Der sechste und letzte Teil unserer Serie zu Google Glass beschäftigt sich mit den neuen Möglichkeiten, die Glass im Bereich der App-Entwicklung bietet und den strengen Richtlinien, die Google den App-Entwicklern auferlegt.

Apps für Google Glass

Seitdem Google seine Datenbrille der Öffentlichkeit vorgestellt hat, beschäftigen sich Software-Entwickler mit der Programmierung von Apps für Google Glass. Die neuen technologischen Möglichkeiten, die Glass bietet, versetzen App-Entwickler regelrecht in eine Goldgräberstimmung.

Die ersten Apps für Glass hat Google auf der hauseigenen Entwicklerkonferenz Google I/O bereits vorgestellt. Zum Marktstart im Jahre 2014 sollen mehrere hundert Apps zum Download zur Verfügung stehen. Dazu gehören neben der New York Times- App und der Social-App Path auch bereits bekannte Anwendungen wie Facebook, Gmail, Twitter, Tumbler, CNN und Elle, die die Funktionen der Datenbrille erweitern sollen. Diesen teilweise bereits von Smartphones bekannten Apps wird mit Glass neues Leben eingehaucht. So bekommt man bei den neuen Apps von Facebook und Twitter Benachrichtigungen von ausgewählten Freunden im Display angezeigt, die dann mit Botschaften und Fotos beantwortet werden können, ohne dafür die Hände benutzen zu müssen. Die Apps der New York Times und CNN lassen den Glass-Anwendern Eilmeldungen zu ausgewählten Themenbereichen und kleine Videos oder kurze Bildergalerien ins Blickfeld einblenden, die wiederum ohne eine Handbedienung gelesen werden können.

Während diese Apps nur leichte Modifikationen der Smartphone-Apps darstellen, können die Notiz-App von Evernote und die Personenerkennungs-App Insight als wahre Neuerungen bezeichnet werden. Denn mit der Notiz-App könnte man beispielsweise eine Einkaufsliste am Computer vorbereiten und an Glass schicken, die man sich dann im Supermarkt einblenden lässt. Ebenfalls eine Besonderheit stellt die Personenerkennungs-App Insight dar, die dazu dient, Personen in großen Menschenmengen zu identifizieren und diese so schneller zu finden. Dabei wird nicht die viel kritisierte Gesichtserkennung genutzt, sondern es erfolgt eine Orientierung an Farben und Mustern von Kleidung. Dazu muss der Gesuchte dem Glass-Träger zuvor Bilder seiner Kleidung schicken. Dies hat zwar den Nachteil, dass die Anwendung etwas aufwendig ist und nur so lange funktioniert, wie der Gesuchte die gleiche Kleidung trägt, hat andererseits aber den Vorteil, dass niemand befürchten muss, unbemerkt verfolgt werden zu können.

Diese Apps stehen dem Nutzer dann nach ersten offiziellen Angaben des Unternehmens Google in einem eigenen Glass-App-Store zur Verfügung.  Unklar ist jedoch bisher noch, ob der App-Store ein Teil von Google Play sein wird oder als eigenständige Plattform ausgebildet wird. Für die erste Alternative spricht jedoch ein Screenshot des Google Play Stores nach dem Redesign, der vor einigen Monaten im Internet veröffentlicht wurde.

Die strengen Regeln der App-Entwicklung

Die Entwicklung der neuen Apps für Glass gestaltet sich ebenso spannend wie schwierig. Denn Google unterwirft externe Glass-App-Entwickler mit seinen Richtlinien strengen Regeln. Auf diese Weise sollen Sicherheit und Privatsphäre als oberste Prioritäten des Unternehmens Google sichergestellt werden können.  Dazu müssen Entwickler sowohl den API-Vorschriften  als auch den allgemeinen Entwicklerrichtlinien  des Unternehmens Google zustimmen.

