Der rbb muss sei­nem ehe­ma­li­gen Pro­duk­ti­ons- und Be­triebs­di­rek­tor Chris­toph Au­gen­stein Ru­he­geld zah­len. Die Ru­he­geld­re­ge­lung im Ar­beits­ver­trag sei nicht sit­ten­wid­rig, so das ArbG Ber­lin. Au­gen­stein war einer derjenigen, der im Zuge der Krise des ARD-Sen­ders ent­las­sen wor­den war. 2023 hatte das ArbG in den Fällen des Verwaltungsdirektors Hagen Brandstäter und der juristischen Direktorin Susann Lange noch anders entschieden.

Von Kazuyanagae – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0

Das Arbeitsgericht (ArbG) Berlin hat der Klage des Produktions- und Betriebsdirektors des öffentlich-rechtlichen ARD-Senders Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) im Wesentlichen stattgegeben. Es hat den Arbeitsvertrag nicht im Hinblick auf die darin enthaltene Vereinbarung eines Ruhegeldes für nichtig erachtet. Weiter hat es festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch die außerordentliche Kündigung des rbb beendet worden sei. Es hat den rbb zur Zahlung der vereinbarten Ruhegelder ab September 2023 verurteilt. Damit unterscheidet sich die Entscheidung von den im Wesentlichen klageabweisenden Entscheidungen zweier anderer Kammern des ArbG Berlin betreffend die Kündigungen des Verwaltungsdirektors des rbb Hagen Brandstäter und der Juristischen Direktorin des rbb Susann Lange (Arbeitsgericht Berlin, Urteile vom 08.01.2024, Az. 60 Ca 1631/23 und WK 60 Ca 3213/23).

Der rbb war im Sommer 2022 in eine Krise um Vorwürfe der Vetternwirtschaft und Verschwendung gestürzt. Neben der rbb-Intendantin Patricia Schlesinger mussten nach und nach auch mehrere Direktoren, die Teil der Geschäftsleitung waren, gehen. Dazu zählte auch Augenstein.

In dem auf fünf Jahre befristeten Arbeitsvertrag vereinbarten die Parteien die Zahlung eines Ruhegeldes von monatlich etwa 8.900 EUR ab dem Ende der Befristung bis zum Beginn der Altersrente des Produktions- und Betriebsdirektors. Diese Regelung sei nicht wegen Sittenwidrigkeit nichtig. Auch unter Beachtung der Grundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, denen der rbb als öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt verpflichtet sei, liege kein grobes Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung vor. Selbst wenn eine Sittenwidrigkeit der Ruhegeldregelung angenommen werde, führe dies nicht zur Nichtigkeit des gesamten Arbeitsvertrags.

Das Arbeitsverhältnis sei auch nicht durch die außerordentliche Kündigung des rbb vom 03.02.2023 beendet worden, da keiner der vom rbb angeführten Kündigungsgründe durchgreife. Die Entgegennahme der vereinbarten „ARD-Zulage“ für Zeiten, in denen der rbb den Vorsitz der ARD übernommen hatte, sei nicht pflichtwidrig gewesen. Bei dem Vorwurf, der Produktions- und Betriebsdirektor habe bei unzutreffenden Ausführungen Dritter gegenüber dem Verwaltungsrat zu einer Kreditaufnahme für das Projekt „Haus der Digitalen Medien“ nicht interveniert, sei sein Schweigen wider besseren Wissens nicht feststellbar. Der Vorwurf unzutreffender Spesenabrechnung in zwei Fällen treffe nicht zu.

Das befristete Arbeitsverhältnis habe daher am 31.08.2023 mit dem vereinbarten Fristablauf geendet. Seit September 2023 bis zum Beginn der Altersrente im September 2030 sei der rbb zur Zahlung des vereinbarten monatlichen Ruhegeldes von etwa 8.900 EUR verpflichtet, nachfolgend zur Zahlung von Altersruhegeld.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, soweit der Produktions- und Betriebsdirektor Schadensersatzansprüche wegen Rufschädigung und Persönlichkeitsrechtsverletzung gegen den rbb und auch gegen die zwischenzeitlich amtierende Intendantin Frau Dr. Vernau verfolgt hat. Das arbeitsgerichtliche Verfahren sei sowohl vom rbb als auch von der Interims-Intendantin in angemessener Weise geführt worden, und der Ruf des Klägers sei durch die gerichtliche Entscheidung wiederhergestellt.

Die Widerklage des rbb hat das Gericht ebenfalls abgewiesen. Es bestehe kein Anspruch auf Rückzahlung der ARD-Zulage und der Spesen.

Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Juristischen Direktorin des rbb

Das ArbG Berlin hatte zuvor im September 2023 bereits die Klage der Juristischen Direktorin des rbb Susann Lange gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses abgewiesen und damit anders entschieden als im aktuellen Fall.

