02.12.2020
Sie prägen inzwischen das abendliche Straßenbild in deutschen Städten. Sie liefern Essen oder sammeln E-Roller ein und bekommen ihre Aufträge per App. Die Rede ist von sog. Crowdworkern. Zumeist gelten sie als Selbständige. Einen Anspruch auf Mindestlohn und Urlaub hatten sie bislang nicht. In München klagte daher ein Crowdworker auf Beschäftigung. Nun hat das BAG entschieden. Bedeutet das Urteil nun das Ende von Vermittlungsplattformen?

Crowdworker sind nicht zwingend selbständig, sondern können auch – ohne Arbeitsvertrag – angestellt sein. Das hat jetzt das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden (BAG, Urteil vom 1. Dezember 2020, Az. 9 AZR 102/20).
Crowdworker arbeiten überwiegend mit ihrem Smartphone, Tablet oder Computer. Sie installieren eine App und erhalten fortan Aufträge von Unternehmen. Einen nach dem anderen. Sie dürfen Aufträge auch ablehnen bzw. wegdrücken. Passiert das aber zu oft, gibt es irgendwann gar keine mehr. Wie viel Geld sie für ihre Arbeit erhalten, wird vom Unternehmen festgelegt. Je schneller man arbeitet, desto mehr verdient man. Wer schnell ist, verdient teilweise gut, oftmals aber wird nicht einmal der 2015 eingeführte Mindestlohn von 8,50 Euro die Stunde erreicht. Doch das muss es auch nicht, denn die Crowdworker gelten als Solo-Crowdworker sind nicht zwingend selbständig, sondern können auch – ohne Arbeitsvertrag – angestellt sein. Das hat jetzt das Bundesarbeitsgericht entschieden.
Die im aktuellen Fall beklagte Internetfirma Roamler führt u.a. für Markenhersteller Kontrollen der Warenpräsentation im Einzelhandel oder in Tankstellen durch. Diese Aufträge werden dann über eine sog. „Crowd“ auf einer Internetplattform vergeben. Der Abschluss der streitgegenständlichen Basisvereinbarung berechtigt dazu, über eine App die auf der eigenen Internetplattform angebotenen Aufträge, die in einem selbst gewählten Radius von bis zu 50 km angezeigt werden, zu übernehmen. Bei erfolgter Übernahme ist ein Auftrag regelmäßig innerhalb von zwei Stunden nach bestehenden Vorgaben abzuarbeiten.
Vor dem LAG München hatte einer der Crowdworker darauf geklagt, Angestellter Roamlers zu sein, die ihm die Jobs vermittelte. Der Mann machte nach der Vermittlung durch die Plattform unter anderem Fotos von Tankstellen und Märkten, um sie zur Überprüfung der jeweiligen Warenpräsentation weiterzuleiten – und verdiente in 20 Stunden pro Woche knapp 1800 Euro im Monat. Als Roamler die Zusammenarbeit mit ihm beenden wollte, zog er vor Gericht. Seiner Auffassung nach bestand zwischen ihm und der Plattform ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Die beklagte Internetfirma hielt dagegen, der Mann sei selbstständig und habe auch als Selbstständiger Aufträge übernommen.
Vor dem Arbeitsgericht (AG) München verlor der klagende Crowdworker in erster Instanz (Urt. v. 20.2.2019, Az. 19 Ca 6915/18). Daraufhin zog er vor das LAG München.
Arbeitsrechtliche Frage? So hilft Ihnen WBS

Ohne Impfung = kein Gehalt! Legal?
02.12.2020
Der erste Chef macht Ernst! Ohne Impfung sollen seine Mitarbeiter freigestellt werden und kein Gehalt mehr bekommen. Ein Youtube Zuschauer ist unmittelbar betroffen und fragt uns nach der Rechtslage. Wir klären auf, ob es so zu einem indirekten Impfzwang kommen kann. Im April 2020 erregte Amazon-Chef Jeff Bezos mit der Ankündigung Aufsehen, er wolle an den Amazon-Mitarbeitern unabhängig von offen auftretenden Symptomen Gesundheitstests und -überwachung durchführen. Es seien regelmäßige Tests auf einen COVID-19-Befund geplant. Zudem hatte das Unternehmen nach eigenen Angaben 31.000 Thermometer und über 1.115 Wärmebildkameras angeschafft, um die Körpertemperatur als Indikator für eine Coronavirus-Erkrankung zu nutzen. Zur Gewährleistung der Kontrolle der betrieblich vorgeschriebenen Sicherheitsabstände von zwei Metern werden die Arbeitnehmer des Unternehmens außerdem mithilfe von Videokameras und einer speziell hierfür installierten Software überwacht. – Dagegen wurde geklagt, den Ausgang der Klage findet ihr in diesem Video.

