Eine Österreicherin, die Mohammed, den Religionsstifter des Islam, als Pädophilien bezeichnete, sei in Österreich zu Recht dafür verurteilt worden, so der EGMR. Die Meinungsfreiheit garantiere zwar allen Bürgern das Recht, auch kritische Meinungen zu äußern. Gleichzeitig sei es aber auch Bestandteil der Religionsfreiheit, nicht jede (unsachliche) Kritik zu akzeptieren.

Gläubige könnten zwar nicht erwarten, dass ihre Religion von jeglicher Kritik ausgenommen sei, sondern müssen die Ablehnung ihrer eigenen religiösen Überzeugungen durch andere akzeptieren und zu tolerieren. Sofern jedoch Äußerungen die Grenzen einer ablehnenden Kritik überschreiten würden und geeignet seien, zu religiöser Intoleranz zu verleiten, könne ein Staat diese als mit der Gedanken-, Gewissens und Religionsfreiheit nicht vereinbar erklären und angemessene, einschränkende Maßnahmen treffen, so der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR, Urt. v. 25.10.2018, Az. 38450/12).

Verurteilung wegen Herabwürdigung religiöser Lehren

Der Fall betraf die Verurteilung einer Österreicherin wegen der Herabwürdigung religiöser Lehren. Sie tätigte Aussagen, die nahe legten, dass Mohammed pädophile Neigungen gehabt habe.

Die Österreicherin hielt 2009 zwei Seminare zum Thema „Grundlagen des Islam“. In den Seminaren sprach sie u.a. die Ehe zwischen dem Propheten Mohammed und einem sechsjährigen Mädchen namens Aisha an. Sie äußerte sich dahingehend, dass die Ehe angeblich vollzogen wurde (gemeint ist der erste Geschlechtsverkehr), als das Kind neun Jahre alt war. So sagte sie, dass Mohammed „nun mal gerne mit Kindern ein bisschen was hatte“ und zeigte sich hierüber erbost: „Ein 56-Jähriger und eine 6-Jährige? […] Wie nennen wir das, wenn es nicht Pädophilie ist?“

Am 15. Februar 2011 stellte daraufhin das Landesgericht für Strafsachen in Wien fest, dass diese Aussagen implizieren würden, dass Mohammed pädophile Neigungen gehabt habe. Die Österreicherin wurde wegen der Herabwürdigung religiöser Lehren zu einer Geldstrafe in Höhe von € 480,- und dem Ersatz der Verfahrenskosten verurteilt.

Auch ihre Berufung vor dem Oberlandesgericht Wien scheiterte. Das Gericht bestätigte die Verurteilung und berief sich im Wesentlichen auf die Begründung der ersten Instanz. Ein Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens wurde vom Obersten Gerichtshof abgewiesen.

Freiheit der Meinungsäußerung? Österreicherin zog vor den EMGR

Unter Berufung auf Artikel 10 (Freiheit der Meinungsäußerung) der europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) rügte die Frau, dass die österreichischen Gerichte es unterlassen hätten, den Kern ihrer strittigen Aussagen unter  Berücksichtigung ihrer Meinungsfreiheit zu bewerten. Denn hätten sie dies getan, so würden sie ihre Aussagen nicht als bloße Werturteile, sondern als auf Tatsachen basierende Werturteile ansehen. Darüber hinaus habe ihre Kritik am Islam im Rahmen einer objektiven und lebhaften Diskussion zu einer öffentlichen Debatte beigetragen und sei nicht darauf ausgerichtet gewesen, den Propheten des Islam zu diffamieren. Zumal auch religiöse Gruppen harsche Kritik tolerieren müssten.

Im Ergebnis jedoch folgte der EGMR der Österreicherin nicht. Die EGMR-Richter urteilten, dass jene, die ihre Religion gemäß Artikel 9 (Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit) EMRK ausüben wollen, nicht erwarten könnten, von jeglicher Kritik ausgenommen zu sein. Vielmehr hätten sie die Ablehnung ihrer religiösen Überzeugungen durch andere zu akzeptieren und zu tolerieren. Nur wenn Äußerungen die Grenzen einer ablehnenden Kritik überschreiten würden, könne ein Staat die Äußerungen als mit der Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit nicht vereinbar erklären und angemessene, einschränkende Maßnahmen treffen.

Auch sei die in diesem Fall dahinterstehende Debatte von besonders sensibler Natur und die (möglichen) Auswirkungen der strittigen Aussagen zu einem gewissen Grad sowohl von der Situation im jeweiligen Land, als auch vom Zeitpunkt und Kontext, in dem sie getroffen wurden, abhängig. Folglich, so der EGMR, sei das Gericht der Auffassung, dass den österreichischen Behörden in diesem Fall ein weiter Beurteilungsspielraum zugekommen sei, da sie hätten besser beurteilen können, ob die Aussagen den religiösen Frieden in ihrem Land stören könnten.

EGMR – Religiöser Frieden sollte in Österreich bewahrt bleiben

Die Straßburger Richter stellten in ihrem Urteil fest, dass die innerstaatlichen Gerichte nachvollziehbar erläutert hätten, warum sie die Aussagen der Österreicherin für geeignet hielten, berechtigte Verärgerung hervorzurufen. Insbesondere wären sie nicht auf eine objektive Art und Weise getätigt worden, die einer Debatte von öffentlichem Interesse gedient hätte (z.B. zum Thema Kinderehen), sondern hätten nur so verstanden werden können, dass Mohammed der Verehrung nicht würdig sei.

Der EGMR stimmte den österreichischen Gerichten dahingehend zu, dass sich die Frau dessen bewusst gewesen sein musste, dass ihre Aussagen zum Teil auf unwahren Tatsachen beruhten und geeignet gewesen seien, berechtigte Verärgerung bei anderen hervorzurufen. Die Wiener Richter wären daher zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Frau Pädophilie als die allgemeine sexuelle Präferenz von Mohammed bezeichnet und es versäumt habe, ihr Publikum auf neutrale Art über den historischen Hintergrund zu informieren. Eine ernsthafte Debatte sei zu diesem Thema insofern nicht möglich gewesen. Daher gäbe es keinen Grund, von der Einordnung der strittigen Aussagen als bloße Werturteile abzuweichen. Auch sei das Recht der Österreicherin auf Meinungsäußerungsfreiheit von den österreichischen Gerichten sorgfältig mit dem Recht anderer auf Schutz ihrer religiösen Gefühle abgewogen worden, wodurch der religiösen Frieden in der österreichischen Gesellschaft bewahrt werden sollte.

Auch das Vorbringen der Frau, ein paar pointierte Äußerungen ohne konkreten sachlichen Bezug hätten in einer lebhaften Debatte akzeptiert werden müssen, schmetterte der EGMR ab. Denn bloß weil andere im Rahmen des Seminars getroffene Aussagen von der Meinungsfreiheit gedeckt gewesen seien, würde dies die inkriminierten Äußerungen nicht deshalb akzeptabel machen.

Schließlich kann die strafrechtliche Sanktion nicht als unverhältnismäßig angesehen werden, da die Damee zu einer geringen Geldstrafe verurteilt wurde und diese Strafe am unteren Ende des Strafrahmens angesiedelt war. Unter diesen Umständen und angesichts der Tatsache, dass die Frau aufgrund mehrerer Aussagen verurteilt worden war, sei eine Verurteilung der Frau wegen Herabwürdigung religiöser Lehren durchaus berechtigt gewesen.