Das AG Bocholt hat einen Antrag der Staatsanwaltschaft zurückgewiesen. In dem Fall konnte weder bewiesen werden, dass es sich auf den belastenden Fotos um eine Jugendliche handelt, noch dass der Beschuldigte Mann bewusst im Besitz der Bilder war. Diese waren offensichtlich lediglich im Cache zwischengespeichert. Bei einer Speicherung nur im sog. Cache ist jedoch bereits der Besitz zweifelhaft. Ein lesenswerter Beschluss des AG Bocholt.

Fotolia.de © SZ-Designs

In einem aktuellen Fall setzte sich das Amtsgericht (AG) Bocholt mit zwei immer wieder diskutierten brisanten Rechtsfragen auseinander, die insbesondere im Zusammenhang mit dem Vorwurf des Besitzes von Jugend- und Kinderpornografie höchste Relevanz genießen.  Einerseits ging es um die beinahe grundlegende Frage, wann ein Foto überhaupt jugendpornografisch ist. Andererseits beantwortete das Gericht, übrigens höchst lesenswert, die Frage, ob bereits gespeicherte Dateien im sogenannten Cache, also dem Zwischenspeicher des Computers, den Tatbestand des „Besitzes“ von Kinderpornografie erfüllen.

Auf dem Computer des vor Gericht Beschuldigten Mannes wurden kinderpornografische Bilder gefunden. Die Dateien befanden sich jedoch offensichtlich allesamt im sogenannten Cache und der Beschuldigte erklärte, er habe keinerlei Kenntnis von diesen Bildern. Das AG Bocholt lehnte daher die Eröffnung der Hauptverhandlung ab und wies den Antrag der Staatsanwaltschaft zurück (AG Bocholt, Beschluss vom 23.03.2017, Az. 3 Ds 540 Js 100/16 – 581/16).

Die erste Frage beantwortete das AG Bocholt dahingehend, dass eine Bestrafung wegen des Besitzes jugendpornographischer Bilder nur in Betracht komme, wenn entweder das jugendliche Alter der Person bekannt- oder diese ganz offensichtlich nicht volljährig sei. Im letztgenannten Fall müssten sie so kindlich wirken, dass sie fast schon in die Nähe des Besitzes kinderpornographischer Schriften fielen, so das Gericht.

Zur zweiten Frage äußerte sich das Gericht wie folgt: Sofern auf einem Computer kinderpornographische Bilder nur im so genannten Cache gespeichert seien, so sei bereits der Besitz zweifelhaft. Zumindest beim durchschnittlichen Nutzer könne nicht davon ausgegangen werden, dass ihm die Existenz der Datenspeicherung im Cache geläufig war und er wusste, wie diese Daten gelöscht werden können. In diesem Fall entfiele daher der Vorsatz.

Frau konnte nicht als Jugendliche erkannt werden

Der Antrag war vom AG Bocholt zurückzuweisen, da es an einem hinreichenden Tatverdacht mangelte. Soweit dem Angeklagten vorgeworfen wurde, er habe zahlreiche Bilder eines etwa 16-jährigen Mädchens auf seinem Computer gespeichert, bestand nach Auffassung des Gerichts bereits ein hinreichender Tatverdacht schon allein deshalb nicht, weil nicht erkennbar gewesen sei, dass auf den Bildern tatsächlich eine Jugendliche zu sehen war. Das Alter der auf den Bildern zu sehenden Frau sei nicht bekannt. Wie die Staatsanwaltschaft zur Feststellung gekommen sei, dass die auf den Bildern zu sehende junge Frau 16 Jahre alt sein solle, war für den Richter am AG Bocholt nicht nachvollziehbar. Aus der Akte ergäbe sich ein entsprechender Hinweis jedenfalls nicht. Allein vom visuellen Eindruck her sei jedoch eine Unterscheidung zwischen einer 16-jährigen Jugendlichen und einer 18-jährigen jungen Frau nicht möglich.

Das Bundesverfassungsgericht führte hierzu bereits aus, dass weder an Hand der körperlichen Merkmale noch durch eine Analyse von Gesichtszügen die Unterscheidung zwischen einer 16- oder 17-jährigen oder einer 18-jährigen Person mit hinreichender Zuverlässigkeit getroffen werden kann. Grundsätzlich sei nach Ansicht des Bundesverfassungsgericht davon auszugehen, dass allein vom optischen Eindruck her eine Unterscheidungsmöglichkeit nicht besteht.

Eine Strafbarkeit sei deshalb nur dann gegeben, wenn die dargestellten Personen ganz offensichtlich nicht volljährig seien, etwa dann, wenn sie fast noch kindlich wirken und somit in die Nähe des Straftatbestandes des § 184 des Strafgesetzbuches (StGB), welches die Verbreitung, den Erwerb und den Besitz kinderpornographischer Schriften unter Strafe stellt, fallen. Unter Zugrundelegung dieser Kriterien könne die auf den Fotos zu sehende junge Frau jedenfalls nicht mit der erforderlichen Sicherheit als Jugendliche erkannt werden, sodass insoweit der Antrag vom AG Bocholt zurückzuweisen war.

