In der heutigen Zeit werden Stellenanzeigen immer kreativer. Bei der Verwendung von Formulierungen, mit denen sich Arbeitgeber von der Konkurrenz absetzen wollen, laufen diese Gefahr, gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz zu verstoßen. Das Arbeitsgericht Koblenz (Urteil vom 09.02.22 – 7 Ca 2291/21) hatte sich jüngst mit einem solchen Sachverhalt auseinander zu setzen, bei dem ein Arbeitgeber „coole Typen“ suchte. Liegt hierin eine Alters- oder Geschlechterdiskriminierung, die einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot begründen kann? WBS informiert.

Stellenausschreibungen sind längst nicht mehr so eintönig wie noch vor ein paar Jahren. Mittlerweile werden umgangssprachliche Floskeln, die das Unternehmen jung und attraktiv wirken lassen sollen, gerne genutzt. Hier ist jedoch Vorsicht geboten, denn ziemlich schnell begründet dies eine Diskriminierung wegen des Alters, des Geschlechts oder der ethnischen Herkunft der Bewerber gemäß §§ 1, 7 AGG.

Die Stellenausschreibung

Das Verfahren vor dem Arbeitsgericht (AG) Koblenz betraf die Stellenausschreibung eines Handwerksbetriebs, in der es hieß: „Wir suchen coole Typen – Anlagenmechaniker – Bauhelfer (…)“. Die Klägerin ist nach dem biologischen Geschlecht ein Mann, fühlt sich aber dem weiblichen Geschlecht zugehörig. Sie bewarb sich auf die Stelle, nutzte in ihrer Bewerbung durchgehend die weibliche Form, wenn sie ihre Kenntnisse etwa als „Elektrotechnikerin“ beschrieb und unterzeichnete das Schreiben mit „Frau Markus (Nachname)“. In der Folge wurde sie von dem Unternehmen benachrichtigt, dass ihre Bewerbung keine weitere Berücksichtigung in dem Bewerbungsverfahren erhalten würde. Die Klägerin sah sich durch die Stellenausschreibung wegen ihres Alters sowie aufgrund ihrer sexuellen Identität nach dem AGG diskriminiert. Vor dem Arbeitsgericht machte sie daher Entschädigungsansprüche gemäß § 15 Abs. 2 AGG geltend (ArbG Koblenz, Urteil vom 09.02.22 – 7 Ca 2291/21).

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Keine Altersdiskriminierung

Das AG Koblenz bejahte im Ergebnis einen Anspruch auf Entschädigung zugunsten der Klägerin aufgrund einer Benachteiligung wegen des Geschlechts. Zunächst befasste sich das Gericht jedoch damit, mit der Nutzung der Phrase „coole Typen“ eine Altersdiskriminierung angenommen werden könnte. Die Klägerin hatte vorgebracht, dass darin eine Tendenz zu erkennen sei, dass die Formulierung lediglich auf junge Bewerber bezogen sei. Dies überzeugte das Gericht indes nicht. Das Adjektiv „cool“ sei mittlerweile im allgemeinen Sprachgebrauch geläufig und  „eingebürgert“. Der Begriff würde weder ausschließlich von jungen noch von alten Personen genutzt. Cool beschreibe dabei Menschen, Verhaltensweisen oder Geschehnisse und bringe besonders positiv empfundene Sachverhalte zum Ausdruck. Es sei kein Altersbezug zu erkennen. Das Gericht betonte in diesem Zusammenhang auch, dass es nicht zu beachten sei, dass das Unternehmen nur jüngere Arbeitnehmer beschäftige.

Diskriminierung wegen des Geschlechts

Dagegen bejahte das Arbeitsgericht eine Benachteiligung aufgrund des Geschlechts. Das Unternehmen nutze in der Stellenanzeige ausschließlich die männliche Form, wenn es „Anlagenmechaniker“ und „Bauhelfer“ suche. Dies ließe den Schluss zu, dass die Anzeige sich auch nur an Männer richten solle. Die Formulierung begründe daher ein Indiz für eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts im Sinne des § 22 AGG und damit einen Verstoß gegen das Verbot benachteiligender Stellenausschreibungen gemäß § 11 AGG. Nicht zu beanstanden war laut des Gerichts die Nutzung des Wortes „Typ“. Es existiere keine entsprechende weibliche Form, daher werde die Nutzung als geschlechtsneutrale Formulierung nicht beanstandet.

