Kündigt der Arbeitgeber mehreren Arbeitnehmern wegen Krankheit, muss er die Kündigungen bei der Agentur für Arbeit melden. Das entschied das LAG Düsseldorf nun in einem Fall, in dem eine Arbeitgeberin mehreren ihrer Mitarbeiter krankheitsbedingt kündigte. Auch für krankheitsbedingte Massenentlassungen gelte die Meldepflicht nach § 17 KSchG als Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigungen.

In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall kündigte die Arbeitgeberin, eine Dienstleisterin im Sicherheitsbereich am Flughafen Düsseldorf, einem Arbeitnehmer, der in der Vergangenheit länger arbeitsunfähig erkrankt war. Der Arbeitnehmer arbeitete als Luftsicherheitsassistent in einem 6-2-Schichtsystem. Im Jahr 2018 war er 61 Tage erkrankt und damit arbeitsunfähig, im Jahr 2019 74 Tage und 2020 45 Tage. Wegen den häufigen Krankmeldungen kündigte die Arbeitgeberin ihm am 27.11.2020 zum 30.04.2021. Daneben erklärte sie in mehreren weiteren Fällen Arbeitnehmern die Kündigung wegen Krankheit. Im Zeitraum vom 25.11.2020 bis zum 22.12.2020 sprach sie 34 Kündigungen aus, ohne diese bei der Agentur für Arbeit zu melden. Im neuen Jahr erklärte sie dem bereits gekündigten Arbeitnehmer erneut die Kündigung, diesmal zum 30.06.2021.

Der besagte Arbeitnehmer legte gegen beide Kündigungen Kündigungsschutzklage vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf ein. Beide Kündigungen seien seiner Meinung nach unwirksam. Die erste, weil die Arbeitnehmerin keine Massenentlassungsanzeige gemäß § 17 KSchG bei der Agentur für Arbeit gemacht habe. Die zweite, weil die Voraussetzungen für eine krankheitsbedingte Kündigung gar nicht vorgelegen hätten. Seine Erkrankungen seien vollständig ausgeheilt, sodass eine Negativprognose für die Zukunft nicht vorläge.

Das LAG Düsseldorf stimmte der Argumentation des klagenden Arbeitnehmers zu und gab der Kündigungsschutzklage statt (Urteil vom 01.04.2021 – 10 Ca 7888/20).

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Mehrere krankheitsbedingte Kündigungen sind Massenentlassungen

Hinsichtlich der ersten Kündigung stellte das Gericht fest, dass diese wegen der fehlenden Anzeige bei der Agentur für Arbeit unwirksam sei. Grundsätzlich besteht gemäß § 17 KSchG nämlich die Pflicht des Arbeitgebers, Kündigungen mehrerer Arbeitnehmer ab einer bestimmten Anzahl der gekündigten Personen bei der Agentur für Arbeit zu melden. Unterlässt er dies, ist die Kündigung unwirksam.

Das LAG Düsseldorf ist ebenso wie der Kläger der Meinung, dass mehrere krankheitsbedingte Kündigungen Massenentlassungen im Sinne des § 17 KSchG darstellen. Aus dessen Wortlaut, Systematik und Sinn und Zweck ergebe sich kein Grund zur Annahme, dass die in der Norm bestimmte Anzeigepflicht nicht für krankheitsbedingte Massenentlassungen gelte. Zwar habe es im Gesetzgebungsverfahren Diskussionen darüber gegeben, die Anzeigepflicht für personen- und verhaltensbedingte Kündigungen entfallen zu lassen. Dieser Vorschlag wurde aber nicht aufgegriffen, sodass es keine Ausnahmen von der Anzeigepflicht gebe. Die Arbeitgeberin hätte die erste Kündigung demnach bei der Agentur für Arbeit melden müssen.

Anforderungen für krankheitsbedingte Kündigung nicht erfüllt

Zudem befand das Gericht, dass sowohl die erste als auch die zweite Kündigung unwirksam seien, da beide nicht den Anforderungen einer krankheitsbedingten Kündigung entsprächen. Für eine krankheitsbedingte Kündigung ist eine sogenannte negative Gesundheitsprognose erforderlich. Darin muss prognostiziert werden, dass der Arbeitnehmer auch in Zukunft vermehrt aufgrund seiner Krankheit ausfallen wird und dem Arbeitgeber dadurch unzumutbare wirtschaftliche Belastungen entstehen.

Im Falle des Klägers sei weder eine negative Gesundheitsprognose gegeben, noch werde die Arbeitgeberin wirtschaftlich unzumutbar belastet, so das Gericht. Die Krankheitszeiten hätten in den vergangenen Jahren sichtlich abgenommen, sodass auch in der Zukunft weniger Ausfall wegen Krankheit zu erwarten sei. Außerdem habe die Arbeitgeberin in nur einem Jahr Entgeltfortzahlungskosten aufwenden müssen. Dies genüge noch nicht, um eine unzumutbare Belastung anzunehmen. Die Arbeitgeberin hatte zudem hervorgebracht, die oftmals kurzfristigen Anpassungen des Dienstplans, die sie aufgrund der Krankheit vornehmen musste, hätten sie unzumutbar belastet. Dem widersprach das Gericht und argumentierte, dass entsprechende Maßnahmen bei jedem krankheitsbedingten Arbeitsausfall notwendig seien und damit in den typischen Betriebsalltag gehörten.

Das LAG Düsseldorf hat die Revision der Beklagten nicht zugelassen, weil beide Kündigungen schon auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu häufigen Kurzerkrankungen unwirksam sind.

lpo