Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, dass der presserechtliche Auskunftsanspruch auch gegenüber Aktiengesellschaften geltend gemacht werden kann, die im Bereich der Daseinsvorsorge (hier: Wasser- und Energieversorgung, Abwasserentsorgung) tätig sind und deren Anteile sich mehrheitlich im Eigentum der öffentlichen Hand befinden.

Worum ging es?

Der Kläger ist Journalist. Er arbeitet an einem Artikel über die Finanzierung des Bundestagswahlkampfs der SPD im Jahr 2013 und früherer Landtagswahlkämpfe der SPD in Nordrhein-Westfalen. In diesem Zusammenhang recherchiert er, ob in den Jahren 2013 und 2010 betriebene Internetblogs, in denen die Wahlkämpfen der SPD unterstützende Beiträge und Dokumente veröffentlicht worden sind, mit öffentlichen Mitteln finanziert wurden.

Die Beklagte ist eine Aktiengesellschaft, die Leistungen der Wasser- und Energieversorgung und der Abwasserentsorgung erbringt. Die Mehrheit der Aktienanteile wird von Kommunen gehalten. Der Kläger hat den Verdacht, dass die Beklagte die Internetblogs indirekt finanziert hat, indem sie an Unternehmen, die mit den Blogs in Verbindung stehen, überhöhte Zahlungen für angebliche Vertragsleistungen erbracht hat. Er hat die Beklagte auf Auskunft über die den Unternehmen erteilten Aufträge, die erbrachten Leistungen und die in Rechnung gestellten Vergütungen in Anspruch genommen.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen

Das Landgericht Essen hat die Klage abgewiesen (LG Essen, Urteil vom 14. November 2013, Az. 3 O 217/13). Das Oberlandesgericht Hamm hat die Beklagte zur Auskunftserteilung ab dem Jahr 2009 verurteilt (Unseren ausführlichen Beitrag hierzu finden Sie unterhalb dieses Beitrags). Es hat angenommen, die Beklagte sei nach § 4 Abs. 1 LPresseG NRW* zur Auskunft verpflichtet (OLG Hamm – Urteil vom 16. Dezember 2015, Az. I-11 U 5/14). Sie sei eine Behörde im presserechtlichen Sinn, weil sie von kommunalen Aktionären beherrscht und von ihnen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge eingesetzt werde. Der Verdacht des Klägers, die Beklagte habe über Zahlungen an die Unternehmen die Wahlkämpfe der SPD verdeckt finanziert, sei nicht von vornherein haltlos. Die Beklagte könne die Auskunft nicht nach § 4 Abs. 2 LPresseG NRW* unter Verweis auf schützenswerte Geschäftsgeheimnisse verweigern. Der Auskunftsanspruch beschränke sich auf Informationen, die im zeitlichen Zusammenhang mit den Wahlkämpfen stünden.

Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage. Der Kläger verfolgt mit seiner Anschlussrevision seinen Antrag auf Auskunft über von der Beklagten vor dem Jahr 2009 erteilte Aufträge weiter.

BGH klärt Umfang des Auskunftsanspruch von Journalisten

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Der Bundesgerichtshof hat die Anschlussrevision des Klägers zurückgewiesen. Die Revision der Beklagten hatte nur insoweit Erfolg, als sie sich gegen die Verurteilung zur Auskunft seit dem Jahr 2014 richtet (Urteil vom 16. März 2017 – I ZR 13/16). Der Bundesgerichtshof hat die Beklagte als auskunftspflichtige Behörde im Sinne von § 4 Abs. 1 LPresseG NRW angesehen. Der presserechtliche Begriff der Behörde erfasst auch juristische Personen des Privatrechts, die von der öffentlichen Hand beherrscht und zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben, etwa im Bereich der Daseinsvorsorge, eingesetzt werden. Eine Beherrschung in diesem Sinne ist in der Regel anzunehmen, wenn mehr als die Hälfte der Anteile der privatrechtlichen juristischen Person im Eigentum der öffentlichen Hand stehen. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall gegeben. Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg auf ein Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 3 LPresseG NRW berufen. Dem vom Kläger verfolgten Informationsinteresse kommt ein größeres Gewicht als dem Interesse der Beklagten und der betroffenen Dienstleistungsunternehmen an der Geheimhaltung der Vertragskonditionen zu. Im Hinblick auf die sachgerechte Verwendung öffentlicher Mittel und die politischen Aktivitäten eines kommunal beherrschten Unternehmens besteht ein gewichtiges öffentliches Informationsinteresse. Der Auskunftsanspruch umfasst allerdings nur den Zeitraum, für den ein berechtigtes Informationsinteresse der Presse besteht. Dies ist vorliegend die Zeit von 2009 bis 2013.


