Facebook darf seine Nutzer vor dem Teilen eines Beitrags, den sie nicht gelesen haben, darauf hinweisen und sie bitten, das zunächst nachzuholen. Das entschied nun das LG Karlsruhe. Ein solcher Hinweis sei nicht bevormundend, sondern eine neutrale Erinnerung an eigentlich Selbstverständliches.

Facebook darf vor dem Teilen eines nicht angeklickten und folglich auch nicht gelesenen Posts Hinweise einblenden, mit denen der Nutzer gebeten wird, den Beitrag zuerst zu lesen. Das entschied eine Kammer für Handelssachen am Landgericht (LG) Karlsruhe (Beschl. v. 20.01.2022, Az. 13 O 3/22 KfH).

Bevormundet Facebook seine Nutzer?

Die Hinweise, die von Facebook vor dem Teilen eines ungelesenen Beitrags angezeigt wurden, lauteten: „Weißt du wirklich, was du da gerade teilst? Damit du umfassend informiert bist, worum es in diesem Artikel geht, nimm dir bitte die Zeit, ihn erst zu lesen.“ sowie „Sieh dir genau an, was du teilst, bevor du es teilst. Um zu wissen, was du teilst, ist es immer eine gute Idee, Artikel erst selbst zu lesen.“

Eine Betreiberin eines politischen Blogs auf Facebook fühlte sich durch diese Hinweise in ihren Rechten verletzt. Sie war der Auffassung, es handele sich hierbei um bevormundende und paternalistische Anmaßungen, die bei üblichem Sprachgebrauch Vorbehalte gegenüber dem journalistischen Inhalt formulierten. Darin liege eine Herabsetzung und Behinderung im Wettbewerb der Parteien.

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LG sieht neutral gefasste Erinnerung

Das LG stimmte der Seitenbetreiberin nicht zu. Sie sei nicht gehindert, ihren bzw. den von ihrem Autor verfassten Beitrag auf Facebook zu publizieren. Außerdem könne jeder Nutzer den Beitrag beliebig teilen und lesen. Es erscheine lebensfremd, dass sich Nutzer von einem solchen Hinweis davon abschrecken lassen würden, den Inhalt zu teilen. Es bedürfe lediglich eines einzigen weiteren Klicks, um den Beitrag tatsächlich – nach Wunsch auch ungelesen – zu teilen.

Im Kontext handele es sich bei den Hinweisen auch nicht um ein abträgliches Werturteil, sondern eine Erinnerung an eigentlich Selbstverständliches: Man sollte stets nur das weiterverbreiten, was man selbst inhaltlich zur Kenntnis genommen hat. Die Einblendung sei auch neutral gefasst, insbesondere liege keine auf den konkreten Inhalt des Beitrags bezogene Stellungnahme von Facebook selbst oder durch beauftragte „Faktenprüfer“ vor.

Das Gericht habe ebenfalls berücksichtigt, dass sich beide Betroffenen jeweils auf Grundrechte berufen können, vor allem auf die freie Meinungsäußerung und auf die berufliche Ausübung des jeweiligen Geschäftsmodells. Jedoch verbleibe die Grundrechtsbetroffenheit der Blogbetreiberin unterhalb der Eingriffsschwelle. Sie besitze kein rechtlich oder gar grundrechtlich geschütztes Interesse daran, dass Facebook den Nutzern „ein um die Anregung zum Nachdenken bereinigtes Nutzererlebnis“ eröffne. Nach Ansicht der Richter muss es also möglich sein, die Facebook-Nutzer durch derartige Einblendungen zum Nachdenken anzuregen. Den Hinweisen stehe deshalb im Ergebnis nichts entgegen.

Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig.

lrü