Kunstwerke, die den Eigentümern in der NS-Zeit verfolgungsbedingt entzogen wurden, können in die „Lost-Art-Datenbank“ eingetragen werden. Ein Kunstsammler fühlte sich wegen eines solchen Eintrags in seinem Eigentum verletzt. Der Fall ging bis vor den BGH – dieser fällte heute das mit Spannung erwartete Urteil.

Die auf wahren Tatsachen beruhende Suchmeldung eines Kulturgutes auf der Internetseite der Lost Art-Datenbank stellt keine Eigentumsbeeinträchtigung dar. Der Bundesgerichtshof (BGH) verneinte damit den Anspruch des gegenwärtigen Eigentümers auf Beantragung der Löschung des Eintrages aus der Datenbank gegen den Veranlasser der Meldung (Urt. v. 21.07.2023, Az. V ZR 112/22).

Ein Kunstsammler erwarb 1999 das hier bestrittene Gemälde „Kalabrische Küste“ des Malers Andreas Achenbach im Rahmen einer Auktion in London. Das Gemälde befand sich zuvor im Besitz der Galerie Stern in Düsseldorf. Max Stern, der die Galerie von seinem Vater übernommen hatte, wurde im Jahr 1935 die weitere Berufsausübung durch die Reichskammer der bildenden Künste untersagt, die Verfügung zunächst aber nicht vollzogen. Im März 1937 verkaufte Dr. Stern das Gemälde an eine Privatperson aus Essen. Im September desselben Jahres wurde er dann endgültig gezwungen, seine Galerie aufzugeben, woraufhin er über England nach Kanada emigrierte. Sein Nachlass wird von einem kanadischen Trust verwaltet, dessen Treuhänder die Beklagten sind.

Eintrag in die Lost-Art-Datenbank

Die kanadischen Treuhänder ließen im Juni 2016 eine Suchmeldung für das Gemälde in der Lost-Art-Datenbank veröffentlichen. Hierbei handelt sich um eine Datenbank für Kulturgüter, die Eigentümern aufgrund nationalsozialistischer Verfolgung entzogen wurden, oder ein solcher Verlust nicht auszuschließen ist. Dies soll insbesondere frühere Eigentümer bzw. ihre Erben mit den heutigen Besitzern zusammenbringen, um eine gerechte und faire Lösung über den Verbleib des Kunstwerks zu finden. Im Rahmen einer Ausstellung des Gemäldes in Baden-Baden wurde der Kunstsammler über die Suchmeldung und eine in Kanada durch Interpool veranlasste Fahndung nach dem Gemälde informiert. Er fühlt sich durch den Eintrag in der Lost Art-Datenbank und die Interpol-Fahndung in seinem Eigentum beeinträchtigt.

Nachdem der Kunsthändler bereits in den beiden Vorinstanzen erfolglos auf Unterlassen geklagt hatte, begehrte er zumindest die Löschung des Suchauftrags in der Datenbank. Auch dies ist jedoch in den Vorinstanzen erfolglos geblieben.

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OLG Naumburg: Keine Anmaßung des Eigentums durch Eintrag in Datenbank

Anders als der Kunstsammler, war auch das Berufungsgericht in Naumburg der Auffassung, dass keine Eigentumsbeeinträchtigung vorgelegen hat (OLG Naumburg, Urt. 24.05.2022, Az. 1 U 292/19). Zwar habe er zumindest durch Ersitzung gemäß § 937 BGB Eigentum an dem Gemälde erlangt. Allerdings hätten sich die Treuhänder weder durch den Eintrag in der Lost-Art-Datenbank noch durch die außerhalb Deutschlands eingeleitete Fahndung das Eigentum in irgendeiner Weise angemaßt, so das Gericht. Nach den Grundsätzen zur Eintragung und Löschung von Meldungen in der Lost Art-Datenbank bringe ihre Suchmeldung zum Ausdruck, dass Dr. Max Stern früher Eigentümer des Gemäldes gewesen und zu vermuten sei bzw. nicht ausgeschlossen werden könne, dass das Gemälde ihm aufgrund nationalsozialistischer Verfolgung entzogen, kriegsbedingt verbracht oder abhandengekommen sei. Das Eigentum des Kunstsammlers an dem Bild in der Gegenwart werde hierdurch nicht in Frage gestellt.