Der zuletzt abgeschlossene Dienstvertrag sei im Falle Langes wegen der darin enthaltenen Regelungen zu einem nachvertraglichen Ruhegeld vor Renteneintritt bereits nichtig. Hierin liege ein grobes Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung, so das ArbG Berlin. Hinzu komme, dass der rbb als öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt den Grundsätzen von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verpflichtet sei. Es sei daher von einer Sittenwidrigkeit der Vereinbarung auszugehen, die zur Gesamtnichtigkeit des Vertrages führe.

Weiter hatte das ArbG im Fall Lange angenommen, auch die vorsorglich ausgesprochene außerordentliche Kündigung sei wirksam. Für diese lägen mehrere wichtige Gründe vor. Lange habe zum einen an einem Vertragsschluss zwischen der Beklagten, deren Tochtergesellschaft, der rbb Media GmbH, und deren Geschäftsführer mitgewirkt, in dem diesem eine mehrjährige bezahlte Freistellung mit einem Gesamtvolumen von knapp 880.000,- EUR eingeräumt worden sei. In diesem Zusammenhang sei Susann Lange ihren Hinweispflichten als Juristische Direktorin nicht ausreichend nachgekommen. Zum anderen habe sie eine sog. ARD-Zulage auch für einen Zeitraum bezogen, in dem der rbb den Vorsitz bei der ARD, an den die Zulage anknüpfe, noch gar nicht innegehabt habe. Lange habe durch entsprechende Initiative gegenüber der vormaligen Intendantin dafür gesorgt, dass ihr diese Zulage unberechtigterweise gewährt worden sei.

Der Widerklage des rbb hatte das Berliner ArbG teilweise stattgegeben. Es bestehe ein Anspruch auf Rückzahlung der gezahlten ARD-Zulage für den Zeitraum, in dem der rbb den ARD-Vorsitz noch nicht bekleidet habe, nicht jedoch für die Zeit danach. Auch einen Rückforderungsanspruch wegen geleisteter Familienzuschläge hatte das Arbeitsgericht verneint. Es könne jedenfalls nicht festgestellt werden, ob es nicht auch ohne eine zwischenzeitliche dies-bezügliche vertragliche Änderung bei der bisherigen Praxis der Weiterzahlung der Familienzuschläge verblieben wäre.

Weitere Anträge Langes, mit denen diese zukünftige Ruhegeld- und Hinterbliebenenversorgungsansprüche festgestellt haben wollte, hatte das ArbG aus prozessualen Gründen abgewiesen.

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Kündigung des Verwaltungsdirektors des RBB

Auch im Fall des Verwaltungsdirektors des rbb Hagen Brandstäter hatte das ArbG Berlin die Klage am 1.9.2023 in wesentlichen Teilen abgewiesen. Das ArbG kam auch hier zu dem Ergebnis, dass der zuletzt zwischen den Parteien im Jahr 2018 geschlossene Dienstvertrag aufgrund der Regelungen zum nachvertraglichen Ruhegeld sittenwidrig im Sinne des § 138 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und daher nichtig sei. Daher habe der rbb sich mit Schreiben vom 3. Februar 2023 einseitig von dem Vertrag mit Hagen Brandstäter lossagen können. Auf die Wirksamkeit der erklärten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des Dienstverhältnisses sei es daher streitentscheidend nicht mehr angekommen.

Auf Basis der vertraglichen Regelung sollte Brandstäter nach Ablauf des Vertrages – bereits vor Erreichen des Rentenalters – ein Ruhegeld gezahlt werden, ohne dass er hierfür eine Leistung hätte erbringen müssen. Das Ruhegeld errechnet sich auf der Grundlage des Vergütungsanspruchs Brandstäters in Höhe von zuletzt ca. 20.900 EUR brutto monatlich. Daneben sollte er weitgehend auch aus anderen Quellen Einkünfte oder Versorgungen beziehen können, ohne dass diese auf das Ruhegeld anzurechnen gewesen wären.

Das ArbG Berlin sah hierin in der Gesamtbetrachtung ein grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung. Die Verpflichtung des rbb zur Zahlung des Ruhegelds gehe weit über eine Kompensation für das Arbeitsplatzrisiko aufgrund der Befristung des Dienstvertrages für die Amtsdauer Brandstäters als Verwaltungsdirektor hinaus. Die Vereinbarung des Ruhegelds widerspreche außerdem den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, an die der rbb gebunden sei. Schließlich gefährde der Vorwurf der Verschwendung von Rundfunkgebühren den Ruf und die Existenz des öffentlichen Rundfunks. Aufgrund der Nichtigkeit des Dienstvertrages habe Brandstäter keinen Anspruch auf Ruhegeldzahlungen und Hinterbliebenenversorgung.

Die Widerklage des rbb hatte das Gericht überwiegend abgewiesen. Ein Anspruch auf Rückzahlung der ARD-Prämie für den ARD-Vorsitz bestehe nur im Umfang von einem Drittel. Im Übrigen treffe den rbb ein Mitverschulden für das Zustandekommen der Vereinbarung. Auch könne der rbb die Entgeltfortzahlung, die er während der Arbeitsunfähigkeit Brandstäters in der Zeit des nichtigen Arbeitsvertrages geleistet habe, nicht zurückfordern.

tsp