Zum Thema Urteil zur Tauschbörsennutzung hat das Landgericht Düsseldorf am 06.07.2011 die unten veröffentlichte Entscheidung getroffen. Wenn Sie rechtliche Fragen zum Thema haben oder einen Rechtsanwalt benötigen, rufen Sie uns an 0221 / 951 563 0 (Beratung bundesweit).

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Konkret hat das Landgericht Düsseldorf folgendes entschieden:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu 1) 300,00 EUR, an die Klägerin zu 2) 600,00 EUR, an die Klägerin zu 3) 600,00 EUR, an die Klägerin zu 4) 1.500,00 EUR sowie an die Klägerinnen zu 1) – 4) 2380,80 EUR, jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.07.2010, zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

T a t b e s t a n d:

Mit der vorliegenden Klage begehren die Klägerinnen von dem Beklagten die Erstattung von Abmahnkosten sowie Schadensersatz wegen des unberechtigten Zugänglichmachens verschiedener Musiktitel.

Die Klägerinnen gehören zu den führenden deutschen Tonträgerherstellern und sind als solche Inhaberinnen ausschließlicher Verwertungsrechte an zahlreichen Musikaufnahmen nationaler und internationaler Künstler.

Die Klägerinnen lassen regelmäßig umfangreiche Ermittlungen auf Leistungsschutzrechtsverletzungen durch unautorisierte Internetangebote durchführen. Ein entsprechender Dienstleister ist die A Gesellschaft zum Schutz geistigen Eigentums mbH A. Die A ermittelte im Auftrag der Klägerinnen hinsichtlich des unautorisierten Verwertens von Tonaufnahmen auch in diesem Fall.

Die Klägerinnen sind Inhaberinnen der ausschließlichen Nutzungsrechte sowohl der ausübenden Künstler als auch der Tonträgerhersteller an ca. 80 % der in Anlage K 2 aufgeführten Audio-Dateien, die zum Download verfügbar gemacht wurden und an den 200 streitgegenständlichen Audio-Dateien.

Nach Protokollierung der einzelnen Ermittlungsschritte wurde seitens der Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen mit Datum vom 16.05.2006 Strafantrag gegen Unbekannt bei der Staatsanwaltschaft B gestellt.

Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft B ergaben, dass die im Strafantrag genannte IP-Adresse C zum Tatzeitpunkt am 11.05.2006 um 18:11:42 Uhr dem Internetanschluss des Beklagten zugeordnet war.

Im Wege der Akteneinsicht erhielten die Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen Kenntnis von der Person und der Anschrift des Beklagten. Mit Schreiben vom 12.12.2006 forderten die Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen den Beklagten namens und in Vollmacht der Klägerinnen zur Unterlassung der rechtsverletzenden Handlungen sowie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und zur Zahlung von Schadensersatz auf. Mit Schreiben vom 07.10.2009 gab der Beklagte die geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung ab. Mit Schreiben vom 12.10.2009 nahmen die Klägerinnen diese Unterlassungserklärung an.

Die Klägerinnen haben am 30.12.2009 einen Mahnbescheid gegen den Beklagten bei dem Amtsgericht E beantragt, der am 05.01.2010 erlassen und dem Beklagten am 11.01.2010 zugestellt wurde. Am 12.01.2010 hat der Beklagte Widerspruch eingelegt. Am 12.01.2010 wurden die Kosten für das streitige Verfahren angefordert. Am 16.06.2010 ist die vollständige Zahlung erfolgt. Am 01.07.2010 sind die Akten bei Gericht eingegangen.

Die Klägerinnen behaupten, am 11.05.2006 seien um 18:11:42 Uhr unter der IP-Adresse C mittels einer Filesharing-Software, die auf dem Gnutella-Protokoll basiert, 1301 Audio-Dateien zum Download verfügbar gemacht worden.

Die Klägerinnen beantragen,

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, er habe die ihm vorgeworfenen Verstöße der unerlaubten Verwertung von geschützten Tonaufnahmen im Internet nicht begangen. Zum Tatzeitpunkt am 11.05.2006 sei er auf dem Zentralverbandstag von Haus und Grund Deutschland in Halle gewesen. Es könnten lediglich seine zwei Söhne (zum Tatzeitpunkt 14 und 16 Jahre alt) die Rechtsverletzungen begangen haben. Diese habe er von Anfang an über das Verbot von Urheberrechtsverletzungen im Internet, insbesondere über das Verbot der Nutzung von Filesharing-Systemen, aufgeklärt. Er habe auch davon ausgehen können, dass seine Söhne diese Instruktionen beachten würden, da er und seine Ehefrau das Computerverhalten ihrer Söhne laufend überwacht haben und bei Nichtbeachtung der zeitlichen Vorgaben ein Computerverbot ausgesprochen worden und eine Internetnutzung durch Entfernen des Netzwerkkabels verhindert worden sei.