Im Wesentlichen unterscheiden sich die Entwicklerrichtlinien von denen zum offenen Android-System in den Regulierungen zu Nutzerdaten und Werbung. Hinsichtlich der Nutzerdaten gibt Google vor, dass die unbefugte Sammlung von Daten der Nutzer zu Werbezwecken ebenso verboten ist wie deren Weitergabe an Dritte. Darüber hinaus werden Apps mit sexuell expliziten Inhalten für Glass ebenso verbannt wie solche mit grundloser Gewalt, Hassreden und Glücksspiel.   Auch die Programmierung von Apps zur Gesichtserkennung oder die Entwicklung von Apps, die Bildaufnahmen mit ausgeschaltetem Display machen können, sind verboten, um sicherzustellen, dass Personen im Umfeld von Glass Trägern den Aufnahmemodus immer erkennen können.

Hinsichtlich der APIs fällt besonders auf, dass Google den Verkauf von Werbeplätzen in Apps an Dritte ebenso untersagt wie die Weitergabe der Nutzerdaten zu Werbezwecken. Während die einen die Werbefreiheit als klugen Schachzug loben, vermuten Kritiker dahinter eher eigene Interessen des Unternehmens Google, da dieses 95 Prozent seiner Umsätze aus der Werbung generiere.  Darüber hinaus verpflichten sich die Entwickler, Apps nicht kommerziell zu vertreiben und diese nicht über andere Wege zu veröffentlichen.

Diese sehr strengen Regelungen sind angesichts der Tatsache, dass es sich bei Glass um ein Produkt handelt, das so auf dem Markt noch nicht existiert, sehr sinnvoll, da auf diese Weise sichergestellt werden kann, dass vorerst so wenig Gefahren wie möglich von Glass ausgehen. Da die Technologie jedoch einem ständigen Entwicklungsprozess unterliegt und Google in ständiger Interaktion mit der Öffentlichkeit und den Kritiken steht, ist nach dem Marktstart und einer gewissen Anlaufzeit eine Lockerung der Vorgaben zu erwarten.

Zusammenfassung und Ausblick

Google hat mit Glass in jedem Falle eine neue Debatte um Persönlichkeitsrechtsschutz und Datenschutz ausgelöst, denn auch für Glass gilt: Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht gilt unabhängig von irgendeiner Technik. Aus diesem Grund ist die neueste technische Errungenschaft für unser Rechtssystem im Großen und Ganzen auch keine Herausforderung. So können zahlreiche bestehende Regelungen und die Rechtsprechung zu sozialen Netzwerken und Smartphones auf Glass übertragen werden.

Dennoch gehen Kritiker mit Glass ziemlich hart ins Gericht: Forderungen nach „Digitaler Selbstverteidigung“ in Form von Regulierungen gepaart mit Störsendern, die Belichtungssensoren von Digitalkameras blockieren und Mikrofone verrauschen werden vereinzelt laut.  Doch diese Forderungen sind nicht neu: Denkt man beispielsweise an die ersten Mobiltelefone mit Kamerafunktion, so gab es die gleiche Debatte schon einmal. Damals kam es in den USA sogar zu einem Gesetzesvorschlag, wonach Fotohandys immer ein vernehmbares Tonsignal von sich geben sollten, bevor die Aufnahme gemacht wird. Durchgesetzt hat sich dieser Vorschlag nicht- im Gegenteil: Die Fotofunktion der Mobiltelefone ist aus dem Alltag der Menschen nicht mehr wegzudenken. Gedanken über rechtliche Fragestellungen wie den Schutz der Privatsphäre machen sich nur noch wenige.

Auf der Suche nach der Ursache für eine solche Entwicklung wird man eingestehen müssen, dass die Gesellschaft letztlich die technische Entwicklung mit der Zeit akzeptiert und ihre eigenen Normen aufstellt. Auch wenn die gesellschaftlichen Konventionen der technischen Entwicklung immer einen Schritt hinterher sind, gibt es mittlerweile gesellschaftliche Übereinkünfte, die Privatsphäre anderer zu respektieren, an die sich auch viele halten. Ob auch Glass eine solche Entwicklung durchmachen wird, wird die Zeit zeigen. Dass die Aufnahme mit einem Augenzwinkern die Zukunft der Brille ist, ist wohl nicht von der Hand zu weisen.

Weitere Teile unserer Serie finden Sie hier: Serie Google Glass