Betriebsbedingte Kündigung: Was kann ich dagegen tun? Gibt es eine Abfindung?
02.12.2020
Eine Kündigung kann jeden treffen. Gerade in den aktuellen Corona-Zeiten, in denen viele Unternehmen den betrieb einstellen müssen, verlieren viele Menschen ihren Job. In diesem Video erkläre ich, was bei einer Betriebsbedingten Kündigung zu tun ist und wie man sich dagegen wehren kann.

Corona & Homeoffice: Muss mein Chef einen Laptop stellen? – Kann ich meinen nehmen?
02.12.2020
Gerade in Zeiten von Corona steigen viele Arbeitnehmer auf das Homeoffice um. Einige benutzen dort ihren privaten Laptop für die Arbeit. Doch ist das so ohne weiteres Erlaubt oder muss mein Chef mir einen Firmenlaptop zur Verfügung stellen? Das alles kläre ich im heutigen Video.

Coronavirus: Kurzarbeit & Kündigung – Alle wichtigen Infos
02.12.2020
Das Coronavirus breitet sich weiter aus. Die Ausfälle für die Wirtschaft sind bereits jetzt eingetreten und unabsehbar. Rechtsanwalt Christian Solmecke und Rechtsanwältin Renate Schmid erläutern die derzeitigen rechtlichen Voraussetzungen zum Kurzarbeitergeld und zur Kündigung.

Job weg, Kündigung ok? Wann leeren Sie Ihren Briefkasten?
02.12.2020
Wie oft sollte man in seinen Briefkasten schauen? Das Bundesarbeitsgericht (BAG) musste nun genau das im falle einer fristlosen Kündigung entscheiden.

Coronavirus: Events absagen & Geisterspiele – Das müsst ihr wissen
02.12.2020
Gesundheitsminister Jens Spahn empfiehlt, Events mit mehr als 1000 Menschen abzusagen. Die Unsicherheit bei der rechtlichen Bewertung ist bei betroffenen Veranstaltern, Kunden und Verbrauchern groß. Rechtsanwältin Renate Schmid und Rechtsanwalt Christian Solmecke geben Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Arbeitsverträge: Darauf solltest du achten!
02.12.2020
Fast jeder Erwachsene hat in seinem Leben mindestens einmal mit einem Arbeitsvertrag zu tun. Aber was genau steht da eigentlich drin? Worauf sollte man als Arbeitgeber aber auch als Arbeitnehmer achten und welche Fristen und Pflichten gehen mit einem solchen Vertrag einher? Alle Informationen rund um das Thema Arbeitsvertrag erfährst du in diesem Video.

Coronavirus-FAQ: Das müssen Sie jetzt wissen
02.12.2020
Das Coronavirus breitet sich nun auch rasant bei uns in Europa aus. Und das macht vielen Sorgen. Bürgerinnen und Bürger sind verunsichert und die Fragen, die unsere Kanzlei erreichen, häufen sich massiv. Wir beantworten daher alle wichtigen Fragen zu den Themenblöcken „Was darf der Staat“, „Arbeitsrecht“, „Reisen“ und „Veranstaltungen“.

