Der BGH hat entschieden, dass die Zinsänderungsklauseln in Sparverträgen unwirksam sind. Für Verbraucher bedeutet das: Sie können wahrscheinlich tausende Euro nachfordern. Hintergrund ist eine von mehreren Musterfeststellungsklagen, bei der sich viele Verbraucher anschließen konnten. Doch auch Bankkunden, die keiner Klage beigetreten sind, können profitieren.

Zehntausende Sparer haben mit Spannung nach Karlsruhe geblickt. Nun hat Bundesgerichtshof (BGH) im Rahmen einer Musterfeststellungsklage entschieden, dass die Zinsänderungsklauseln in sogenannten Prämiensparverträgen unwirksam sind (Urt. v. 6.10.2021, Az. XI ZR 234/20).

Die Vorinstanz muss jetzt zwar noch den konkreten Referenzzins berechnen. Der BGH machte dem Gericht aber konkrete Vorgaben.

Doch schon jetzt ist klar: Verbraucher werden bald für Jahre im Nachhinein die zu geringen Zinsen zurückfordern können. Außerdem hat das Urteil eine Signalwirkung auch für viele andere Fälle. Den Sparkassen drohen Nachzahlungen in Millionenhöhe. Verbraucher indes können sich auf Tausende Euro freuen.

Banken senkten Zinsen in Sparverträgen

Der Hintergrund: Sparkassen haben ihren Kundinnen und Kunden besonders in den 1990er- Jahren sog. Prämiensparverträge angeboten. Ausgelegt waren die Verträge auf eine Laufzeit von bis zu 25 Jahren. Für Sparer besonders lukrativ: Ab dem 15. Jahr gab eine Prämie in Höhe von 50% auf ihr jährlich eingezahltes Kapital.

Beispiel-Rechnung: Zahlte ein Kunde jedes Jahr 1500 Euro ein, hat er ab dem 15. Jahr eine Prämie in Höhe von 750 Euro bekommen. Zudem gab es noch Zinsen auf das eingezahlte Kapital.

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Für Kundinnen und Kunden ist es also einfach, die Prämiensparungen zu errechnen. Weitaus weniger einfach jedoch ist es, die Zinsen zu berechnen. Diese blieben völlig undurchsichtig. Die Banken hatten hier zudem in den Vertrags-AGB eine einseitig zu ihren Gunsten wirkende Klausel aufgenommen. Diese hatte der BGH zwar bereits 2004 für unzulässig und damit unwirksam erklärt. Doch die Sparkassen versuchten in der Folge weiterhin, ihre Kundinnen und Kunden über den Tisch zu ziehen. Trotz der beabsichtigten langen Laufzeit von bis zu 25 Jahren, legten die Sparkassen einen Zins-Mix mit kurzfristigen und damit niedrigeren Zinssätzen zugrunde.

In den letzten Jahren sind die Marktzinssätze auf verschwindend geringe Werte von 0,01 bzw. 0,001 Prozent gefallen. Infolgedessen haben viele Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken sowie private Banken die Zinsen in ihren Prämiensparverträgen aufgrund von Zinsanpassungsklauseln nach unten angepasst.

Konkret geht es um Verträge, in denen meist ein variabler Grundzins und darüber hinaus eine Prämie (Bonus) vereinbart wurde. Der Grundzins ist der Zins, mit dem das jeweilige Guthaben jährlich verzinst wird. Die Prämie bekommt der Kunde zusätzlich. Je länger der Sparvertrag läuft, desto höher ist sie. Sie wurde in der Regel nicht ausgezahlt, sondern dem Kapital zugeschlagen. Der Anreiz solcher Verträge besteht darin, Kunden mit einem Versprechen langfristig an Verträge zu binden.