Indizwirkung der Diskriminierung auch für biologische Männer?

Der Kern des Urteils betraf die Frage, ob sich die Klägerin auf die Indizwirkung der diskriminierenden Formulierung auch berufen konnte. Die Klägerin ist ein biologischer Mann, identifiziert sich jedoch mit dem weiblichen Geschlecht. Das Gericht musste daher im Anschluss an die Feststellung der Diskriminierung ausführen, ob die Klägerin dem männlichen oder weiblichen Geschlecht zuzuordnen war. Es erörterte, dass das AGG sowie die Gleichbehandlungsrichtlinie 2006/54/EG ihren Schutz vor Benachteiligungen wegen des Geschlechts auch auf transsexuelle Personen erstrecke, die sich nicht ihrem biologischen Geschlecht zuordnen. Nicht nötig sei dafür, die Angleichung des Vornamens oder eines Statuswechsels des Geschlechts beziehungsweise eine Geschlechtsumwandlung; einzige Voraussetzung sei, dass psychisches und biologisches Geschlecht auseinanderfielen. Zur Begründung zog das Gericht höchstrichterliche Entscheidung heran, die als Grundsatzurteile auch auf ähnliche Fälle angewendet werden können (so zum Beispiel: BAG, Urteil vom 17.12.2015 – 8 AZR 421/14 oder BVerfG, Beschluss vom 06.12.2005 – 1 BvL 3/03). Im Ergebnis sprach das Gericht der Klägerin 5.000 EUR Schadensersatz wegen der geschlechterspezifischen Diskriminierung zu. Die Klägerin hatte 10.000 EUR beantragt.

Schadensersatz wegen Datenschutzverstoß

Bei den 5.000 EUR Schadensersatz verblieb es nicht. Das Gericht sprach der Klägerin weitere 1.000 EUR Schadensersatz zu, da der Geschäftsführer die Bewerbungsunterlagen nachweislich an eine Kundin über den Dienst „WhatsApp“ weitergeleitet hatte und sich abfällig über die Klägerin geäußert hatte. Damit habe der Arbeitgeber gegen die Vertraulichkeitspflicht verstoßen. Arbeitgeber trifft grundsätzlich die Pflicht, Bewerbungsunterlagen nicht angenommener Bewerber an diese zurückzusenden oder sie – mit Einverständnis des Bewerbers – zu vernichten oder für eine spätere Stellenausschreibung aufzubewahren. Dabei sind die Daten vertraulich zu behandeln. Externe Dritte dürfen von den Unterlagen keine Kenntnis erlangen. Im vorliegenden Fall habe der Geschäftsführer durch die Weiterleitung das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin verletzt.

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Ausblick für die Praxis

Das Urteil definiert den Begriff „cool“. Nach „coolen Typen“ darf im Ergebnis gesucht werden, jedoch nur mit dem Zusatz (m/w/d), wobei der Begriff „Typ“ sehr wohl geschlechtsneutral zu interpretieren sei. Suchen Arbeitgeber jedoch ohne den Zusatz (m/w/d) nach „coolen Typen“, stellt dies ein Indiz für die Benachteiligung aufgrund des Geschlechts dar. Erkenntnisreich sind auch die Erörterungen des Gerichts zu der Frage, welches Geschlecht einer Person tatsächlich zugeordnet werden kann. In dieser Intensität hatte sich noch kein Arbeitsgericht mit der Frage zuvor beschäftigt – das BAG hatte in vergleichbaren Fällen offengelassen, ob eine Diskriminierung wegen des Geschlechts anzunehmen ist. Das Urteil sollte Arbeitgeber daran erinnern, stets geschlechtsneutrale Formulierungen zu wählen, um keine Entschädigungspflicht auszulösen.

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