Hinsichtlich der näheren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die wechselseitig zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Den Klägerinnen steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von insgesamt 3000,00 EUR, wovon 300,00 EUR auf die Klägerin zu 1), 600,00 EUR auf die Klägerin zu 2), 600,00 EUR auf die Klägerin zu 3) und 1.500,00 EUR auf die Klägerin zu 4) entfallen, gemäß § 832 BGB sowie hinsichtlich der Abmahnkosten auf Zahlung von 2.380,80 EUR gemäß §§ 683, 677, 670 BGB zu.

Das Landgericht Düsseldorf ist gemäß § 32 ZPO örtlich zuständig. Die Verletzungshandlung – das Downloadangebot der streitgegenständlichen Musikaufnahmen – erfolgte über das Internet und somit auch im Zuständigkeitsbereich des Landgerichts Düsseldorf.

Die Klägerinnen sind Inhaberinnen der ausschließlichen Verwertungsrechte an den streitgegenständlichen Musikaufnahmen im Sinne der §§ 16, 17, 19a UrhG.

Diese Rechte, insbesondere aus § 19a UrhG, sind widerrechtlich verletzt worden, indem die streitgegenständlichen Musikaufnahmen am 11.05.2006 um 18:11:42 Uhr mittels einer Filesharing-Software von dem Anschluss des Beklagten mit der IP-Adresse C. zum Herunterladen verfügbar gemacht wurden, ohne dass dazu eine Rechteeinräumung durch die Klägerinnen vorlag.

Der Beklagte hat zwar nach seinem Vortrag die streitgegenständlichen Musikaufnahmen nicht selbst zum Download angeboten. Vielmehr hat einer seiner Söhne, zum Tatzeitpunkt 14 und 16 Jahre alt, die Musikaufnahmen angeboten. Der Beklagte haftet hier dennoch nach § 832 BGB. Dabei ist davon auszugehen, dass sich bei Kindern das Maß der gebotenen Aufsicht nach Alter, Eigenart und Charakter, aber auch nach der Voraussehbarkeit schädigenden Verhaltens richtet (vgl. Palandt, BGB, 70. Auflage 2011, § 832 Rn. 8 mwN). Insbesondere in Situationen mit erhöhtem Gefährdungspotential besteht eine gesteigerte Aufsichtspflicht (vgl. Palandt, aaO). Der darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat vorliegend nicht ausreichend dargelegt, dass er diesen Aufsichtspflichten nachgekommen ist. Vielmehr zeigen die Darlegungen des Beklagten gerade, dass er keine hinreichenden Maßnahmen getroffen hat, um die Rechtsverletzungen seiner Söhne zu verhindern. So hatten diese die Möglichkeit, entsprechende Downloadportale in großem Umfang zu nutzen. Soweit der Beklagte vorträgt, seine Söhne seien darauf hingewiesen worden, welche Risiken beim Handeln im Internet bestehen, insbesondere in Bezug auf sog. Tauschbörsen, überzeugt dies schon deshalb nicht, weil nicht erkennbar ist, in welcher Weise und in welchem Umfang diese Belehrungen erfolgten und ob diese erfolgreich waren. Das Aussprechen eines Computerverbotes bei Überschreitung der zeitlichen Vorgaben im Hinblick auf Online-Rollenspiele erscheint nicht geeignet, die streitgegenständliche Nutzung von Filesharing-Portalen zu verhindern. Die Söhne des Beklagten haben in erheblichem Umfang Musikdateien angeboten. Es sind insgesamt 1301 Verstöße festgestellt worden. Dies muss über einen längeren Zeitraum geschehen sein. Es war dem Beklagten zuzumuten und auch im Rahmen seiner bestehenden Aufsichtspflicht erforderlich, dass er kontrolliert, ob entsprechende Filesharing-Programme auf dem genutzten Computer oder den Computern installiert sind und auf welche Weise das Internet durch seine Söhne genutzt wird. Dies hat der Beklagte unterlassen. Damit ist er seiner nach § 832 BGB bestehenden Aufsichtspflicht nicht in ausreichendem Maße nachgekommen (vgl. insoweit auch LG Köln, Urt. v. 22.12.2010, Az: 28 O 585/10).

