Wissen Sie, wie oft Ihre Kinder im Internet unterwegs sind? Wissen Sie, was sie dort treiben? Wissen Sie, was die (rechtlichen) Folgen eines von Ihnen als unbedenklich angesehenen Handelns ihres Nachwuchses sein können?

Das Netz ist kein “rechtsfreier Raum“, in dem die Gesetze der normalen Welt nicht gelten. Diese Serie soll Eltern daher auf verschiedene problembehaftete Fallkreise aufmerksam machen.

© Birgit Reitz-Hofmann - Fotolia
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Abofallen – Was ist zu tun?

Unabhängig von der Frage, ob überhaupt ein Vertrag geschlossen wurde (was oftmals verneinen ist), stehen Ihnen und Ihrem Kind verschiedene erfolgsversprechende Rechtsbehelfe zur Verfügung (siehe Teil 3 unserer Serie). Im Zweifel sollten Sie sodann auch von allen Rechten Gebrauch machen. Dabei ist es ratsam, die entsprechenden Erklärungen sowohl im Namen des Kindes als auch im eigenen Namen zu verfassen.

Ferner ist bei der Ausübung aller Rechte auf die Beweissicherung zu achten. Die Erklärungen (Widerruf, Anfechtung) sollten in Schriftform (also mit eigenhändiger Unterschrift versehen) verfasst und als Einschreiben mit Rückschein (oder zumindest als Einwurfeinschreiben) an den Seitenbetreiber verschickt werden. Dessen Anschrift sollte sich – so schreibt es zumindest geltendes Recht (§ 5 Abs. 1 TMG) vor – auf der Internetseite unter Bezeichnungen wie „Impressum“ oder „Kontakt“ finden lassen. Freilich bedienen sich viele Seitenbetreiber oftmals einer Briefkastenfirma, unter deren Adresse persönlich niemand anzutreffen sein wird. Zugestellte Schreiben sind dennoch rechtswirksam. Sollten sich gar keine Adressangaben finden lassen, stellt dies einen zu ahnenden Wettbewerbsverstoß dar (dazu unten mehr); eventuell ist die Adresse jedoch auf den Rechnungsschreiben zu finden.

Weiterhin sind die oben genannten Fristen – grundsätzlich zwei Wochen für den Widerruf, höchstens zwei Wochen für die Anfechtungserklärung – zu wahren. Diese “Formalia“ können, sollte es zum Prozess kommen, über Erfolg und Misserfolg des Verfahrens entscheiden. Im Zweifel wird die Gegenseite nämlich, sollten Sie nur eine E-Mail oder einen einfachen Brief versandt haben, behaupten, die E-Mail sei niemals angekommen. Ist die Wahrung der Frist allerdings nur noch per E-Mail möglich, sollten sie zumindest den Absendevorgang nach Möglichkeit dokumentieren (etwa per Screenshot oder Screencast).

Ferner sollten, sobald die Abzocke aufgefallen ist, schnellstmöglich Screenshots von der Abofallen-Seite erstellt werden. Diese können insbesondere auch für die Beurteilung der straf- und wettbewerbsrechtlichen Fragen hilfreich sein. Kommt es tatsächlich zum Prozess, trifft die Beweislast für die im Raum stehenden Kostenforderungen nach den Grundsätzen des Zivilprozessrechts allerdings ohnehin die Seitenbetreiber, da es sich um für diese vorteilhafte Rechtspositionen handelt. Deren Beweislage ist in den meisten Fällen jedoch relativ dünn.

Durch die mittlerweile wohl herrschende Einschätzung der Gerichte, dass das Abofallen-Modell auch den Betrugstatbestand des Strafgesetzbuchs erfüllen kann (vergleiche oben), ist es zudem ratsam, gegen den Seitenbetreiber Strafanzeige zu erstatten bzw. Strafantrag zu stellen. Da die Seiten regelmäßig auch wettbewerbsrechtlich relevante Verstöße beinhalten, können Sie sich auch an eine der zahlreichen Verbraucherverbände wenden, um eine Abmahnung des Seitenbetreibers zu erreichen. Oftmals strengen die Verbraucherzentralen auch eigene Prozesse gegen die Abofallen-Abzocker an.

In einschlägigen Internet-Diskussionsforen oder im Gespräch mit juristischen Laien lässt sich unterdessen recht häufig die Ansicht finden, dass “einfach nichts tun“ die beste Lösung sei, um sich gegen die Internet-Betrüger zu wehren. Doch Vorsicht: “Gar nichts tun“ ist nicht mit “nicht zahlen“ gleichzusetzen. Sie sollten immer die Ihnen zustehenden Rechte ausüben; gutgläubig Rechnungen bezahlen, ohne die Grundlage der Kostenforderung zu hinterfragen, sollten Sie jedoch nicht. Zwar ist auch nach Zahlung des fälligen Betrages nicht Hopfen und Malz verloren, da Sie Ihre Rechte immer noch ausüben können, das einmal gezahlte Geld aber wiederzuerlangen, ist in der Regel mit wesentlich mehr Mühen verbunden, als sich von Anfang an entschieden gegen die Seitenbetreiber zu wehren.

