Die „Leitlinien zur Benennung veganer und vegetarischer Lebensmittel mit Ähnlichkeit zu tierischen Produkten“ bleiben weiterhin reformbedürftig. Der Versuch, sie zu überarbeiten, scheiterte an der erforderlichen Mehrheit bei der Abstimmung. Behörden können zurückgestellte Verfahren demnächst erneut aufgreifen – und sich dabei an den bisherigen Leitsätzen von 2018 orientieren.

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Von Tischbeinahe – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0.

Das Angebot veganer und vegetarischer Lebensmittel wächst in Deutschland unermüdlich. Gerade vegetarische und vegane Ersatzprodukte, die von Aussehen, Konsistenz und Geschmack nah an die originalen tierischen Lebensmittel herankommen, erfreuen sich großer Beliebtheit in den Supermarktregalen. Viele Ersatzprodukte orientieren sich auch in der Bezeichnung an tierischen Produkten (vegetarische Schinkenwurst, veganes Hack, Veggie-Schnitzel, etc.).

Die Deutsche Lebensmittelbuch-Kommission (DLMBK) hat deshalb einen Fachausschuss gegründet, um die „Leitsätze für vegane und vegetarische Lebensmittel mit Ähnlichkeit zu Lebensmitteln tierischen Ursprungs“ zu entwickeln. Nachdem die dort entwickelten Leitsätze im Dezember 2018 veröffentlicht wurden, sahen sie sich immer mehr Kritik ausgesetzt. Der Fachausschuss hat daher 2020 die Arbeit erneut aufgenommen, um den Reformbedarf der Leitlinien zu beraten. Der dort entwickelte Änderungsvorschlag erreichte jetzt im Plenum der DLMBK allerdings keine Mehrheit, sodass weiterhin die Leitsätze von 2018 gelten.

Die Leitsätze sind keine verbindlichen Rechtsnormen oder Verwaltungsrichtlinien. Sie entfalten daher eine unmittelbare Wirkung, werden jedoch im Lebensmittelrecht zur Auslegung der entsprechenden Regelungen herangezogen. Sie haben den Anspruch, die allgemein anerkannten Grundsätze des geregelten Gebiets festzuschreiben.

Behörden hatten einige Verfahren zurückgestellt, um die Änderung der Leitlinien abzuwarten. Es ist damit zu rechnen, dass sie diese Verfahren demnächst erneut aufgreifen werden.

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Situation bis Dezember 2018

Mit der zunehmenden Verbreitung von Ersatzprodukten kamen auch vermehrt Fragen und Konflikte rund um die Bezeichnung der vegetarischen und veganen Alternativen auf. Ausschlaggebend für die Einrichtung des Fachausschusses und die anschließenden Beratungen waren so nicht nur die steigende Marktbedeutung, sondern auch eingegangene Anträge aus verschiedenen Interessenskreisen.

Der Fachausschuss erarbeitete daraufhin einen Entwurf der Leitsätze für vegetarische und vegane Ersatzprodukte. Der Text sollte Lebensmittel eindeutig einordnen und Klarheit über verschiedene mögliche Bezeichnungen schaffen. Dazu musste zunächst ein gemeinsamer Konsens der verschiedenen Interessengruppen gefunden werden, wie sich verschiedene Produkte voneinander abgrenzen.

Dazu orientierte sich der Ausschuss unter anderem an den bereits bestehenden Bezeichnungen für Fleischerzeugnisse und Fischerzeugnisse. Er grenzte zwischen den tatsächlichen tierischen Produkten und den Ersatzprodukten über verschiedene Merkmale ab – wie beispielsweise die sensorische Beschaffenheit (Aussehen, Geruch, Geschmack, Konsistenz, Mundgefühl), Haltbarkeit oder der Energie- und Nährstoffgehalt.

Nur wenn die Kriterien eine ausreichende Nähe zu den Originalprodukten gewährleisten, darf der entsprechende Name auch für vegetarische und vegane Produkte geführt werden. Für die verschiedenen Produktgruppen führen die Leitlinien weitergehende Benennungsbeispiele an, an denen sich die Produktbezeichnung zu orientieren hat. Zulässige Bezeichnungen sind demnach „vegetarisches Schnitzel aus Milcheiweiß“, „vegane Tofu-Wurst nach Salami-Art“ oder „vegetarische Soja-Streichwurst mit Leberwurstgeschmack“. Diese Leitsätze hat das Plenum der DLMBK einstimmig verabschiedet und sie galten ab 2018.

Situation ab 2020

Nachdem ein Anbieter veganer und vegetarischer Ersatzprodukte einen Änderungsantrag einreichte und das Präsidium der DLMBK Beratungsbedarf über eine mögliche Reform der Leitsätze sah, nahm der Fachausschuss eine Arbeit Ende 2020 erneut auf. Insbesondere die Kriterien zur Bestimmung der Ähnlichkeit von Original- und Ersatzprodukten wurden kritisiert. Der Fachausschuss begann infolgedessen, die Kriterien zu konkretisieren und mit Hilfe von Sachverständigen wissenschaftlich korrekt zu definieren.

Darüber hinaus präzisierte er unter Hinzuziehung von Sachkundigen die Formulierungen der Leitsätze. Er nahm Basiszutaten vegetarischer und veganer Produkte in die Leitsätze auf und unterzog die Bezeichnungen verschiedener Lebensmittel einer erneuten Prüfung. Darüber hinaus wurden Ausführungen zur sensorischen Ähnlichkeit und der Herstellung der Produkte erweitert.

Den vorgelegten Leitsatzentwurf nahm der Fachausschuss mehrheitlich, jedoch mit einer Gegenstimme, an und verwies ihn sodann an das Präsidium der DLMBK. Daraufhin musste das Plenum der DLMBK über den aufgestellten Leitsatzentwurf beraten und abschließend entscheiden. Nachdem im ersten Wahlgang die erforderliche Einstimmigkeit nicht erreicht wurde, legten die ablehnenden Mitglieder einen Kompromissvorschlag vor. Der Leitsatzentwurf wurde daraufhin leicht abgeändert erneut zur Abstimmung gestellt, erreichte jedoch erneut nicht die erforderliche Mehrheit. Es gab eine Gegenstimme und sieben Enthaltung.

Nach der Geschäftsordnung der DLMBK können die Leitsätze erst wieder innerhalb der nächsten Berufungsperiode erneut bearbeitet werden – vielleicht klappt es ja dann mit dem Konsens. Die Leitsätze aus Dezember 2018 sind bis dahin weiterhin in Kraft und bilden damit weiterhin die Auslegungshilfe für Bezeichnungen vegetarischer und veganer Ersatzprodukte. Es ist damit zu rechnen, dass Behörden zurückgestellte Verfahren demnächst erneut aufgreifen werden.

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