Teilzeitbeschäftigten im öffentlichen Dienst steht ein Überstundenzuschlag erst ab Überschreiten der regelmäßigen Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten zu. Dadurch werden sie aber nicht diskriminiert, entschied der 6. Senat des BAG und gab damit seine bisherige Rechtsprechung auf.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich erneut mit der Frage beschäftigt, ob Teilzeitbeschäftigten bei Überschreiten ihrer individuellen Arbeitszeit Überstundenzuschläge zustehen. Entgegen seiner bisherigen Rechtsprechung hat es einen Anspruch auf einen Überstundenzuschlag verneint (Urt. v. 15.10.2021, Az. 6 AZR 253/19). Zudem verneinte es eine Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigen aufgrund fehlender Vergleichbarkeit der Regelungen für Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigte.

Konkret ging es um eine Pflegekraft, die auf der Intensivstation eines Krankenhauses in Wechselschicht mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 32 Stunden beschäftigt ist. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Regelungen des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst für den Dienstleistungsbereich Krankenhäuser (TVöD-K) Anwendung. Die Mitarbeiterin leistete in der Vergangenheit sogenannte ungeplante Überstunden, d.h. sie arbeitete länger, als es nach dem Dienstplan vorgesehen war. Daneben leistete sie geplante, schon im Dienstplan vorgesehene Überstunden. Sie blieb dabei in den relevanten Monaten jedoch unter der Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten.

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Vorinstanz bejahte Überstundenzuschlag

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg sprach der Mitarbeiterin für die ungeplanten Überstunden einen Überstundenzuschlag gemäß § 8 Abs. 1 S. 2 lit. a) TVöD-K zu (Urt. v. 03.05.2019, Az. 8 Sa 340/18). Begründet wurde dies vor allem mit der bisherigen Rechtsprechung des BAG. Für die geplanten Überstunden lehnte das LAG einen Anspruch auf die Zahlung von Überstundenzuschlägen mit der Begründung ab, dass mit den Regelungen des TVöD-K zu Überstundenzuschlägen – jedenfalls für die geplanten Überstunden – der Schutz von Beschäftigten vor den besonderen Belastungen der Arbeit über die Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten hinaus bezweckt sei. Daher sei eine daraus resultierende Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt. Die Mitarbeiterin verfolgte diese Ansprüche mit ihrer Revision weiter.

Bisherige Rechtsprechung des BAG

Im Jahr 2013 entwickelte der 6. Senat des BAG die Differenzierung zwischen geplanten und ungeplanten Überstunden (Urt. v. 25.04.2013, Az. 6 AZR 800/11). Dies war nicht unkritisch, denn der Wortlaut des § 7 Abs. 8 lit. c) TVöD nimmt diese Unterscheidung nicht vor. Danach gelten bei Wechselschicht- oder Schichtarbeit nur solche Arbeitsstunden als Überstunden, die bezogen auf die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit im Schichtplanturnus nicht ausgeglichen werden. Der Senat verwies aber darauf, dass die Regelung nur Sinn mache, wenn man eine Differenzierung nach geplanten und ungeplanten Überstunden hineinlese.

Daran anknüpfend kam anschließend die Frage auf, ob es zulässig ist, Überstundenzuschläge an Teilzeitbeschäftigte erst ab dem Überschreiten der regelmäßigen Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten zu zahlen. Dies hat das BAG im Jahr 2017 so beantwortet, dass es sich um eine Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten gegenüber Vollzeitbeschäftigten ohne sachlichen Grund handele, wenn sie nicht bereits bei Überschreiten ihrer individuellen Arbeitszeit Überstundenzuschläge für ungeplante Überstunden erhielten (Urt. v. 23.03.2017, Az. 6 AZR 161/16). Zwar könne eine Differenzierung zwischen Voll- und Teilzeitbeschäftigten zulässig sein, wenn tarifliche Überstundenzuschläge für den Ausgleich der in den zusätzlichen Tätigkeiten liegenden besonderen Belastungen gezahlt würden. Eine solche Intention der Tarifvertragsparteien konnte das BAG den Regelungen des TVöD seinerzeit aber nicht entnehmen.

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BAG: Keine Diskriminierung

In dem am 15. Oktober 2021 ergangenen Urteil hat das BAG seine bisherige Rechtsprechung zu § 7 Abs. 8 lit. c) TVöD-K nun aufgegeben. Zunächst stellte es fest, dass die Norm mit Blick auf das Gebot der Normenklarheit unwirksam sei. Eine Differenzierung nach geplanten und ungeplanten Überstunden lasse sich der Regelung nicht entnehmen. Damit regelt § 7 Abs. 7 TVöD-K auch für Beschäftigte in Schicht- und Wechselschichtarbeit das Entstehen von Überstunden. Die Regelung verweist hierfür ausschließlich auf das Überschreiten der regelmäßigen Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten. Anderenfalls liegt Mehrarbeit im Sinne von § 7 Abs. 6 TVöD-K vor, die nicht zuschlagspflichtig ist.

Entgegen dem Urteil aus dem Jahr 2017 geht das BAG auch nicht mehr von einer Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten aus. Der TVöD-K enthalte nämlich für den Freizeitausgleich und die Überstundenvergütung für ungeplante Stunden, die Teilzeitbeschäftigte erbringen, eigenständige Regelungen, die sich so sehr von den Regelungen zum Entstehen, dem Ausgleich und der Vergütung von Überstunden bei Vollbeschäftigten unterscheiden, dass keine Vergleichbarkeit mehr gegeben sei. Mit dieser Differenzierung hätten die Tarifvertragsparteien ihren durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Gestaltungsspielraum nicht überschritten und keine diskriminierende Regelung geschaffen.

Nach der Entscheidung des BAG ist Teilzeitbeschäftigten somit auch im Fall von Schicht- und Wechselschichtarbeit nur noch im Rahmen von § 7 Abs. 7 TVöD-K ein Überstundenzuschlag zu zahlen. Das ist nur dann der Fall, wenn die regelmäßige Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten überschritten und nicht bis zum Ende der folgenden Kalenderwoche ausgeglichen wird. Anderenfalls handelt es sich (nur) um Mehrarbeit im Sinne von § 7 Abs. 6 TVöD-K, die nicht zuschlagspflichtig ist. Diese Differenzierung zwischen den Gruppen der Voll- und der Teilzeitbeschäftigten sei wirksam, weil für sie völlig unterschiedliche Regelungssysteme des TVöD-K in Bezug auf das Entstehen und den Ausgleich von Mehrarbeit und Überstunden gelten würden, so das BAG.

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