Anlässlich der Corona-Pandemie beschäftigen sich die Gerichte vermehrt mit dem Phänomen der gefälschten Impf- und Genesenennachweise. Dies betrifft u.a. die Arbeitsgerichte. Auch im Arbeitsverhältnis kann das Vorlegen einer gefälschten Bescheinigung weitreichende Folgen für den Arbeitnehmer haben. Das AG Berlin hat nun entschieden, dass die Vorlage eines gefälschten Genesenennachweis anstelle eines erforderlichen tagesaktuellen Corona-Tests oder Impfnachweises erhebliche Konsequenzen für das Beschäftigtenverhältnis haben kann – bis hin zur fristlosen Kündigung. WBS informiert.

Das Arbeitsgericht Berlin (ArbG) hat entschieden: Legen Beschäftigte unechte Genesenenzertifikate bei ihrem Arbeitgeber vor, mit dem Ziel, die Testpflicht beziehungsweise die Vorlage eines Impfnachweises zu umgehen, so rechtfertigt dieses Verhalten eine fristlose arbeitgeberseitige Kündigung. Die Richter gaben dem Arbeitgeber Recht und wiesen die durch den betroffenen Arbeitnehmer erhobene Kündigungsschutzklage zurück (AG Berlin, Urteil vom 26.04.2022, 58 Ca 12302/21).

Worum ging es?

In der Hochphase der Corona-Pandemie mussten Arbeitnehmer gegenüber ihren Arbeitgebern täglich einen 3G-Nachweis erbringen und damit nachweisen, dass sie geimpft, genesen oder getestet sind. Gemäß § 28b Abs. 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) in der bis zum 19. März 2022 gültigen Fassung, durften Beschäftigte Arbeitsstätten, in denen körperliche Kontakte untereinander oder zu Dritten nicht ausgeschlossen werden können, nur nach Vorlage eines Impf- oder Genesenennachweises beziehungsweise eines tagesaktuellen Tests den Betrieb betreten.

Der Arbeitnehmer und Kläger war Justizbeschäftigter bei einem Gericht. Hier legte er seinem Arbeitgeber einen Nachweis über die Genesung einer Corona-Infektion vor, obwohl er tatsächlich nie an einer solchen erkrankt war. Aufgrund der Vorlage wurde ihm der Zutritt zu dem Gerichtsgebäude gewährt. Es stellte sich in der Folge jedoch heraus, dass es sich bei dem Nachweis um eine Fälschung handelte. Das Land Berlin – als Dienstherr des Justizangestellten – hörte den Betroffenen zunächst an und sprach wenig später die Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grund gemäß § 626 BGB aus. Der Betroffene erhob daraufhin Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Berlin.

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Arbeitsrechtliche Rücksichtnahmepflicht verletzt

Das ArbG Berlin wies die durch den Betroffenen erhobene Kündigungsschutzklage ab. Die fristlose Kündigung durch den Dienstherrn sei wirksam. Ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 BGB liege auch vor. Der Arbeitgeber habe ausdrücklich festgelegt, dass der Zutritt zu dem Gerichtsgebäude nur nach Vorlage eines entsprechenden Nachweises erfolgen dürfe. Die Voraussetzungen des § 28b Abs. 1 IfSG seien von allen Beschäftigten des Gerichts zu erfüllen gewesen. Im Hinblick auf die pandemische Situation zu diesem Zeitpunkt und dem Gesundheitsschutz, der durch die Vorlage der Nachweise gewährleistet werden sollte, komme den geregelten Nachweispflichten eine erhebliche Bedeutung zu. Die Verwendung eines gefälschten Nachweises unterlaufe gerade die Anforderungen, die § 28b Abs. 1 Infektionsschutzgesetz den Beschäftigten auferlege und gefährde die Gesundheit anderer anwesender Beschäftigter und Dritter. Insofern liege eine erhebliche Verletzung der arbeitsrechtlichen Rücksichtnahmepflicht vor.

Insbesondere sei keine vorherige Abmahnung des Arbeitnehmers nötig gewesen, denn der Kläger habe erkennen können, dass die Vorlage gefälschter Nachweise durch seinen Arbeitgeber nicht hingenommen werden würde. Zuletzt setzte sich das Gericht damit auseinander, ob vor dem Hintergrund der Dauer des Arbeitsverhältnisses hier im Einzelfall etwas anderes gelten könnte. Das Beschäftigtenverhältnis bestand jedoch erst seit drei Jahren, so dass das arbeitgeberseitige Interesse an einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses das arbeitnehmerseitige Interesse an der Fortsetzung überwiege, so das Gericht.

Hinweis für die Praxis

Die Entscheidung des ArbG Berlin ist nicht die einzige ihrer Art. Das Arbeitsgericht Köln entschied bereits in einem ähnlichen Fall, dass eine Kündigung aus wichtigem Grund bei der Fälschung eines Impfpasses gerechtfertigt sei (Urteil vom 23.03.2022, 18 Ca 6830/21). Auch das Nichttragen des vorgeschriebenen medizinischen Mund-Nasen-Schutzes könne eine außerordentliche Kündigung nach sich ziehen (ArbG Köln, Urteil vom 17.06.2021, 12 Ca 450/21). Zuletzt hatte das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass die bayrische Staatsoper von einem ihrer Beschäftigten die Vorlage von PCR-Tests verlangen durfte (Urteil vom 01. Juni 2022, Az. 5 AZR 28/22). Eine Flötistin hatte sich in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt gesehen, nachdem sie nach der Weigerung der Durchführung eines solchen Tests durch die Staatsoper ohne die Zahlung der Vergütung freigestellt wurde. Die Betroffene klagte ihr Gehalt vor den Arbeitsgerichten ein – jedoch erfolglos. Der Arbeitgeber habe eine Schutzpflicht aus § 618 BGB, zu deren Erfüllung die Durchführung von PCR-Tests erforderlich sei, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Flötistin bei ihren Auftritten keine Maske trug.

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