Bzgl. der Zinsanpassungsklauseln gilt rechtlich: Ein variabler Grundzins – also ein Zins, der von der Bank an die allgemeine Zinsentwicklung am Markt angepasst werden kann – ist zwar für viele Verträge üblich. Eine solche Vereinbarung muss aber, insbesondere für Verträge mit langer Laufzeit, transparent sein. Schließlich haben Verbraucher bei Langzeitverträgen nicht die Möglichkeit oder es ergibt wirtschaftlich für sie keinen Sinn, kurzfristig auf ein anderes Angebot mit besseren Zinsen umzusteigen. In vielen Verträgen stecken aber Vereinbarungen, genannt Zinsgleitklauseln, Zinsänderungsklauseln oder Zinsanpassungsklauseln, die aufgrund ihrer Intransparenz eben möglicherweise rechtswidrig sind. Solche Klauseln ermöglichen es Banken, den Zins nach eigenem Ermessen anzupassen, was in der Regel zu Lasten der Kunden geht: Sie bekommen zu wenig Zinsen gutgeschrieben!

Verbraucherzentrale hielt Anpassungsklausel für unwirksam

In dem Fall, über den der BGH entschieden hat, ging es um Sparverträge der Stadt- und Kreissparkasse Leipzig. Die Bank schloss seit dem Jahr 1994 mit Verbrauchern ebenfalls solche Prämiensparverträge ab.  

Der Vertrag „S-Prämiensparen flexibel“ enthielt folgende Klausel: „Die Spareinlage wird variabel, z.Zt. mit … % verzinst.“ Zusätzlich zu diesem variablen Zins verpflichtet sich die Beklagte zur Zahlung einer auf die Jahressparleistung bezogenen, verzinslichen „S-Prämie“. Diese beginnt nach dem 3. Sparjahr und steigt auf nach dem 15. Sparjahr zu erreichende 50 % der im zurückliegenden Sparjahr erbrachten Einzahlungen an.

Diese Regelungen zur Änderung des variablen Zinssatzes hielt die Verbraucherzentrale Sachsen für unwirksam. Die Sparkasse habe nicht das Recht, den Zinssatz einseitig anzupassen. Außerdem sie die während der Laufzeit der Sparverträge von der Musterbeklagten vorgenommene Verzinsung zu niedrig. Laut ihren Berechnungen stehen Kunden der Sparkasse Leipzig im Schnitt 3100 Euro zu. Deshalb hat sie eine Musterfeststellungsklage angestrengt, der sich ca. 1300 Verbraucher angeschlossen haben.

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Die Begründung des BGH

Der BGH hat nun entschieden, dass die angegriffene Klausel wegen eines Verstoßes gegen § 308 Nr. 4 BGB unwirksam sei. Sie weise nicht das erforderliche Mindestmaß an Kalkulierbarkeit möglicher Zinsänderungen auf.

Die dadurch entstandene Regelungslücke sei durch eine ergänzende Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB zu schließen. Nach dem Konzept der auf ein langfristiges Sparen angelegten Sparverträge sei es interessengerecht, einen Zinssatz für langfristige Spareinlagen als Referenz für die Verzinsung der Spareinlagen heranzuziehen.

Da das Oberlandesgericht bislang keine Feststellungen zu einem geeigneten Referenzzinssatz getroffen hat, wird es dies nach Zurückverweisung des Musterverfahrens nachzuholen haben. Dafür machte der BGH folgende Vorgaben: Die Zinsanpassungen seien in einem monatlichen Rhythmus vorzunehmen, weil der für langfristige Spareinlagen in Betracht kommende Referenzzinssatz in der von der Deutschen Bundesbank erhobenen Zinsstatistik monatlich veröffentlicht wird. Es sei weiter davon auszugehen, dass bei den Zinsanpassungen der anfängliche relative Abstand des Vertragszinssatzes zum Referenzzinssatz beizubehalten ist. Nur eine solche Auslegung gewährleistet, dass das Grundgefüge der Vertragskonditionen über die gesamte Laufzeit der Sparverträge erhalten bleibt, so dass günstige Zinskonditionen günstig und ungünstige Zinskonditionen ungünstig bleiben (Verhältnismethode).