Speicherung im Cache – Kein Besitz der Fotos

Auch hinsichtlich des Besitzes von kinderpornographischen Schriften wurde der Antrag auf Eröffnung des Hauptverfahrens durch das AG Bocholt aus tatsächlichen Gründen abgewiesen. So sei es bereits zweifelhaft, ob der Angeschuldigte tatsächlich an den ihn belastenden Bildern Besitz hatte. Dem stünde auch nicht entgegen, dass die Fotos tatsächlich auf dem Rechner des Angeschuldigten gefunden wurden. § 184b StGB setze ein tatsächliches Herrschaftsverhältnis über die Bilder voraus und zwar mit der Möglichkeit, die Bilder sich und anderen zugänglich zu machen.

Auch wenn ein Besitz an elektronischen Vervielfältigungsstücken wie beispielsweise elektronisch gespeicherten Bildern nach § 854 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) nicht bestehe, so sei unter dem Begriff Besitz, zumindest im Zusammenhang mit Fotos, im Strafgesetzbuch zu verstehen, dass der Angeschuldigte jederzeit ähnlich wie ein Besitzer von körperlichen Gegenständen Einwirkungsmöglichkeit auf die Bilder haben müsse. Hier hegte das Gericht  Zweifel, da sich die belastenden Fotos auf einem Bereich der Festplatte befanden, auf den jedenfalls der normale Nutzer keine Zugriffsmöglichkeiten hat.

Strafbarkeit erst bei bewusstem kennen oder billigem in Kauf nehmen des Besitzes

Und nun wird das Urteil interessant und die Ausführungen des AG Bocholt sind unserer Ansicht nach höchst lesenswert. Daher geben wir im Folgenden das Urteil im Original wieder:

„Aus der Pfadbeschreibung der jeweiligen Fotos ergibt sich, dass diese unter dem Namen des Angeschuldigten

/AppData/Local/Microsoft/Windows/TemporaryInternetFiles/Low/Content

befunden haben. Sie befinden sich damit in einem Bereich, in dem der Nutzer nicht bewusst Daten speichern kann, sondern in dem das Betriebssystem Windows automatisch, ohne Einwirkungsmöglichkeit des normalen Nutzers Daten speichert.

Aus dem Pfad geht also zunächst einmal nur hervor, dass der Angeschuldigte oder eine dritte Person, die Zugang zu dem Rechner hatte, diese Bilder betrachtet hatte und dann die Daten automatisch gespeichert wurden. Öffnet somit der Nutzer eine X-beliebige Internetseite über seinen Browser so wird diese im Hintergrund gespeichert mit dem Ziel, dass, wenn der Nutzer zu einem späteren Zeitpunkt erneut auf die Seite, hier also die belastenden Bilder, zugreift, diese schneller aufgebaut werden könnten und nicht nochmal heruntergeladen werden müssten. Die Funktion wurde in das Betriebssystem Windows Anfang der 2000er, als die Datenverbindungen langsam waren und es noch keine Flatrates gab, sondern die Kosten entsprechend dem Traffic erhoben wurden, implementiert .

Wie der Name Cache schon sagt, bedeutet dies nicht, dass der Nutzer auf diese Daten unmittelbaren Zugriff hat, sondern Cache bedeutet so viel wie „verstecken“. Er wird verwendet, da die im Cache gespeicherten Daten selbst vor dem Nutzer versteckt werden. Entsprechend hat der Nutzer auf die im Cache gespeicherten Daten zunächst einmal keinen Zugriff, denn in der normalen Verzeichnisstruktur ist der Pfad „AppData“ nicht sichtbar. Diese Daten werden nur angezeigt, wenn die Funktion „geschützte Systemdateien ausblenden“ deaktiviert wird und dafür die Funktion „versteckte Dateien und Ordner anzeigen“ aktiviert wird. Vor diesem Hintergrund ist der Besitz zweifelhaft.

Selbst wenn man dies vorliegend annehmen würde, so reicht allein der Umstand, dass in einem automatischen Verfahren kinderpornographische Inhalte auf der Festplatte des Nutzers gespeichert wurden zum Nachweis des Besitzwillens nicht aus, denn § 184b StGB setzt ein tatsächliches Herrschaftsverhältnis über die Bilder voraus, mit der Möglichkeit, die Bilder sich und anderen zugänglich zu machen. Dies muss vorsätzlich geschehen. Wusste der Angeklagte nicht, dass die Bilder im Cache gespeichert werden, so setzt die Strafbarkeit erst ein, sobald der Angeschuldigte erkennt oder aber billigend in Kauf genommen hat, dass er Kinderpornographie besitzt und den Besitz gleichwohl fortsetzt.

