Normalerweise erstattet der Staat einem nach einem Freispruch keine Kosten für Privatgutachten. Das sieht aber anders aus, wenn das Gericht aufgrund eines Hinweises deutlich macht, dass es kein Gerichtsgutachten in Auftrag geben werde.

Wer in einem Ordnungswidrigkeitsverfahren gezwungen ist, mit einem notwendigen Privatgutachten seine Unschuld zu beweisen, der darf auch nicht anschließend auf diesen Kosten sitzen bleiben. Das beschloss nun das Landgericht (LG) Dessau-Roßlau (Beschl. v. 04.05.2023, Az. 6 Qs 394 Js 26340/21 (56/23))

Nachdem einem Mann vorgeworfen wurde, er sei außerorts 29 km/h zu schnell gefahren, eröffnete das Amtsgericht (AG) Dessau-Roßlau ein Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen diesen. Bereits in der Ladung zu dem Verhandlungstermin teilte das AG mit, dass derzeit keine Anhaltspunkte für Messfehler bestünden. Daraufhin beauftragte der Betroffene mit seinem Verteidiger ein privates Sachverständigengutachten. Dieses kostete fast 2.400 Euro und stellte den Hauptteil der notwendigen Auslagen der Verteidigung in dem späteren Verfahren dar. In dem Gutachten konnte der Sachverständige Auffälligkeiten bei den Bildpositionen in der Messserie entdecken. Diese Ungereimtheiten der Messung bestätigte anschließend ein Gerichtsgutachter, weswegen das Gericht den Betroffenen freisprach.

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Betroffener soll auf den Kosten sitzen bleiben

Der Mann erhielt zwar den Freispruch, sollte aber auf den Kosten des in Auftrag gegebenen Privatgutachtens in Höhe von 2.400 Euro sitzen bleiben. So zumindest die Ansicht des AG und der Bezirksrevisorin, welche für die Kostenprüfung zuständig war. Diese befanden, dass das Privatgutachten keine notwendige Auslage war, weil der Freispruch letztlich aufgrund des Gerichtsgutachtens erfolgte. Vermeidbare Kosten eines privaten Gutachtens musste der Betroffene daher selbst tragen.

LG: Privatgutachten war notwendig und muss erstattet werden

Dagegen legte der Mann Beschwerde ein. Das LG Dessau-Roßlau befreite den Betroffenen dann von seinem teuren Freispruch. Grundsätzlich seien eigene Gutachten zwar nicht notwendig, hier liege aber laut Gericht ein Ausnahmefall vor.

Die Richter des LG bezweifelten aufgrund des Hinweises in der Ladung, dass das AG ohne das erstellte Privatgutachten näher nachgeforscht hätte. So wäre ohne konkreten – fachlich untermauerten – Vortrag die Position der Verteidigung wesentlich schwächer gewesen. Das eigene Gutachten sei demnach notwendig gewesen, um einen Freispruch zu erzielen. Die Staatskasse muss daher für die Auslagen aufkommen.

Der Beschluss lässt sich also folgendermaßen zusammenfassen: Wer zu Unrecht einem Verfahren ausgesetzt ist, der soll vom Staat auch die notwendigen Kosten erstattet bekommen.

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