Wieder einmal kommt es zu massiven Ausfällen im Fern- und Güterverkehr der Deutschen Bahn aufgrund des Streikes der Lokführergesellschaft GDL. Grund genug, um die rechtlichen Hintergründe im Streikrecht darzustellen: Was müssen streikende Arbeitnehmer beachten und wie ist die Rechtslage, wenn Beschäftigte wegen Bahnstreiks nicht an ihrem Arbeitsplatz erscheinen?

Im Tarifkonflikt bei der Deutschen Bahn (DB) hat das Unternehmen der Lokführergewerkschaft GDL ein neues Angebot gemacht – allerdings ohne Erfolg! Nun wird wieder gestreikt.

Primäres Ziel eines Streikes ist es, Druck auf den Arbeitgeber aufzubauen, um eine bessere Verhandlungsbasis zu erzielen. Durch öffentlichkeitswirksames Niederlegen der Arbeit in einem bestimmten Zeitraum soll der Forderung nach einer höheren Bezahlung mehr Nachdruck verliehen werden. Doch auf welcher rechtlichen Grundlage kann ein Streik überhaupt durchgeführt werden und welche Konsequenzen ergeben sich daraus im Hinblick auf die Vergütungsansprüche der Beschäftigten?

Streikrecht wird grundgesetzlich garantiert

Es gibt kein spezielles Streikrecht, vielmehr wird Streikrecht im Grundgesetz vorausgesetzt: Es wird durch die Koalitionsfreiheit, also die Freiheit der Gewerkschaften in Art. 9 Abs. 3 GG mitgeschützt. Allerdings sind bestimmte Voraussetzungen zu erfüllen, damit es sich um einen rechtmäßigen Streik handelt:

  • Streiks dürfen nur von den Gewerkschaften geführt werden; diesen steht die Befugnis zu, Tarifverträge abzuschließen. Betriebsräte sind nicht befugt, zu streiken.
  • Streikziele dürfen nur tariflich regelbare Umstände sein, zum Beispiel Lohnsteigerungen oder Arbeitszeitverkürzungen. Politische Streiks sind nicht gestattet.
  • Die Friedenspflicht muss beachtet werden. Solange ein gültiger Tarifvertrag in Kraft ist, darf vor Ablauf nicht gestreikt werden. Ansonsten würden Tarifverträge keine Rechtssicherheit für die Parteien mehr bieten können.
  • Der Streik muss das letzte Mittel sein, um die Ziele erreichen zu können. In aller Regel ist diese Voraussetzung erfüllt, wenn Verhandlungen nicht zielführend gewesen sind.
  • Das Streikziel muss mit den Streikmaßnahmen in einem angemessenen Verhältnis stehen.

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Folge: „Ohne Arbeit keinen Lohn“

Dieses Prinzip ist in § 615 S. 1 BGB verankert. Grundsätzlich steht Beschäftigten kein Anspruch auf Vergütung zu, wenn sie aufgrund der Beteiligung an einer Streikmaßnahme nicht am Arbeitsplatz erscheinen. Die Pflichten aus den Arbeitsverträgen ruhen während der Durchführung von Arbeitskampfmaßnahmen: Arbeitnehmer müssen nicht am Arbeitsplatz erscheinen, Arbeitgeber kein Gehalt auszahlen. Ebenso haben Streikende auch keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Sofern Störungen in Betrieben auftreten, die nicht unmittelbar bestreikt werden (Fernwirkungen des Streiks), so ist die Verweigerung der Lohnzahlung dann rechtlich möglich, wenn ansonsten die Kampfparität, also das Stärkegleichgewicht zwischen den Tarifparteien gefährdet würde. Das Bundesarbeitsgericht bejaht dies beispielsweise, wenn der Arbeitgeber auch in anderen Bezirken von den gleichen Verbänden vertreten wird.

Liegt eine Betriebsstörung vor, da andere Arbeitnehmer aus demselben Betrieb streiken, so verlieren die betroffenen Beschäftigten grundsätzlich ihren Beschäftigungs- und Vergütungsanspruch. Dies gilt jedoch nur dann, wenn der Arbeitgeber die Betriebsstörung nicht durch organisatorische Maßnahmen begrenzen kann.

Gewerkschaftsmitglieder erhalten Streikgeld

Diejenigen Beschäftigten, die Mitglied der streikenden Gewerkschaft sind, erhalten sogenanntes Streikgeld. Dies ist eine finanzielle Unterstützung der Gewerkschaften für die Zeit des Arbeitskampfes. Die Gewerkschaften möchten dadurch erreichen, dass sich möglichst viele Beschäftigte dem Streik anschließen; dieses Ziel würde gefährdet, wenn Mitarbeiter um ihre wirtschaftliche Existenz aufgrund von Lohnausfällen fürchten müssten. Ein Teil der Mitgliedsbeiträge geht in die sogenannte Streikkasse, aus der später das Streikgeld ausgezahlt werden kann.

