrig.

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In erster Instanz vor dem Landgericht Dortmund hatte die Klage zunächst Erfolg (Urt. v. 08.11.2019, Az. 3 O 262/17). Die Richter waren der Ansicht, dass die Beiträge auf „dortmund.de“ die Grenzen einer zulässigen kommunalen Berichterstattung überschreiten würden. Das sahen die Richter des OLG Hamm in der Berufung allerdings anders. Dort wurde das erste Urteil aufgehoben, weil sich bei einer gebotenen wertenden Betrachtung nicht feststellen lasse, dass der Gesamtcharakter des Portals geeignet sei, die Institutsgarantie der freien Presse aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zu gefährden. Dem folgte nun auch der BGH.

Kommunale Selbstverwaltungsgarantie muss berücksichtigt werden

In seinem Urteil bezieht sich der BGH insbesondere auf das Recht der kommunalen Selbstverwaltung aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG. Dieses würde den Umfang und die Grenzen der Staatsferne der Presse mitbestimmen, denn Gemeinden und Städten stehe auch ein gewisses Äußerungs- und Informationsrecht zu. Dieses Recht umfasse allerdings nicht jede redaktionelle oder pressemäßige Veröffentlichung, sondern muss ihrerseits auch wieder die Freiheit der Presse berücksichtigen.

Nach Auffassung des Gerichts muss also stets eine Gesamtbetrachtung vorgenommen werden, wodurch die beiden verschiedenen Garantien des Grundgesetzes gleichermaßen berücksichtigt werden. Dabei sei entscheidend, ob der Gesamtcharakter und nicht einzelne Beiträge des Presseerzeugnisses geeignet ist, die Institutsgarantie aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zu gefährden. Für die Bewertung des Gesamtcharakters von Internetportalen sei im Gegensatz zu Printmedien allerdings nicht das mengenmäßige Verhältnis zwischen im einzelnen zulässigen und unzulässigen Inhalten besonders ausschlaggebend. Laut BGH müsse beurteilt werden, ob das Gesamtangebot der Webseite hauptsächlich von Beiträgen geprägt sei, die das Gebot der Staatsferne der verletzen – und genau das sei bei „dormund.de“ nicht der Fall.

„dortmund.de“ kein einzigartiger Fall

Der nun entschiedene Fall zur Stadt Dortmund ist nicht der erste und auch nicht der letzte zur Problematik, inwieweit sich Gemeinden presseähnlich äußern dürfen. In einem vielbeachteten Urteil hatte der BGH vor wenigen Jahren bezüglich des „Crailsheimer Stadtblatts“ anders entschieden, wodurch die Stadt die Verbreitung des Stadtblattes unterlassen musste (Urt. v. 20.12.2018, Az. I ZR 112/17). In diesem Fall stuften die Richter nach den gleichen Maßstäben die Veröffentlichungen der Stadt Crailsheim in Baden-Württemberg als wettbewerbswidrig ein, weil diese nach ihrem Gesamtgepräge die Staatsferne der Presse gefährdet haben sollen. Weiterhin ist in Karlsruhe aktuell noch ein weiteres ähnliches Verfahren anhängig. Auch das Stadtportal „muenchen.de“ wurde verklagt und die Klage hatte bislang schon in zwei Instanzen Erfolg – das Portal sei schlicht zu presseähnlich. Das Urteil des BGH steht noch aus.

ses