Hier unser Beitrag zur Entscheidung der Vorinstanz:

OLG Hamm stärkt Auskunftsanspruch von Journalisten

Wenn ein privates Unternehmen der Daseinsvorsorge, durch die öffentliche Hand beherrscht wird, gibt es einen Auskunftsanspruch über Abschluss und Abwicklung von Verträgen mit Dienstleistern, so ein Urteil des OLG Hamm.

Um über verdeckte Wahlkampffinanzierungen zu recherchieren hatte ein Journalist von einem privaten Unternehmen der Daseinsvorsorge, welches im Bereich Trinkwasserversorgung, Energieversorgung und Abwasserentsorgung tätig ist, Auskunft über Abschluss, Inhalt, erbrachte Leistungen und Vergütung von Verträgen, die mit verschiedenen Dienstleistern abgeschlossen wurden, verlangt.

Auskunftsverlangen wegen Verdacht auf Wahlkampffinanzierung

Der Journalist begründete sein Auskunftsverlangen mit dem Verdacht, dass das Unternehmen zwei Blogs mit den abgeschlossenen Verträgen indirekt finanziell unterstützt habe. Insofern habe er prüfen wollen, ob die Beklagte durch Scheinaufträge eine verdeckte Wahlkampffinanzierung vorgenommen habe, so die Meldung des OLG Hamm weiter.

Weil das Unternehmen die Auskunft unter Hinweis auf das Geschäftsgeheimnis verweigerte, reichte der Journalist Klage ein

Auskunftsanspruch nach NRW-Landespressegesetz

Der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm entschied jedoch, dass Pressevertreter einen Auskunftsanspruch gem. § 4 des nordrhein-westfälischen Landespressegesetzes haben (Urteil des 11. Zivilsenats des OLG Hamm vom 16.12.2015 (11 U 5/14), nicht rechtskräftig (BGH I ZR 13/16).

Die Beklagte sei als Behörde im Sinne des nordrhein-westfälischen Landespressegesetzes zur Auskunft verpflichtet, auch wenn sie als Aktiengesellschaft organisiert sei und privatrechtlich tätig werde, so die Richter. Denn dem Landespressegesetz unterfielen auch juristische Personen des Privatrechts, wenn sich die öffentliche Hand ihrer zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben bediene, so wie es hier der Fall sei.

Der klagende Journalist haben mit den Auskünften lediglich der öffentlichen Aufgabe der Presse nachgehen wollen. Es sei zudem hinzunehmen, wenn die Presse auf einen bloßen Verdacht hin recherchiere und auch nicht zu bewerten, ob ein öffentliches Interesse an der Auskunftserteilung bestehe – andernfalls bestünde die Gefahr einer verbotenen Zensur, so die Meldung weiter.

Im vorliegenden Fall habe die vorgetragene Verdachtsgrundlage eine journalistische Recherche gerechtfertigt, ein Handeln aus bloßer Neugier oder privaten Interessen sei hier auszuschließen. Zudem habe das Informationsinteresse der Presse bei dem Verdacht einer indirekten Parteien- oder Wahlkampffinanzierung erhebliches Gewicht, so die Meldung weiter. (COH)

Quelle: Pressemitteilung des OLG Hamm vom 09.02.2016