Ja ne, is klar: Nach 22 Jahren erneute Befristung
02.12.2020
Viele Arbeitgeber setzen bei Neueinstellungen auf befristete Arbeitsverträge. Das geht nur, wenn der Arbeitnehmer noch nie zuvor dort beschäftigt war. Dieses „nie zuvor“ hat das BAG nun einmal mehr neu definiert.
Urteile der Vorinstanzen
Doch auch das LAG konnte er mit seiner Rechtsauffassung nicht überzeugen. Es habe weder eine Verpflichtung zur Annahme eines Auftrags bestanden, noch umgekehrt eine Verpflichtung für den Auftraggeber Aufträge anzubieten, so die Richter. Ein Arbeitsvertrag liege nach der gesetzlichen Definition nur dann vor, wenn der Vertrag die Verpflichtung zur Leistung von weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit vorsehe.
Dies drücke sich im Allgemeinen darin aus, dass der Mitarbeiter Arbeitsanweisungen hinsichtlich Zeit, Ort und Inhalt der geschuldeten Dienstleistung beachten müsse und in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers eingebunden sei. Maßgeblich sei die tatsächliche Durchführung des Vertrages.
Wegen grundsätzlicher Bedeutung wurde jedoch die Revision zum Bundearbeitsgericht zugelassen. Schließlich arbeiten derzeit rund 4,8 Prozent der wahlberechtigten Bevölkerung in Deutschland als Crowdworker. Der Deutsche Gewerkschaftsbund sieht diese Zahl künftig als weiter steigend an. Seit langem werden daher bereits faire Regeln gefordert, um die prekäre Situation der Crowdworker zu reglementieren.
BAG: Crowdworker war Arbeitnehmer
Diese Ansicht vertrat jedoch das BAG nicht und stufte den Crowdworker nunmehr als Arbeitnehmer ein. Der Crowdworker habe in arbeitnehmertypischer Weise weisungsgebundene und fremdbestimmte Arbeit in persönlicher Abhängigkeit geleistet.
Zeige die tatsächliche Durchführung eines Vertragsverhältnisses, dass es sich hierbei um ein Arbeitsverhältnis handelt, komme es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an. Die dazu vom Gesetz verlangte Gesamtwürdigung aller Umstände könne ergeben, dass Crowdworker als Arbeitnehmer anzusehen seien. Für ein Arbeitsverhältnis spreche, wenn der Auftraggeber die Zusammenarbeit über die von ihm betriebene Online-Plattform so steuere, dass der Auftragnehmer infolge dessen seine Tätigkeit nach Ort, Zeit und Inhalt nicht frei gestalten könne.
Der klagende Mann habe in arbeitnehmertypischer Weise weisungsgebundene und fremdbestimmte Arbeit in persönlicher Abhängigkeit geleistet. Zwar sei er vertraglich nicht zur Annahme von Angeboten Roamlers verpflichtet gewesen. Die Organisationsstruktur der von Roamler betriebenen Online-Plattform sei aber nach Auffassung der Richter darauf ausgerichtet gewesen, dass über einen Account angemeldete und eingearbeitete Nutzer kontinuierlich Bündel einfacher, Schritt für Schritt vertraglich vorgegebener Kleinstaufträge annehmen, um diese persönlich zu erledigen. Erst ein mit der Anzahl durchgeführter Aufträge erhöhtes Level im Bewertungssystem ermögliche es den Nutzern der Online-Plattform, gleichzeitig mehrere Aufträge anzunehmen, um diese auf einer Route zu erledigen und damit faktisch einen höheren Stundenlohn zu erzielen. Durch dieses Anreizsystem sei der Mann dazu veranlasst worden, in dem Bezirk seines gewöhnlichen Aufenthaltsorts kontinuierlich Kontrolltätigkeiten zu erledigen.
Das BAG hat die Revision des Mannes gleichwohl überwiegend zurückgewiesen, da die vorsorglich erklärte Kündigung das Arbeitsverhältnis der Parteien wirksam beendet hat. Hinsichtlich der vom Kläger geltend gemachten Vergütungsansprüche wurde der Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Der Kläger könne nicht ohne weiteres Vergütungszahlung nach Maßgabe seiner bisher als vermeintlich freier Mitarbeiter bezogenen Honorare verlangen. Stelle sich ein vermeintlich freies Dienstverhältnis im Nachhinein als Arbeitsverhältnis dar, könne in der Regel nicht davon ausgegangen werden, die für den freien Mitarbeiter vereinbarte Vergütung sei der Höhe nach auch für eine Beschäftigung als Arbeitnehmer verabredet. Geschuldet ist die übliche Vergütung iSv. § 612 Abs. 2 BGB, deren Höhe das LAG München nun aufzuklären hat.
Vermittlungsplattformen damit am Ende?
Für Vermittlungsplattformen bedeutet das Urteil zwar nicht das Ende, doch müssen Unternehmen nun dringend ihr gesamtes Geschäftsmodell prüfen und unter Umständen entsprechend anpassen. Die bislang zumeist vorliegenden engen Bindungen und Vorgaben zur Gestaltung der Abläufe werden künftig in dieser Form nicht mehr möglich sein. Ansonsten birgt es für die Unternehmen die Gefahr, dass die Crowdworker als Arbeitnehmer zu qualifizieren sind. Die Folge wären entsprechende Rechte der Crowdworker auf Urlaub, Kündigungsschutz, Entgeltfortzahlung und betriebliche Mitbestimmung. Außerdem müssten die Unternehmen dann als Arbeitgeber auch Sozialversicherungsabgaben leisten.
tsp