Die Höhe des Schadensersatzes von insgesamt 3.000,00 EUR ist angemessen. Vorliegend haben die Klägerinnen ihren Schaden auf der Grundlage der Lizenzanalogie berechnet und die Zahlung einer angemessenen Lizenzgebühr verlangt. Danach hat der Verletzer dasjenige zu zahlen, was vernünftige Parteien bei Abschluss eines fiktiven Lizenzvertrages in Kenntnis der wahren Rechtslage und der Umstände des konkreten Einzelfalls als angemessene Lizenzgebühr vereinbart hätten. Vor diesem Hintergrund erscheint vorliegend eine Lizenzgebühr in Höhe von 300,00 EUR pro Musiktitel, mithin insgesamt 3.000,00 EUR, angemessen. Der von den Klägerinnen herangezogene GEMA-Tarif VR-W I, der für bis zu 10.000 Streams eine Mindestvergütung von 100,00 EUR vorsieht, erscheint der Kammer als Ausgangspunkt für die Schätzung geeignet. Denn zum einen ist die Anzahl der Downloads weder bekannt, noch sind die Filesharing-Programme auf eine Erfassung der Anzahl der Downloads angelegt. Zudem würde der Umstand, dass sich die Abrufe zahlenmäßig im unteren Bereich halten, nicht zur Untauglichkeit des Tarifs als Schätzungsgrundlage führen, da der Verletzer das Risiko der wirtschaftlichen Verwertung einer Pauschallizenz trägt (vgl. Dreier/Schulze, 3. Aufl. 2008, § 97 UrhG Rn. 62). Da Streams im Gegensatz zu den von dem Anschluss des Beklagten ermöglichten Downloads nicht auf eine dauerhafte Speicherung ausgerichtet sind, ist zunächst ein Aufschlag von 50 % gerechtfertigt. Die unkontrollierbare Zahl möglicher Tauschbörsenteilnehmer und Downloads und der Umstand, dass die Ermöglichung eines Downloads in einem Filesharing-Netzwerk mittelbar zu einer Vervielfachung der Verbreitung führt, da die Filesharing-Programme in ihren Grundeinstellungen vorsehen, dass eine heruntergeladene Datei ihrerseits wieder zum Abruf bereitgehalten wird, lässt eine Verdoppelung dieses Betrages auf den Betrag von 300,00 EUR als angemessen erscheinen.

Zudem steht den Klägerinnen gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gemäß §§ 670, 677, 683 BGB zu, jedoch lediglich in Höhe von 2.380,80 EUR. Die Abmahnung war aufgrund der vorstehenden Erwägungen berechtigt. Die Einschaltung eines Rechtsanwaltes war grundsätzlich erforderlich im Sinne von § 670 BGB. Der Höhe nach steht den Klägerinnen neben der Auslagenpauschale in Höhe von 20,00 EUR jedoch nur eine 1,3 Gebühr nach VV 2300 zum RVG zu. Die Berechnung eines Gegenstandswertes von 50.000,00 EUR für jede der vier Klägerinnen, mithin insgesamt 200.000,00 EUR, ist der Höhe nach nicht zu beanstanden. Die Abmahnung diente dem Ziel, ein weiteres Anbieten von zugunsten der jeweiligen Klägerin geschützten Musikaufnahmen im Internet zum Download zu verhindern. Dieses Interesse ist als erheblich anzusehen, da bei einer Fortsetzung der Teilnahme an der Tauschbörse ein erneutes Einstellen von Titeln in nicht vorhersehbarer Anzahl drohte. Dieses Interesse war noch dadurch gesteigert, dass von dem Internetanschluss des Beklagten bereits in ganz erheblichem Umfang Rechtsverletzungen vorgenommen worden waren. So sind am 11.05.2006 insgesamt 1301 Audio-Dateien zum Download angeboten worden. Entgegen der Auffassung der Klägerinnen steht ihnen die Gebühr gemäß VV 2300 zum RVG nicht in einer den Satz von 1,3 übersteigenden Höhe zu, weil die Tätigkeit im Abmahnverfahren weder schwierig noch umfangreich war. Es ist davon auszugehen, dass die Erarbeitung der Abmahnung für ihre auf die Materie spezialisierten Rechtsanwälte keinen überdurchschnittlichen Aufwand erfordert hat. Insbesondere brachte es auch keinen Mehraufwand mit sich, die Abmahnung statt nur für einen Mandanten für die vier Klägerinnen auszusprechen (vgl. insoweit auch OLG Köln, Urt. v. 23.12.2009, D). Zudem erscheint die Ansetzung einer 1,6 Gebühr unbillig. Unbilligkeit ist nach Auffassung der Kammer anzunehmen, wenn eine Abweichung von mehr als 20 % über dem Mittelwert, einer 1,3 Gebühr, vorliegt. Dies ist vorliegend der Fall.

Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerinnen mit ihrem Prozessvertreter eine Honorarvereinbarung getroffen haben, sind nicht ersichtlich. Allein eine die Gebühren des RVG unterschreitende Honorarvereinbarung würde sich im Ergebnis auswirken. Eine solche Vereinbarung wäre außerhalb des § 4a RVG nichtig. Unabhängig davon sind die Gebühren in der tenorierten Höhe bei den Klägerinnen entstanden. Denn selbst die Nichtigkeit der auf ein unzulässiges Erfolgshonorar gerichteten Vereinbarung führt nicht zur Gesamtnichtigkeit des Anwaltsvertrages (vgl. LG Köln, Urt. v. 27.01.2010, Az.: E mwN).

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288, 291 BGB. Rechtshängigkeit trat gemäß § 696 ZPO mit Eingang der Akten am 01.07.2010 ein. § 696 Abs. 3 ZPO greift nicht ein, da die Sache nicht alsbald nach Widerspruchseinlegung abgegeben wurde. Der Widerspruch wurde am 12.01.2010 eingelegt. Am selben Tag wurden die Kosten für das streitige Verfahren angefordert. Die vollständige Zahlung der Kosten für das streitige Verfahren erfolgte jedoch erst am 16.06.2010.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1, S. 2 ZPO.

S t r e i t w e r t: 5.925,60 EUR