Reaktionen des Arbeitgebers

Arbeitgeber müssen nicht nur keinen Lohn zahlen, sondern können auch von der sogenannten „Aussperrung“ Gebrauch machen. Dies bedeutet, dass er allen Beschäftigten den Zutritt zum Betriebsgelände verweigern kann, somit kein Beschäftigter arbeiten darf und auch niemand Lohn erhält. Da die Gewerkschaftsmitglieder das Streikgeld erhalten, stellt dies primär ein Problem für Beschäftigte dar, die keine Mitglieder sind. Die Gewerkschaften werden dazu verpflichtet, diesen Arbeitnehmern Streikgeld zu zahlen, wenn in Folge einer Aussperrung arbeitswillige Beschäftigte kein Arbeitsentgelt erhalten. Aussperrungen erhöhen den Druck auf die Gewerkschaften.

Es ist auch möglich, dass Arbeitgeber sogenannte Streikbruchprämien zahlen. Dies sind Zahlungen, die als Motivation an einen bestimmten Beschäftigtenkreis gezahlt werden, die nicht am Streik teilnehmen.
Sanktionen wegen Streikteilnahme?

Bei einem rechtmäßigen Streik haben Beschäftigte keinerlei arbeitsrechtliche Sanktionen zu befürchten. Es ruhen lediglich die Arbeitspflicht sowie der Anspruch auf Lohnzahlung.

Anders ist dies bei Streiks, die die oben genannten Voraussetzungen nicht erfüllen. Arbeitnehmer müssen damit rechnen, eine Abmahnung zu erhalten; im Wiederholungsfall droht eine verhaltensbedingte Kündigung. Arbeitnehmer sind schadensersatzpflichtig, wenn sich unrechtmäßig an Arbeitskampfmaßnahmen beteiligt wurde und dem Arbeitgeber dadurch ein Schaden entstanden ist.

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Bahnstreik: Wegerisiko?

Bei jedem Streik der Deutschen Bahn ist es das Gleiche: wie sollen Arbeitnehmer nun zu ihrer Betriebsstätte gelangen? Wer trägt das Risiko und was sind die Folgen, wenn Beschäftigte ihre Arbeit nicht antreten?

Grundsätzlich gilt: Bahnstreiks sind kein Freibrief für Verspätungen oder Fernbleiben vom Arbeitsplatz. Arbeitnehmer sind weiterhin verpflichtet, pünktlich am Arbeitsplatz zu erscheinen; das sogenannte Wegerisiko – also das Risiko, wegen absehbarer Verkehrsbehinderungen, nicht rechtzeitig am Arbeitsplatz erscheinen zu können – liegt bei den Beschäftigten, nicht beim Arbeitgeber. Gemäß § 616 S. 1 BGB sind Arbeitgeber nämlich nur dann zur Fortzahlung des Entgelts ohne Gegenleistung verpflichtet, wenn der Arbeitnehmer „durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden“ nicht arbeiten kann. Primär meint § 616 BGB damit Krankheit oder persönliche Unglücksfälle. § 616 BGB gilt nicht für streikbedingte Verspätungen. Daher müssen Arbeitnehmer zumutbare Vorkehrungen treffen, um nicht zu spät zu kommen. Dazu gehört zum Beispiel das Ausweichen auf nicht bestreikte Routen, Umsteigen auf das eigene Auto oder die Bildung von Fahrgemeinschaften.
Alle Beschäftigten sollten im Blick haben, dass der Arbeitgeber so früh wie möglich über Verspätungen informiert werden muss

Konsequenzen bei nicht pünktlichem Erscheinen

Mögliche Konsequenzen können Entgeltkürzungen aber auch Abmahnungen sein, die bis zu einer Kündigung führen können. Auch in diesen Fällen gilt: Ohne Arbeit keinen Lohn. Den Arbeitgeber trifft bei Nichterscheinen wegen Streiks gemäß § 616 S. 1 BGB keine Vergütungspflicht. Es bietet sich immer an, vorher das Gespräch mit dem Arbeitgeber zu suchen. Oft können so Vereinbarungen, wie etwa Homeoffice getroffen werden. Möglich ist es auch, an den Streiktagen Urlaub zu nehmen oder Überstunden abzubauen. Arbeitnehmer sollten zunächst sicherstellen, dass diese Themen nicht bereits in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung geregelt sind. Zwingende Nacharbeit darf arbeitgeberseitig nur dann eingefordert werden, wenn dies eine entsprechende Tarif- oder Betriebsvereinbarung vorsieht. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können sich natürlich auch darauf verständigen, verspätungsbedingte Fehlzeiten nachzuarbeiten. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Betrieb flexible Arbeitszeiten anbietet.

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