Manchmal muss ein Anwalt helfen

Je höher die Kostenforderungen der Gegenseite sind oder werden, je komplizierter der Fall ist, je weiter er in der Vergangenheit er liegt, desto ratsamer ist es wohl auch, qualifizierten Rechtsbeirat in Form eines spezialisierten Anwaltes aufzusuchen. Je nach Sachverhalt sollten nämlich auch die strafrechtlichen und wettbewerbsrechtlichen Aspekte des Falls geprüft werden, dessen rechtliche Würdigung sich für einen Laien wohl als wesentlich schwieriger gestalten dürfte als die – je nach Fall – vielleicht einfach zu beurteilenden vertragsrechtlichen Aspekte. Die dabei entstehenden Rechtsanwaltskosten können sie sich oftmals von den Seitenbetreibern zurückholen.

In einem aktuellen Urteil hat das AG Mainz (Urteil vom 3. März 2011, Az. 89 C 284/10) etwa einen

„Anspruch auf Ersatz der vorprozessualen Rechtsanwaltskosten zur Abwehr der von der Beklagten gegen den Kläger geltend gemachten Forderung“

bejaht. Auch hier bejahte das Gericht einen strafbaren (versuchten) Betrug. Der Kläger– zweifelsohne Opfer einer Abofalle – sagte im zugrundeliegenden Fall aus,

„ihm sei bei Anmeldung auf der Seite der Beklagten zu keiner Zeit bewusst gewesen, ein kostenpflichtiges Angebot der Beklagten in Anspruch zu nehmen. Vielmehr sei er davon ausgegangen, sich das bekanntermaßen kostenlose Virenschutzprogramm herunterzuladen. Dieser Irrtum sei von der Beklagten durch die Gestaltung der Internetseite auch absichtlich hervorgerufen worden. Es handele sich um eine konkludente Täuschung der Beklagten, da der Hinweis auf die Kostenpflicht des Abonnements derart versteckt sei, dass er von den meisten Nutzern übersehen werde. Hierauf lege es die Beklagte auch an. Durch diesen versuchten Betrug sei dem Kläger auch ein Schaden in Form von Rechtsanwaltskosten entstanden, welche durch die Abwehr der unberechtigten Forderung der Beklagten entstanden seien“.

Das Gericht bestärkte die Rechtsansicht des Klägers und stimmte ihr in der Urteilsbegründung vollumfänglich zu.

Internetangebote sorgfältig prüfen

In pädagogischer Hinsicht sollten Sie vor allem auf eine detaillierte und regelmäßige Aufklärung Ihres Nachwuchses setzen. Zunächst ist deren Bewusstsein für das generelle Problem zu schärfen: Auch wenn eine Webseite den Eindruck vermittelt, die auf ihr angebotenen Informationen seien kostenlos verfügbar, sollte doch spätestens dann einem Anbieter misstraut werden, wenn er für diese “kostenlosen“ Leistungen eine Anmeldung unter Angabe sämtlicher persönlicher Daten verlangt. Auch die AGB, die bei Anmeldung bzw. Vertragsabschluss akzeptiert werden, sollten an sich vollständig durchgelesen, zumindest aber überflogen und auf die wichtigsten Punkte und häufige verbraucherunfreundliche bzw. rechtwidrige Klauseln (z.B. die klassischen 96 Euro) – auch mittels Browser-Suchfunktion (STRG+F) – durchsucht werden.

Ebenso sollte die Angebotsseite selbst kritisch begutachtet werden; oftmals lassen sich Hinweise auf die Kostenpflichtigkeit ganz unten auf der Seite im “Kleingedruckten“ finden. Mittlerweile existieren auch verschiedene anerkannte Gütesiegel (etwa Trusted Shops, TÜV Süd), die die Service-Qualität und Rechtssicherheit von Webshops anzeigen. Diese werden von den Shopbetreibern meist an exponierter Stelle ausgewiesen. Um weitere Komplikationen mit Mahnschreiben, Inkassofirmen oder gar einem Prozess zu vermeiden, sollten Sie Ihre Kinder zudem regelmäßig das Problem Abofalle von sich aus ansprechen, um von der Gegenseite gesetzte oder für die Ausübung der eigenen Rechte vom Gesetz festgelegte Fristen nicht zu versäumen.

Ausblick

Von der Politik wurde zur Bekämpfung von Internet-Abofallen die sogenannte “Button-Lösung“ ins Gespräch gebracht. Shopbetreiber sollten nach einem entsprechenden Gesetzesentwurf der Bundesregierung dazu verpflichtet werden, die generelle Kostenpflichtigkeit sowie die konkreten Preise ihrer Angebote in Form eines Buttons (also einer grafisch besonders gestalten Schaltfläche auf der Internetseite) deutlich zu gestalten und auszuweisen. Ein Vertrag mit dem Seitenbetreiber kann sodann erst zustande kommen, wenn der Nutzer den Button anklickt oder eine ähnliche Zustimmungserklärung abgibt. Von Rechtswissenschaft und Praxis wurde diese “Button-Lösung“ jedoch großenteils abgelehnt, da durch dieses Gesetz bisher rechtstreue Shopbetreiber nur zusätzlich belastet, ohnehin gewiefte Abzocker aber ohnehin auf die Umsetzung der Vorgaben verzichten bzw. diese umgehen würden. Ein nahes Ende der Abofallen-Masche ist indes nicht in Sicht.

Lesen Sie hier weitere Teile der Serie.