[kontaktbox]

Durchschnittsnutzer weiß von Speicherung im Cache nichts

In Zeiten des Cloud Speichers, in der üblicherweise insbesondere auch Bilder privater Natur im Netz gespeichert werden, erscheint diese Funktion wie ein Gegensatz. Anders als noch vor 10 Jahre, als die Nutzer bereits im praktischen Betrieb erkennen konnten, dass Bilder im Cache gespeichert wurden, beispielsweise am schnelleren Seitenaufbau oder der Nichtbelastung des mit dem Provider vereinbarte Datenvolumens, ist dies in der heutigen Zeit aus den vorgenannten Gründen nicht mehr erkennbar. Auf das Datenvolumen braucht der Nutzer heutzutage bei einer Flatrate nicht zu achten und die Geschwindigkeit des Seitenaufbaus ist beim Hightspeedinternet ebenso schnell wie beim Herunterladen von der Festplatte. Gegenteilige insbesondere ältere Entscheidungen, die von einer Kenntnis des Nutzers von der Datenspeicherung im Cache ausgehen, sind aufgrund der technischen Entwicklung überholt. Der durchschnittliche Nutzer weiß im Zweifel daher nicht mehr, dass schon beim Betrachten von Bildern Daten im sogenannten Cache gespeichert werden.

Dass der Angeklagte, der von sich unwiderlegbar behauptet, von den Bildern keine Kenntnis gehabt zu haben, solche überdurchschnittlichen Kenntnisse im PC Bereich hatte, ist nicht feststellbar. Der Nachweis wird letztlich im Hauptverfahren nicht zu führen sein, so dass trotz der abscheulichen Bilder aus tatsächlichen Gründen eine Verurteilung nicht zu erwarten ist.

Unklar, ob Fotos bewusst betrachtet wurden

In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass nicht einmal feststeht, dass der Angeschuldigte bewusst die belastenden Bilder betrachtet hat. Im Zeitalter von Web 2.0 ist es jedermann problemlos möglich, Bilder ins Internet zu stellen. Hierdurch ist es auch möglich, Straftäter wider Willen zu generieren. Dies ergibt sich aus folgendem Szenario: Speichert beispielsweise ein x-beliebiger Straftäter Bilder kinderpornographischen Inhalts im Internet, beispielsweise bei Dropbox oder Amazon Cloud oder vergleichbaren Clouddiensten, so hat er die Möglichkeit, einen Link zu generieren und diesen dem Angeschuldigten zu schicken. Öffnet der ahnungslose Angeschuldigte dann diesen Link, so hat er die Bilder auf seinem Rechner und damit auch im Cache, ohne dass er überhaupt die Absicht hatte, derartige Bilder zu betrachten. Es ist hierdurch möglich jede x-beliebige Person zu Besitzern von kinderpornographischen Bildern zu machen. Da es auch technisch möglich ist, einen Link zu einem Verzeichnis mit einer Vielzahl an Bildern zu generieren, können auch entsprechen viele Bilder im Cache des Nutzers sein.

So könnte ein Straftäter jede x-beliebige Person allein dadurch zum Straftäter machen, indem er einen Link mit kinderpornographischem Inhalt an diese verschickt und diese irrtümlich ohne Kenntnis vom Inhalt den Link öffnen. Die Daten sind dann im Cache gespeichert und der Nutzer hätte kaum Möglichkeiten, diese Bilder zu entfernen, es sei denn, es verfügt über entsprechende Computerkenntnisse. Denn die Funktion „Datenträgerbereinigung“ von Microsoft löscht die Daten des Cache nicht mit der erforderlichen Sicherheit. Dies ist nur manuell möglich und verlangt tiefgreifende Kenntnisse über das Betriebssystem Windows, um überhaupt die Daten zu entfernen. Ein sicheres Entfernen geht nur über Spezialprogramme wie beispielsweise das Programm CC Cleaner, wobei nicht von jedermann verlangt werden kann, derartige Programme zu installieren.

Nachweis des bewussten Besitzes der Fotos nicht möglich

Letztendlich ist dem Angeschuldigten vorliegend vom Besitz ausgehend, nicht nachzuweisen, dass er wusste oder wissen musste, dass die hier in Rede stehenden Fotos aus seinem Rechner im Cache gespeichert werden.

Hinsichtlich der hier angesprochenen technischen Zusammenhänge bedurfte es nicht der Einholung eines Sachverständigen, da das Gericht über eigene Sachkunde verfügt, die auch in einer Vielzahl von Publikationen zum Thema IT und IT Recht dokumentiert ist.”

euc/tsp