Was lange währt, wird endlich gut! Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat am Dienstag, den 30. 3. 2021, das Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität ausgefertigt und den Auftrag zur Verkündung im Bundesgesetzblatt erteilt. Damit kann das neue Gesetz nun am 3. April bereits in Kraft treten. Zuvor hatte der Bundespräsident die Ausfertigung wegen verfassungsrechtlicher Bedenken zurückgehalten. Eine besonders auffällige Änderung, die mit dem neuen Gesetz einher geht: Bald sollen soziale Netzwerke Nazipropaganda, Morddrohungen oder kinderpornographische Inhalte nicht nur löschen und sperren, sondern auch dem Bundeskriminalamt melden. Welche weiteren Gesetzesreformen bevorstehen und welche Folgen Justiz und Ermittlungsbehörden nun ereilen, erfahren Sie in diesem Artikel.

Nachdem im Oktober 2019 ein rechtsextremistischer Terroranschlag auf eine Synagoge in Halle in letzter Sekunde abgewendet worden war, fackelte die Bundesregierung nicht mehr lange. Angesichts der Zunahme der Hasskriminalität – insbesondere im Internet – und rechtsextremistisch sowie antisemitisch motivierter Straftaten erarbeitete das Bundesjustizministerium ein umfangreiches Maßnahmenpaket. Die Bundesregierung beschloss den entsprechenden Gesetzesentwurf im Februar. Der Bundestag und Bundesrat billigten das Gesetz im Sommer 2020. Danach stand nur noch die Gegenzeichnung und Ausfertigung durch den Bundespräsidenten und schließlich die Verkündung im Bundesgesetzblatt an. Diese Phase zog sich jedoch stark in die Länge. Der Bundespräsident sah zunächst von einer Ausfertigung ab. Zu groß waren die verfassungsrechtlichen Bedenken, die sich auf einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (27. Mai 2020 – 1 BvR 1873/13, 1 BvR 2618/13) stützten. Demnach wurden die Vorschriften zur Bestandsdatenauskunft im deutschen Recht für verfassungswidrig erklärt. Diese betreffen auch das Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität. Bei Hasskriminalität im Internet sollen Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden künftig auf Bestandsinformationen von Telekommunikations- und Telemedienanbietern zugreifen dürfen. Zu diesen Daten gehören unter anderem Name und Anschrift, aber auch Passwörter. Doch es nahte Rettung. Das Bundesjustizministerium legte einen Gesetzesentwurf zur Reparatur des Gesetzes vor. Dieser regelt die Bestandsdatenauskunft neu und passt sie an den besagten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts an. In der vergangene Woche konnte der Vermittlungsausschuss endlich einen Kompromiss zwischen den politischen Parteien bei der Verabschiedung des Reparaturgesetzes erzielen. Dem stimmten Bundestag und Bundesrat am 26. 3. 2021 zu. Das Gesetz zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität kann nun endlich in Kraft treten.

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Zu den konkreten Inhalten des Gesetzes

Seit Anfang 2018 verpflichtet das NetzDG soziale Netzwerke, offensichtlich rechtswidrige Inhalte schnell zu löschen. Das Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität setzt einen drauf und will noch viel härter gegen Hass und Hetze im Netz vorgehen. Werden sozialen Netzwerken künftig Inhalte mit Neonazi-Propaganda, Mord- und Vergewaltigungsdrohungen oder kinderpornographischem Material gemeldet, sollen diese laut dem neuen § 3a NetzDG nicht nur entfernt oder der Zugang zu ihnen gesperrt werden. Das soziale Netzwerk soll dann auch das Bundeskriminalamt (BKA) einschalten, damit es die nötigen Ermittlungen einleitet. Hierfür wird das BKA extra eine neue Zentralstelle einrichten. Die sozialen Netzwerke müssen dem BKA nicht nur den verdächtigen Inhalt sondern auch die IP-Adresse des verdächtigen Nutzers mitteilen.

Auf anderer Ebene werden die Zuständigkeiten und Befugnisse von Strafverfolgungsbehörden ebenfalls erweitert. Bei dem Verdacht auf besonders schwere Straftaten wie Terrorismus oder Tötungsdelikten dürfen sie von den sozialen Netzwerken Passwörter herausverlangen. Dem muss allerdings ein richterlicher Beschluss zugrunde liegen.

Besonderer strafrechtlicher Schutz für Kommunalpolitiker

Im Strafgesetzbuch kommt es daneben zu einer Reihe von Strafverschärfungen. So wird künftig auch die Drohung mit einer Körperverletzung oder einem sexuellen Übergriff gemäß § 241 StGB unter Strafe gestellt, auch wenn es sich bei dem angedrohten Verhalten nicht um ein Verbrechen handelt. Das war bisher Tatbestandsvoraussetzung für die Bedrohung. Werden solche Drohungen im Internet ausgesprochen, wird das künftig mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren belangt. Öffentliche Morddrohungen werden mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren geahndet. Auch für eine Beleidigung im Internet kann man künftig zwei Jahre hinter Gitter kommen.

Nach dem Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke wurden Rufe nach einem verstärkten strafrechtlichen Schutz für Kommunalpolitiker laut. § 188 StGB schützte bisher nur Bundes- und Landespolitiker vor übler Nachrede und Verleumdung. Nun wird die Norm um den Tatbestand der Beleidigung erweitert. Ausdrücklich sollen mit dem neu eingefügten Satz „Das politische Leben des Volkes reicht bis hin zur kommunalen Ebene“ nun auch Kommunalpolitiker strafrechtlich vor Anfeindungen geschützt werden. Der strafrechtliche Schutz wird in der Praxis dadurch abgesichert, dass Lokalpolitiker, Ehrenämtler und Journalisten künftig leichter Auskunftssperren für ihre Daten im Melderegister erwirken können. So wird es unbekannten Straftätern erschwert, ihre Adressen herauszufinden.

Zurzeit wird außerdem nur strafrechtlich geahndet, wenn jemand bereits begangene Taten öffentlich befürwortet. Künftig steht auch das Befürworten angekündigter Delikte unter Strafe.

Durch das Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität wurde zudem ein antisemitisches Motiv in den Katalog der Strafzumessungsmerkmale des § 46 StGB aufgenommen. Damit wirkt ein antisemitisches Motiv in Zukunft grundsätzlich strafschärfend. Bisher nannte der Katalog in § 46 Abs. 2  StGB dieses Merkmal nicht explizit.

Justizministerium rechnet mit Verfahrensschwemme

Was bedeutet diese Reform für Justiz und Verwaltung? Sicher ist: Gerade durch die neue Meldepflicht gegenüber dem BKA wird es eine Fülle an Verfahren geben. Das Justizministerium kalkuliert mit etwa 150.000 Fällen pro Jahr. Bereits jetzt hat jedoch die Justiz mit Personalmangel zu kämpfen. Bundesjustizministerin (BMJV) Christine Lambrecht (SPD) kündigte daher die Schaffung neuer Stellen an.

mle