Wegen angeblich falscher Berichterstattung der Süddeutschen Zeitung hat ein Solar-Unternehmer rund 78 Millionen Euro Schadensersatz verlangt. Nun ist er jedoch mit seiner Klage am OLG Nürnberg gescheitert. Die Berichterstattung sei rechtmäßig, so das OLG.

Ein Mitbegründer der inzwischen insolventen Firma Solar Millennium ist in zweiter Instanz mit seiner Millionenklage gegen die Süddeutsche Zeitung (SZ) gescheitert. Das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg wies die Klage des Unternehmers ab (Beschl. v. 03.02.2021, Az. 3 U 2445/18).

Die OLG-Richter verwarfen per Beschluss die Berufung gegen ein Urteil des Landgerichts (LG) Nürnberg-Fürth aus dem Jahr 2018. Der Beschluss ist nicht rechtskräftig – der Unternehmer hat nun noch die Möglichkeit, Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof (BGH) einzureichen.

78 Millionen Gewinn wegen SZ-Artikel verloren

Der Mann ist bzw. war Mitbegründer, Hauptaktionär und Mitglied des Aufsichtsrats der in Erlangen ansässigen Solar Millennium AG. Am 25. Juni 2013 war in der SZ unter der Überschrift „Wetten auf den Absturz“ ein Artikel veröffentlicht worden, in welchem unter anderem die Frage aufgeworfen wurde, ob der Mitbegründer Insiderwissen zu seinen Gunsten genutzt hatte. Einen Tag später erschien in dem in der Schweiz verbreiteten „Tages-Anzeiger“ unter der Überschrift „Spur in deutschem Insiderfall führt zu Bank Vontobel“ ein Artikel, in welchem inhaltlich auf den Bericht in der SZ Bezug genommen wurde.

Der Unternehmer behauptet, dass aufgrund dieser Berichte eine bereits weit fortgeschrittene Vereinbarung über die Realisierung eines Kraftwerkprojektes in Indien und weiterer Projekte in Indonesien geplatzt seien. Ihm und den beteiligten Gesellschaften, welche die Schadensersatzansprüche an ihn abgetreten hätten, sei deshalb ein Gewinn in Höhe von stolzen 78.242.500 Euro entgangen. Die SZ habe ihn, da die Zeitungsartikel unzutreffende Behauptungen enthalten hätten, vorsätzlich sittenwidrig geschädigt, weshalb ihm ein Schadensersatzanspruch zustehe.

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OLG Nürnberg: Zweifel an der Glaubwürdigkeit

Das LG Nürnberg-Fürth hatte die Klage nach Vernehmung zweier Zeugen und Anhörung des Unternehmers abgewiesen und dabei im Wesentlichen ausgeführt, dass es Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Darstellung der beiden Zeugen und deren Glaubwürdigkeit habe. Zudem weiche der Artikel im Schweizer Tages-Anzeiger wesentlich von dem Artikel der Süddeutschen Zeitung ab, weshalb letzterer nicht ursächlich für das gescheiterte Geschäft gewesen sein könne (Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 25. Oktober 2018, Az. 11 O 9597/16).

Das OLG Nürnberg war nun der Auffassung, dass das LG die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen hatte. Das OLG hatte daher zunächst mit Beschluss vom 4. März 2020 die Parteien darauf hingewiesen, dass das Gericht beabsichtige, die Berufung des Unternehmers mangels Erfolgsaussichten zurückzuweisen (Hinweisbeschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 04. März 2020, Az. 3 U 2445/18). Nach Eingang umfangreicher Stellungnahmen erfolgte nun die angekündigte Berufungszurückweisung mit Beschluss vom 3. Februar 2021.

Für das OLG waren dabei vier Gründe maßgeblich, die Berufung zurückzuweisen:

Zum einen wies das OLG darauf hin, dass die Berufungsinstanz keine vollwertige Tatsacheninstanz darstelle. Vielmehr sei das Berufungsgericht an die Feststellungen und Würdigung des Erstgerichts (hier das LG) gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründeten und deshalb eine erneute Feststellung geböten. Derartige konkrete Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Feststellungen des Landgerichtes bestünden nicht.

Darüber hinaus sei es Voraussetzung einer Schadensersatzpflicht der SZ, dass diese durch die Veröffentlichung des Artikels vom 25. Juni 2013 pflichtwidrig und rechtswidrig gehandelt hätten. Dies sei vorliegend zu verneinen. Die Darstellungen in dem Artikel seien im Wesentlichen zutreffend gewesen. Im Übrigen könnten sich die Beklagten nach Ansicht des OLG auf die Grundsätze zur Verdachtsberichterstattung berufen.

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Das OLG ist zudem der Auffassung, dass der im Schweizer Tages-Anzeiger erschienene Artikel sich von den zulässigen Äußerungen des Artikels der Süddeutschen Zeitung inhaltlich so unterscheide, dass ein Zurechnungszusammenhang zwischen dem ursprünglichen Artikel und einem Scheitern der Geschäfte des Unternehmers entfalle. Die SZ habe in dem Artikel „Wetten auf den Absturz“ deutlich zu erkennen gegeben, dass es sich um eine – wenn auch starke – Vermutung handle, dass der Solar-Unternehmer Insiderwissen ausgenutzt habe. Zwar bestehe grundsätzlich eine Haftung auch für sogenannte Folgeschäden, das Verhalten der Redaktion des Tages-Anzeigers habe aber presserechtlichen Maßstäben in besonderer Weise widersprochen, so dass sich letztlich kein von den Beklagten geschaffenes Risiko verwirklicht habe.

Das OLG hielt die Klage aber zudem noch aus einem anderen weiteren Gesichtspunkt heraus für unbegründet. Die Richter konnten zwar nachvollziehen, dass aufgrund der damals gegen den Mann im Raum stehenden Vorwürfe ein Geschäftspartner nachteilige Folgen für die Reputation des Geschäfts und negative Reaktionen einzubindender Dritter befürchtete und daher die Geschäftsbeziehung abbrach. Es lasse sich aber keine Überzeugung gewinnen, dass gerade die möglicherweise im Artikel missverständlich dargestellten Details zu den Optionsgeschäften für den Abbruch der Geschäftsbeziehung ausschlaggebend gewesen seien.