Den Treuhändern gehe es in Übereinstimmung mit den sog. Washingtoner Prinzipien lediglich um die Erzielung einer gerechten und fairen Lösung, nicht um die Erhebung eines Anspruchs.

Provenienz als marktrelevanter Makel

Auch verwies das Berufungsgericht auf die neueren Vorschriften des Kulturschutzgesetzes (KGSG). Insbesondere nach der Vorschrift des § 44 S. 1 Nr. 1 KGSG gelten für gewerbliche Verkäufer von Kulturgütern, bei denen die verfolgungsbedingte Entziehung in der Nazizeit nachgewiesen oder sogar nur zu vermuten ist, erhöhte Anforderungen an die Prüfung, unter anderem der Provenienz und der Verfügungsberechtigung des Veräußerers. Der Kunsthändler könne hiernach nicht untersagen, dass marktrelevante Informationen über sein Bild publik gemacht würden, denn bei Kulturgütern bestehe ein anzuerkennendes Interesse der Allgemeinheit an dem Objekt, seiner Geschichte und Provenienz. Das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg führte weiter aus, dass dies auch für private Verkäufer gelte, und bezeichneten die Herkunft des Bildes als „marktrelevanten Makel“, der dem Gemälde anhafte. Zwar könne offenbleiben, ob ein Anspruch auf Löschung bestehe, wenn in der Suchmeldung unrichtige Angaben gemacht würden oder die Plausibilität der Meldung entkräftet werde, dies sei hier jedoch nicht der Fall gewesen.

Das BGH-Urteil

Mit der vom OLG zugelassenen Revision vor dem BGH hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Auch die Karlsruher Richter verneinten nun einen Unterlassungsanspruch und schlossen sich dabei der Argumentation des OLG an. Dasselbe gelte auch für die Eintragung des Gemäldes in der Fahndungsdatenbank von Interpol, weil lediglich das Abhandenkommen des Gemäldes am 13. November 1937 in Düsseldorf gemeldet wurde. Auch mit dieser Meldung sei keine Aussage darüber verbunden, dass sich die Beklagten nach heutiger Rechtslage noch als Eigentümer des Gemäldes ansehen würden.

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Ebenfalls verneint wurde der geltend gemachte Anspruch auf Beantragung der Löschung der Suchmeldung des Gemäldes in der Lost Art-Datenbank, da die auf wahren Tatsachen beruhende Suchmeldung eines Kulturgutes auf der Internetseite der Lost Art-Datenbank ebenfalls keine Eigentumsbeeinträchtigung darstelle. Auch hier folgte der BGH den Begründungen der Vorinstanz.

Auch die Aufrechterhaltung der Suchmeldung in der Lost Art-Datenbank könne nicht zu einem rechtswidrigen Zustand führen. Eintragungen und Meldungen zu Kulturgütern in der Datenbank seien zwar als staatliches Informationshandeln anzusehen, so dass bei Überschreitung des Veröffentlichungszwecks die Geltendmachung entsprechender Ansprüche möglich sei. Solche Ansprüche könnten sich jedoch nur gegen die Stiftung als Betreiberin der Datenbank richten und nicht gegen die bloßen Veranlasser der Meldung. Lediglich die Betreiberin der Datenbank sei dafür verantwortlich, die fortdauernde Einhaltung des Zwecks der Veröffentlichung zu überwachen und sicherzustellen, dass die Aufrechterhaltung der Veröffentlichung gegenüber dem Eigentümer des Kunstwerks weiterhin zu rechtfertigen ist. Da die vorliegende Klage sich jedoch nur gegen die Beklagten als Veranlasser der Meldung richtete, sei die Frage einer Eigentumsbeeinträchtigung durch die Stiftung als Betreiberin der Datenbank hier jedoch nicht zu entscheiden gewesen.

szi/ezo