Das bedeutet: Die Verbraucher können Zinsnachzahlungen verlangen. Weiterhin stellten Richter klar, dass die Verjährungsfrist für die Ansprüche auf Zinsnachzahlung erst mit Beendigung des Sparvertrags beginne. Die Ansprüche sind somit in der Regel noch nicht verjährt. Die Zinsen können bis zurück ins Jahr 1994 neu berechnet werden.

Verbraucher können also in den individuellen Klagen, die sich an eine erfolgreiche Musterfeststellungsklage anschließen, eine Zinsneuberechnung bis in das Jahr 1994 zurückfordern.  

Mehrere ähnliche Verfahren anhängig

Es ist nicht das einzige derzeit anhängige Verfahren. Denn tatsächlich haben viele Banken entsprechende Klauseln verwendet. Die unwirksamen Klauseln sind überwiegend in Sparverträgen zu finden, die Verbraucher zwischen 1990 und 2000 sowie darüber hinaus bei Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken sowie private Banken abgeschlossen haben. Das aktuelle Urteil des BGH wird daher mit Spannung erwartet! Denn es könnte eine Signalwirkung auch für alle anderen offenen Fälle haben.

Rechtswidrige Zinsanpassungsklauseln sind aus zahlreichen Verträgen bekannt. Betroffen sind die folgenden Verträge:

  • „Bonusplan“ (Volks- und Raiffeisenbank)
  • „Prämiensparen flexibel“ (Sparkasse)
  • „S-Prämiensparen flexibel“ (Sparkasse)
  • „VorsorgePlus“ (Sparkasse)
  • „Vorsorgesparen“ (Sparkasse)
  • „Vermögensplan“ (Sparkasse)
  • „VRZukunft“ (Volks- und Raiffeisenbank)
  • „Vorsorgeplan“ (Sparkasse)
  • „Scala“ (Sparkasse)

Neben dieser Musterfeststellungsklage sind deutschlandweit gerade neun weitere Verfahren anhängig, in denen sich die Verbraucherzentralen insbesondere regen regionale Sparkassen wenden. Laut Verbraucherzentrale gibt es zudem mehr als 100 Individualklagen. In den Verfahren wurden ähnliche Klauseln verwendet, weswegen das Urteil des BGH eine große Signalwirkung hat.

So hilft Ihnen WBS!

Enthält auch Ihr Prämiensparvertrag eine rechtswidrige Zinsanpassungsklausel, können Sie fordern, dass nicht korrekt berechnete Zinsen für die gesamte Laufzeit des Sparvertrags nachgezahlt werden. Sie könnten Anspruch auf Nachzahlungen in zum Teil vierstelliger Höhe haben.

Beispiel-Rechnung:
Prämienspar-Vertragsbeginn 1993:
Monatliche Einzahlung auf das Prämiensparkonto: 100 D-Mark.
Vertragslaufzeit: 25 Jahre.

Die Bank hat Zinsen in Höhe von 2241,48 Euro gutgeschrieben. Dabei hätte ein Zinsanspruch in Höhe von 7146,24 Euro bestanden.

Zins-Differenz: 4904,66 Euro.

Wenn auch Sie den Verdacht einer rechtswidrigen Zinsanpassungsklausel haben, sollten Sie zunächst Ihre Bank auffordern, ihre Zinsberechnung darzulegen und ggf. den Zins nochmal nachzurechnen. Im Anschluss kann sich eine Klage auf Nachzahlung lohnen.

Doch dafür müssen Sie aktiv werden. Gerne erklären Ihnen unsere Rechtsexperten im Bankrecht, wann die Zins-Klausel rechtswidrig ist und wie Sie an Ihr Geld kommen. Darüber hinaus unterstützen und beraten Sie gerne individuell bei Ihren Anliegen! Unser erfahrenes Team aus Rechtsanwälten im Bankrecht steht Ihnen bei allen rechtlichen Schritten mit Rat und Tat zur Seite. Weitere Informationen erhalten Sie hier.

ahe/tsp